Fitness: Was ist aus Ihren guten Vorsätzen geworden?

Fitness: Was ist aus Ihren guten Vorsätzen geworden?

Foto: Messe Duesseldorf / ctillmann

Über Stress und das schlechte Gewissen nach dem 1. Januar


Vor Kurzem war es wieder soweit: Neujahr rückte der breiten Bevölkerung ihre mehr oder weniger schlechten Angewohnheiten ins Bewusstsein. Ob Rauchen, Alkohol oder der zu dicke Wohlstandsbauch - ab 1.1. soll alles anders werden!



Gute Vorsätze: Same procedure every year


So wie im letzten Jahr und im Jahr davor. Und im Jahr davor auch. Wenn jemand tatsächlich mal eine Woche lang weniger gegessen, oder nicht geraucht hat, dann ist das schon viel. Man kann es ja immer wieder im Fitness-Studio sehen: Bis Ende Januar ist es proppenvoll, ab Februar herrscht wieder gähnende Leere um Ergometer, Laufband und Co.

Und das ist auch völlig normal so. Wie was - jetzt kommt keine blöde Moralpredigt? Keine altklugen Ratschläge über mentale Motivation und Disziplin? Keine gutgemeinten Durchhalteparolen?



Gute Vorsätze zum neuen Jahr sind naturgemäß zum Scheitern verurteilt


Mal ehrlich: der dicke Bauch und das Rauchen waren schon vor Neujahr da. Und Sie haben auch genau gewusst, dass das irgendwie schädlich sein muss. Und wenn Sie noch zu dem Typ Mensch gehören, der bis Silvester extra viel raucht und Essen in sich hineinstopft, damit die Abstinenz ab 1.1. nicht so schwer fällt - dann haben Sie alles noch schlimmer gemacht. Sorry.



Viel Energie aus möglichst viel Zucker und Fett


Ich will kurz erklären, warum das so ist: In jedem von uns herrschen Triebe vor. Triebe sind grob gesagt körperliche Automatismen, um zu überleben. Uns interessiert an der Stelle vor allem der Trieb, möglichst viel Energie aus möglichst viel Zucker und Fett aufzunehmen. In früheren Entwicklungsphasen war dieser Trieb Garant für ein leistungsfähiges Gehirn und das energetische Absichern von Hunger-Zeiten. In der modernen Zivilisation hingegen, die von allzeit verfügbaren Lebensmitteln geprägt ist, führt dieser Trieb zu Diabetes, Übergewicht und allen anderen Zivilisationskrankheiten. Ein weiterer Trieb dieser Art und Wirkung wäre z.B. die Faulheit.

Diese Triebe sind deswegen so extrem stark, weil sie über Jahrtausende die menschliche Existenz aufrecht erhalten haben. Sie sind die Elite. Und daher ändern sie sich auch nicht so schnell. Je stärker sie ausgeprägt sind, umso mehr muss unser Geist mithilfe von Intelligenz, Einsicht und Konsequenz dagegen arbeiten. Aber das ist irre schwer!

Es gibt nur 3 Varianten, mit einer schlechten Angewohnheit umzugehen:


  1. Ich komme mit ihr klar und akzeptiere sie.
  2. Ich möchte sie ändern, bin aber zu schwach.
  3. Ich möchte sie ändern und fange ohne zu zweifeln und ohne Rücksicht auf Verluste JETZT damit an, sie aktiv zu bekämpfen.

Die allermeisten Menschen fallen in Kategorie 2. Sie bemerken ihren persönlichen Makel und wünschen ihn sich weg. "Wollen" ist ihnen zu anstrengend (ohne das despektierlich zu meinen!). Wer in Kategorie 2 gehört, kann automatisch nicht in Kategorie 3 Fuß fassen. Entweder ich HABE den Willen, oder ich habe ihn NICHT. Man kann ihn sich nicht aufzwingen, er kommt von selbst. Sicherlich kann man sich eine Zeitlang den Zwang der Selbstdisziplin antun, aber niemals ohne Einbußen und Charakteränderung.

Leute aus Kategorie 3 haben diesen Willen entweder genetisch ("Asketen"), oder bekommen ihn spontan durch Einsicht (z.B. durch eine Krankheit wie Lungenkrebs, oder das eindrückliche Beispiel eines nahen Verwandten).

Menschen der 1. Kategorie leben zwar sichtbar mit ihrem Makel, es ist ihnen aber egal. Sie bemessen einfach nicht ihren Wert daran, oder sie sind gleichgültig. Ungeachtet dessen, ob dies eine gute oder schlechte Lebenseinstellung ist, verursacht die betreffende schlechte Angewohnheit keinen Stress. In Bezug auf den Makel leben sie also wesentlich gesünder, als vergleichbare Menschen der Kategorie 2.



Die Alternative für nicht erfüllte Vorsätze


Statt dass sich ein Mensch, der sich z.B. das Rauchen abgewöhnen will, nun 1 Woche abquält, um danach aufzugeben, ein schlechtes Gewissen zu haben und zum Nachholen die doppelte Portion verqualmt, kann er auch einfach weiter auf normalem Niveau dampfen und versuchen, sich so zu akzeptieren. Als Indikator, ob man lieber auf diese Weise vorgehen sollte, könnte man betrachten, wie oft man bereits vergeblich versucht hat, aufzuhören.

Eventuell kann es eine Strategie sein, sein Laster beizubehalten, dafür aber eine ausgleichende Aktivität dazuzunehmen, z.B. Ausdauersport.

Alles in Allem geht es mir darum, klarzumachen, dass insbesondere ein schlechtes Gewissen aufgrund nicht erfüllter Vorsätze zu einem hochgiftigen Zustand im Körper führt: Stress! Wir alle leiden in irgendeiner Art unter Stress: Zeitdruck, Perfektionismus oder aufgrund sozialer Beziehungen.



Belastung durch negativen Stress tunlichst vermeiden.


Folglich sollte man jede weitere Belastung durch negativen Stress tunlichst vermeiden. Dazu gehört vor allem der Leidensdruck aufgrund von selbstgesteckten Zielen, die man trotz mehrfacher Versuche einfach nicht erfüllen kann!

Ich weiß, was Sie jetzt denken! Sie werden sich fragen, warum ich davon abrate, ein gesünderes Leben zu führen - aber ich sage: "Gesund" ist relativ! In erster Linie bedeutet gesund "stressfrei". Es nützt nichts, ein Laster gegen ein schlimmeres einzutauschen.

Sie können Ihr persönliches Laster erst dann wirksam bekämpfen, wenn Sie wirklich von sich aus WOLLEN! Dieses Wollen kommt von innen, nicht von gutgemeinten Ratschlägen oder wahllos ausgesuchten Jahresdaten!



Wie wird man mit dem schlechten Gewissen fertig?


Angenommen Sie haben bereits mehrfach versucht, sich irgendeine schlechte Angewohnheit abzugewöhnen, sind aber mehrfach gescheitert. So weit, so schlecht. Ihr Gewissen plagt Sie, Sie fühlen sich unzulänglich und glauben, den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen. Von den Ansprüchen der Anderen an Sie ganz zu schweigen. Ich rate Ihnen an der Stelle: Bitte versuchen Sie nicht, wieder mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen! Es ist sinnlos, die selbe Sache immer wieder zu versuchen und auf einmal plötzlich Erfolg zu erwarten. Das geht nicht.

Stattdessen könnten Sie Folgendes für sich ausprobieren:



1. Akzeptieren der schlechten Angewohnheit


Als Mensch sind Sie immer ein Gesamtkunstwerk. Jeder hat seine Stärken und jeder hat seine Schwächen. Nur, weil Ihre Eltern Sie früher abgelehnt haben, heißt das noch lange nicht, dass Sie keine Stärken haben. Nur, weil im Fernsehen immer alle lachen und gut aussehen, sind diese Leute nicht automatisch auch glücklich. Nur, weil auf Familienfeiern immer ein charismatischer Mensch lauthals Abenteuergeschichten erzählt, müssen Sie sich nicht an diesen großteils erschwindelten Geschichten vergleichen. Jeder, ausnahmslos jeder, hat persönliche Schwachstellen und muss mit diesen klarkommen. Jeder, ausnahmslos jeder, ist trotz seiner Schwachstellen ein liebenswürdiges Individuum. Auch Sie. Deswegen können Sie Ihre schlechte Angewohnheit auch als Teil Ihres Selbst akzeptieren.



2. Reflektieren und bewerten


Wenn man eine schlechte Angewohnheit an sich erkannt hat, dann sollte man sie ins Verhältnis setzen. Die Frage wäre also: Wie schlimm ist mein Makel tatsächlich im Vergleich zu meinem restlichen Leben? Angenommen, Sie essen gerne und zu viel Süßigkeiten und nun haben Sie deutliches Übergewicht. Werden Sie allerdings trotzdessen in Ihrem Job als Vorbild akzeptiert, befinden sich in einer stabilen Partnerschaft und/ oder haben ein Ehrenamt inne, das von anderen sehr geschätzt wird, dann zerstören Sie bitte nicht Ihre ansonsten guten Beziehungen durch Ihr überbordendes schlechtes Gewissen!



3. Handlungsbedarf


Als letzten Punkt sollte man seinen tatsächlichen Handlungsbedarf einschätzen. In vielen Fällen wird Punkt 2 dermaßen relativierend eingeschätzt, dass sich eigentlich kaum bis kein Handlungsbedarf ergibt. Im Gegenteil: Das weggelassene Ankämpfen führt zu mehr geistigen und zeitlichen Kapazitäten, so dass die Lebensqualität sogar steigen kann!

Demgegenüber kann es aber auch sein, dass Sie akuten Handlungsbedarf sehen, beispielsweise, weil Ihr Laster anderen schadet (z.B. Rauchen im Haus trotz Kleinkindern etc.) oder Ihre Lebensqualität einschränkt (z.B. ständiger Alkoholrausch und daraus resultierende ungewollte Peinlichkeiten). In dem Fall sollten Sie tatsächlich den Kampf aufnehmen!

In diesem Sinne wünsche ich einen stressfreieren Jahresanfang, Ihr
Parick Raabe

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