Mit Süßstoff im Proteinpulver zum Waschbrett? Oder doch nur zur Darmentzündung

Mit Süßstoff im Proteinpulver zum Waschbrett? Oder doch nur zur Darmentzündung

i Felicity Tai Pexels
Mit Süßstoff im Proteinpulver zum Waschbrett? Oder doch nur zur Darmentzündung?

Fitness und die süße Illusion

Die Welt der Sporternährung liebt Extreme: Wenig Fett, viel Eiweiß, null Zucker. Und da Zucker bekanntermaßen in der Hölle gerührt wird, haben sich Süßstoffe als die cleverere Option etabliert. Wer regelmäßig Proteinpulver, Pre-Workouts, Riegel oder Isodrinks konsumiert, nimmt mehr davon auf als er denkt – und zwar nicht nur einen, sondern oft gleich mehrere auf einmal. Eine Mischung aus Sucralose, Acesulfam-K und Steviolglykosiden ist keine Seltenheit. Das klingt nach Chemieunterricht, schmeckt aber nach Birthday-Cake oder Strawberry-Marshmallow. Die Frage ist: Ist diese süße Tarnung der Süßstoffe wirklich harmlos?

Süßstoffe im Alltag eines Fitnessathleten

Der durchschnittliche Fitnessfan startet seinen Tag mit einem Shake – gesüßt, versteht sich. Später folgen BCAA-Drinks während des Trainings, ein Proteinriegel danach, vielleicht ein kalorienfreier Energy Drink zwischendurch. Abends dann Casein mit Vanille-Karamell. Jeder einzelne dieser Produkte enthält Süßstoffe – oft in Mengen unterhalb der gesetzlich zulässigen Tageshöchstdosis. Problematisch wird es, wenn man sie kumulativ betrachtet. Denn niemand isst oder trinkt nur ein Produkt – man kombiniert. Genau dieser 'Cocktaileffekt' wird von der Wissenschaft zunehmend kritisch gesehen.

Sucralose und die Darmflora

Sucralose, einst gefeiert als kalorienfreier Zuckerersatz, zeigt in Studien beunruhigende Auswirkungen auf das Mikrobiom. In Tierversuchen führte sie zu einer signifikanten Reduktion nützlicher Bakterienarten wie Lactobacillus und Bifidobacterium1. In menschlichen Studien lassen sich Hinweise auf eine erhöhte intestinale Permeabilität ('Leaky Gut') und entzündungsfördernde Veränderungen der Darmflora erkennen2. Wer regelmäßig Sucralose konsumiert, kann damit langfristig die Integrität seiner Darmbarriere gefährden – und das in einer Lebensphase, in der Leistung, Absorption und Immunfunktion wichtig wären.

Stevia: Natürlichkeit als Marketing-Trick

Stevia klingt gesund, nach Pflanze, Natur und südamerikanischer Urkraft. Tatsächlich handelt es sich in Proteinprodukten meist um hochgereinigte Steviolglykoside (meist Rebaudiosid A), die mit der grünen Blätterpflanze nur noch wenig gemein haben. Die industrielle Herstellung nutzt Lösungsmittel, Trennverfahren und Stabilisatoren3. Zwar sind toxikologische Studien überwiegend unauffällig – doch auf das Mikrobiom wirken auch diese Süßstoffe. Ein süßer, natürlicher Mythos also – mit industriellem Innenleben.

Acesulfam-K und Aspartam: Der hormonelle Nebenschauplatz

Acesulfam-K, Aspartam und auch Sucralose zeigen Auswirkungen auf Glukose- und Insulinsignale. Besonders Sucralose wurde in Studien mit einer übermäßigen Insulinantwort in Verbindung gebracht – vor allem in Kombination mit Kohlenhydraten.⁴ Bei übergewichtigen Personen zeigte sich dabei eine gestörte metabolische Reaktion. Aspartam wiederum, ein Dipeptid aus Asparaginsäure und Phenylalanin, wurde in Tiermodellen mit oxidativem Stress im Gehirn und veränderten Neurotransmittern in Zusammenhang gebracht.⁵ Auch wenn diese Effekte beim Menschen nicht eindeutig nachgewiesen sind, bleibt das Prinzip bestehen: Je weniger hormonelle Manipulation, desto besser für eine stabile Homöostase

Appetitanregung und Heißhunger: Das süße Paradox

Ironischerweise fördern viele Süßstoffe nicht Sättigung, sondern Appetit. Der süße Geschmack gaukelt Energiezufuhr vor, die ausbleibt – was Heißhunger und Kalorienüberkompensation zur Folge haben kann. Studien zeigen, dass Probanden nach Konsum künstlich gesüßter Getränke häufig mehr Kalorien zu sich nehmen als Kontrollgruppen6. Für Diätbewusste und Bodybuilder ist das eine böse Falle: Sie glauben, Kalorien zu sparen – und essen am Ende mehr.

Geschmacksverzerrung durch Süßkraft

Ein weiterer Effekt: Der Geschmackssinn wird desensibilisiert. Wer täglich 300-fache Süßkraft konsumiert, verliert die Feinheit für natürliche Süße. Beeren schmecken fade, Haferbrei ist 'nicht süß genug'. Studien belegen, dass hoher Konsum intensiver Süßstoffe die Geschmackswahrnehmung verändert und das Belohnungssystem beeinflusst7. Mit anderen Worten: Wer zu süß isst, wird irgendwann anspruchslos gegenüber echtem Geschmack.

Sportliche Besonderheiten: Timing & Absorption

Sportler nehmen Süßstoffe oft in einer physiologisch sensiblen Phase ein – z. B. post workout. In dieser Zeit ist die Resorptionsrate des Darms erhöht. Gleichzeitig ist die Darmbarriere nach intensivem Training transient durchlässiger. Das kann dazu führen, dass künstliche Süßstoffe verstärkt mit dem Immunsystem interagieren. Gastrointestinale Beschwerden wie Blähungen, Krämpfe oder sogar entzündliche Prozesse können auftreten8. Besonders problematisch ist dies bei gleichzeitiger Einnahme hochkonzentrierter Aminosäuren oder Creatin.

Tabelle: Süßstoffe in der Sporternährung

SüßstoffSüßkraft (vs. Zucker)Mögliche Nebenwirkungen
Sucralose600xDarmflora-Störung, Leaky-Gut-Effekt
Acesulfam-K200xInsulinreaktion, mögliche Genotoxizität
Aspartam200xNeurologische Effekte, oxidativer Stress
Steviolglykoside300xGeschmackstäuschung, Magenreizungen
Erythrit70xOsmotische Diarrhoe, Blähungen
Saccharin300xTierversuche: Blasenschäden, Mikrobiomveränderung


Was bedeutet das für deinen Shake?

Wer seinen Körper stählt, sollte seinen Darm nicht sabotieren. Das bedeutet nicht, dass Süßstoffe per se Teufelszeug sind – aber sie sind auch kein Blankoscheck für endlosen Konsum. Je weniger verschiedene Süßstoffe du kombinierst, desto besser. Und wenn du einmal am Tag einen Shake trinkst, ist das kein Drama. Problematisch wird es bei Dauerzufuhr, künstlich stimuliertem Appetit, hormoneller Verwirrung und ständiger Reizung der Schleimhäute. Die Alternative? Natürliche Süße – in Maßen. Reifer Apfel, Vanilleextrakt, Zimt. Keine Geschmacksexplosion, aber vielleicht ein Schritt zurück zum echten Essen.

Vanille-Illusionen aus der Industriehölle

Man muss sich schon fragen, was da eigentlich in den Hirnen von Fitnessstudiobetreibern passiert – oder besser: nicht passiert. In fast jedem Studio stehen Shakerstationen mit dickflüssigen Vanille-„Proteinshakes“, die aussehen wie Tapetenkleister, riechen wie Kindershampoo und schmecken wie Süßstoff auf Ex. Was da serviert wird, ist keine Sporternährung, sondern hochverarbeiteter Industriebrei: Milcheiweiß-Isolat, Verdickungsmittel, Süßstoffcocktails, künstliche Aromen, Farbstoffe und Stabilisatoren – ein Paradebeispiel für ein „funktionales“ Lebensmittel, das weder natürlich noch nährstoffschonend noch verträglich ist. Und das Absurde daran? Es ginge auch anders.

Frisch gepresster Orangensaft? Frischer Quark mit Beeren und Haferflocken? Vegane Shakes aus Haferdrink, Mandelmus und echter Banane? Fehlanzeige. Zu aufwendig. Zu ehrlich. Zu wenig Marge. Stattdessen wird in der hintersten Ecke des Studios ein Regal mit Dosen aufgestellt, das aussieht wie ein Endlager für die Fehler der Nahrungsmittelchemie. Und warum? Weil es nicht um Gesundheit geht. Nicht um Fitness. Sondern um Pulver, Profit und Pseudonutrition.

Man könnte fast glauben, die Betreiber haben sich irgendwann in den Neunzigerjahren vom Wodkageschäft inspirieren lassen: Günstig einkaufen, billig zusammenrühren, teuer verkaufen – und am besten noch mit leeren Werbeversprechen garnieren. Es ist die immer gleiche Formel: maximaler Gewinn aus minimaler Verantwortung. Und solange der Shake süß schmeckt und der Bizeps spannt, scheint das Publikum zufrieden. Willkommen im Wellness-Casino der Geschmackslüge.

Quellen

1 Uebanso, T. et al. (2017). Effects of low-dose non-caloric sweetener consumption on gut microbiota in mice. *Nutrients*, 9(6), 560.
2 Suez, J. et al. (2014). Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. *Nature*, 514, 181–186.
3 Magnuson, B. A. et al. (2016). Biological fate of low-calorie sweeteners. *Nutrition Reviews*, 74(11), 670–689.
4 Pepino, M. Y. et al. (2013). Sucralose affects glycemic and hormonal responses to an oral glucose load. *Diabetes Care*, 36(9), 2530–2535.
5 Ashok, I. et al. (2013). Oxidative stress and neurotoxicity in rats exposed to aspartame. *Free Radical Biology and Medicine*, 65, 150–156.
6 Fowler, S. P. et al. (2008). Fueling the obesity epidemic? Artificially sweetened beverage use and long-term weight gain. *Obesity*, 16(8), 1894–1900.
7 Yang, Q. (2010). Gain weight by “going diet?” Artificial sweeteners and the neurobiology of sugar cravings. *Yale Journal of Biology and Medicine*, 83(2), 101–108.
8 Costa, R. J. et al. (2017). Systematic review: Exercise-induced gastrointestinal syndrome. *Alimentary Pharmacology & Therapeutics*, 46(3), 246–265.

0 Kommentare