„Willst du in die Leistungsgruppe?“, fragten mich die langhaarigen Studenten, als ich die Hantel mit insgesamt 100 Kilo belud. „Ich mach das wissenschaftlich“, antwortete ich. Für weitere Erklärungen war jetzt keine Zeit. 100 Kilo Bankdrücken war das Ziel, das ich mir für die letzten Wochen gesetzt hatte. Bei 85 hatte ich im Februar angefangen. Meinen Trainingspartner Daniel hatte ich gebeten, mich wüst zu beschimpfen, falls es kritisch wird mit dem Gewicht. Wut als Antrieb funktioniert beim Bankdrücken immer gut.
Unter lautem Gebrüll führte ich die Hantel bis zur Brust und dann wieder in die Halterung. Geschafft. Ein etwas älterer Student mit Armen wie Bierfässer nickte mir anerkennend zu, einer von den Langhaarigen fragte mich fast ehrfürchtig: „Hast du nicht vor ein paar Wochen erst 90 gedrückt?“. Was soll ich sagen? Ich bin halt ein geiler Typ. Das habe ich nur gedacht. Gesagt habe ich, dass das ja ganz normale Trainingsfortschritte seien und dass er das auch schaffen könne. Mein Ego und ich passten beim Verlassen des Kraftraumes kaum durch die Tür. Seit fast vier Monaten wiederholte sich dieses Ritual an der Hantelbank.
Das Projekt „Superpumpme“ und die Vanille-Herausforderung
In einer Woche war das Projekt „Superpumpme“, der Selbstversuch mit den Eiweißpräparaten, vorbei. Seit fast zwei Monaten trank ich zwei Proteinshakes pro Tag. Einen morgens und einen nach dem Training. Der tägliche Eiweiß-Shake hing mir zum Halse raus. Die dickflüssige Vanillepampe war zumeist mehr Brei als Flüssigkeit. Inzwischen hatte sich mein Magen aber an die Überdosis Eiweiß gewöhnt, die Toiletten-Gänge waren nach den ersten Eiweiß-Tagen wieder auf ein Normalmaß zurückgegangen, mein Gewicht dagegen stieg stetig an. Im Februar wog ich noch 81 Kilo, inzwischen waren es 89 Kilo, wobei ich tatsächlich mit Eiweiß bisher etwas mehr zugenommen hatte als ohne. Durch die Eiweiß-Shakes hatte sich auch meine durchschnittliche Kalorienzufuhr um 800-1000 Kalorien pro Tag erhöht. Der Shake war wie eine extra Mahlzeit.
Diese zusätzliche Kalorienzufuhr, kombiniert mit dem intensiven Training, trug maßgeblich zum Muskelaufbau bei. Es ist wichtig zu verstehen, dass Muskelwachstum ein komplexer Prozess ist, der neben dem Training auch eine adäquate Ernährung erfordert. Eiweiß spielt dabei eine entscheidende Rolle, da es die Bausteine für die Muskeln liefert. Allerdings ist eine übermäßige Zufuhr, wie in meinem Selbstversuch, nicht zwingend notwendig und kann, wie die anfänglichen Verdauungsprobleme zeigten, auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Protein ist in der Regel ausreichend, um den Muskelaufbau zu unterstützen.
Muskelkater – Eine schmerzhafte Begleiterscheinung
Wehmut kam nicht auf, wenn ich an das Ende meines Projekts dachte. Zum einen war da dieser fiese Muskelkater in den Oberschenkeln nach den Kniebeugen. Der kam immer verzögert nach zwei Tagen, dafür aber so heftig, dass ich manchmal kaum laufen konnte. Dabei stemmte ich bei den Kniebeugen deutlich weniger als an der Bank oder beim Kreuzheben. Zum anderen hatte ich keine Lust mehr, mein Leben dem Muskelwachstum unterzuordnen. Denn auch das härteste Training nützte nichts, wenn man nicht viel und regelmäßig isst, viel schläft und wenig Alkohol trinkt. Muskelkater, diese verzögert auftretenden Muskelschmerzen, sind ein Phänomen, das viele Sportler kennen.
Sie entstehen durch kleine Risse in den Muskelfasern, sogenannte Mikrotraumen, die durch ungewohnte oder intensive Belastungen verursacht werden. Der Körper reagiert darauf mit Entzündungsprozessen, die zu den typischen Schmerzen führen. Interessanterweise korreliert die Intensität des Muskelkaters nicht immer mit der tatsächlich bewegten Last, wie meine Erfahrung mit den Kniebeugen zeigte. Auch die Art der Übung spielt eine Rolle. Exzentrische Bewegungen, bei denen der Muskel gegen eine Last arbeitet und gleichzeitig verlängert wird, scheinen besonders anfällig für Muskelkater zu sein. Es ist wichtig zu betonen, dass Muskelkater in der Regel harmlos ist und von selbst wieder verschwindet. Dennoch gibt es Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern, wie beispielsweise leichte Bewegung, Dehnübungen oder warme Bäder.
Zwischen Party und Protein – Die sozialen Opfer des Muskelaufbaus
Mit den ersten beiden, viel Essen und Schlafen, hatte ich wenig Probleme. Aber als Sportstudent Partys fast nüchtern zu besuchen, war dann doch wie in den Krieg ziehen ohne Waffen. So manches Gefecht musste ohne mich geführt werden. Denn bei jedem Schluck zu viel merkte ich am nächsten Tag, dass ich nicht nur an Gewicht verliere (Alkohol entwässert), auch das nächste Training wurde so zur Qual. Insofern ging eine sehr gesunde, aber auch zum Teil ungesellige und erlebnisarme Zeit vorbei. Der soziale Aspekt des Trainings und der Ernährung wird oft unterschätzt. Gerade in jungen Jahren, in denen soziale Interaktion und das gemeinsame Erleben eine große Rolle spielen, kann die strikte Einhaltung eines Trainings- und Ernährungsplans zu Einschränkungen führen. Alkohol, ein fester Bestandteil vieler sozialer Anlässe, kann den Muskelaufbau negativ beeinflussen.
Er hemmt die Proteinsynthese, also den Aufbau von Muskelprotein, und kann den Testosteronspiegel senken, was ebenfalls ungünstig für den Muskelaufbau ist. Zudem dehydriert Alkohol den Körper, was die Leistungsfähigkeit im Training beeinträchtigen kann. Die Entscheidung, auf Alkohol zu verzichten, ist daher oft ein bewusster Kompromiss zwischen sportlichen Zielen und sozialem Leben.
Die Relativität des Erfolgs und die Philosophie des Gewichts
Die 100-Kilo beim Bankdrücken waren da schon ein richtiges Ereignis. Aber kein sehr nachhaltiges. Denn schon einige Tage später merkte ich, dass im Kraftsport alles relativ ist. Ein freundlicher Philosophiestudent, den ich öfters im Kraftraum sah, wärmte sich mit 100 Kilo Bankdrücken auf. Ungläubig starrte ich ihn an. Mit Leichtigkeit bugsiert er die Hantel zehnmal hoch und runter. Er war deutlich kleiner als ich, dafür aber kompakter. „Ich bin grad im Prüfungsstress und mach deswegen locker“, sagte er, als ich ihn ansprach. Zwischen Aristoteles und Adorno stemmte er mal eben ein Gewichtmaß, auf das ich mühsam hin trainiert hatte. Nach diesem Training passte ich wieder locker durch die Tür.
Diese Anekdote verdeutlicht auf humorvolle Weise, dass es im Kraftsport nicht nur auf das absolute Gewicht ankommt. Faktoren wie Genetik, Trainingserfahrung, Körperbau und individuelle Voraussetzungen spielen eine entscheidende Rolle. Der Vergleich mit anderen kann daher demotivierend sein, anstatt zu motivieren. Viel wichtiger ist es, die eigenen Fortschritte zu verfolgen und sich realistische Ziele zu setzen. Der Weg ist das Ziel, und im Kraftsport, wie auch in der Philosophie, geht es oft mehr um den Prozess als um das Ergebnis. Am Ende des Tages zählt die persönliche Entwicklung und das Gefühl, etwas erreicht zu haben, unabhängig davon, was andere leisten.
1 Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Sportmedizin
2 Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Biochemie
3 Universität Tübingen, Abteilung für Sportwissenschaft