Bulimie & Magersucht im Fitnessclub: Warnzeichen, Körpersignale, Trainerhilfe

Bulimie & Magersucht im Fitnessclub: Warnzeichen, Körpersignale, Trainerhilfe

Bild von David Bruyland auf Pixabay
Bulimie & Magersucht im Fitnessclub: Warnzeichen, Körpersignale, Trainerhilfe

Zwischen Trainingseifer und Selbstzerstörung

Essstörungen wie Bulimie, Magersucht, Orthorexie und Sportsucht sind längst Teil der Fitnessrealität geworden. Sie verstecken sich hinter Sixpacks, Smoothies und Selbstoptimierung, Körperkult – auch im Fitnessclub. Für Fitnesstrainer stellt sich die Frage: Wo endet ambitioniertes Training und wo beginnt pathologisches Verhalten? Die Antwort erfordert Wissen, Sensibilität und Haltung.

Wenn Körperkontrolle zur Zwangshandlung wird

Anorexie, medizinisch als Appetitlosigkeit bekannt, beschreibt im Kontext der Anorexia nervosa einen gewollten, psychisch motivierten Gewichtsverlust. Essen wird zum Gegner, der Körper zum Feindbild. Auffällig sind extreme Schlankheit, übermäßiges Training, soziale Isolation – und paradoxerweise: ständiges Kreisen um Nahrungsmittel. Kochbücher, Kalorienlisten, Nahrung als Objekt der Kontrolle. Für Trainer bedeutet das: Hinschauen, nicht wegsehen.

Bulimie: Das doppelte Gesicht der Kontrolle

Bulimia nervosa zeigt sich oft unsichtbar. Betroffene wirken äußerlich gesund, doch ihr Alltag ist geprägt von Heißhungerattacken, Erbrechen, Abführmittelmissbrauch und oft heimlichen Sportexzessen. Viele trainieren sofort nach Essanfällen, getrieben von Schuldgefühlen und dem Wunsch nach Ausgleich. Die Gefahr: Das Verhalten tarnt sich als Disziplin. Trainer sollten deshalb nicht nur auf das Erscheinungsbild achten, sondern auf Verhaltensmuster und Körpersignale.

Orthorexie & Sportsucht: Gesunder Lebensstil als Krankheit

Orthorexie – der zwanghafte Drang, sich perfekt gesund zu ernähren – kann schnell in soziale Isolation und Mangelernährung führen. Wer alles „Ungesunde“ meidet, sich nur von „cleanen“ Lebensmitteln ernährt und exzessiv Sport treibt, hat die Balance verloren. Sportsucht wiederum ist gekennzeichnet durch zwanghaftes Training, selbst bei Krankheit oder Verletzung. Der Körper wird zur Projektionsfläche seelischer Konflikte.

Infografik: Warnzeichen und Körpersignale bei Essstörungen

BeobachtungTypische Werte/VerhaltenHinweis
Herzfrequenz in Ruheunter 50 bpmBradykardie – Warnsignal für starke Unterernährung
Blutdruckunter 90/60Hypotonie durch Energiemangel – häufig bei Anorexie
Körperfettanteilunter 10 % (Frauen), unter 5 % (Männer)Hormonstörungen, Fertilitätsverlust, Amenorrhoe
Trainingsverhaltenmehrfach täglich, zwanghaftHinweis auf Sportsucht oder bulimische Kompensation
Essverhaltenextrem restriktiv, ritualisiertOrthorektisches oder anorektisches Verhalten
Soziale DynamikIsolation, Rückzug, Training als Fluchtemotionaler Stress, kompensatorisches Verhalten
BMIunter 17 (bei Erwachsenen)medizinisch kritischer Schwellenwert


Was Fitnesstrainer tun dürfen – und was nicht

Trainer sind keine Therapeuten. Aber sie sind wichtige Beobachter. Wer auffällige Körperveränderungen, obsessive Verhaltensweisen oder erschöpfte Trainingszustände bemerkt, sollte nicht schweigen. Stattdessen gilt: Vertrauen aufbauen, Fragen stellen, nicht bewerten. Ein Beispiel: Gemeinsam einen Shake trinken mit dem Vorwand, „allein wäre mir das zu viel“. Solche Gesten können Nähe schaffen – und Gesprächsbereitschaft auslösen.

Diskretion und Verantwortung im Cluballtag

Trainer dürfen keine Diagnosen stellen. Aber sie können Beobachtungen im Team teilen – sachlich, ohne Verurteilung. Studioleitungen sollten klare Ansprechpartner und Verfahrenswege definieren. Regelmäßige Schulungen und Intervisionen helfen, mit Unsicherheit professionell umzugehen. Ziel ist immer: die Gesundheit der Mitglieder – körperlich wie psychisch.

Vorbildfunktion & Hoffnung: Gesundung ist möglich

Öffentliche Beispiele wie Prinzessin Victoria von Schweden oder frühere Topmodels zeigen, dass Essstörungen überwindbar sind – auch mit Unterstützung aus dem Fitnessumfeld. Trainer wie Daniel Westling, heute ihr Ehemann, können dabei eine Schlüsselrolle spielen: nicht als Retter, sondern als Menschen, die zuhören, begleiten und Haltung zeigen.

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