Müde trotz Training? Welche Supplements wirklich helfen und welche nicht

Müde trotz Training? Welche Supplements wirklich helfen und welche nicht

Pexels Yunuen Caballero m
Müde trotz Training? Welche Supplements wirklich helfen und welche nicht

Wenn Sport nicht reicht

Du trainierst regelmäßig, ernährst dich halbwegs bewusst, nimmst deine Eiweißshakes – und bist trotzdem müde. Nicht nur ein bisschen, sondern so durchgehend erschöpft, dass dir selbst das Warm-up wie ein Triathlon vorkommt. Willkommen in der Realität vieler Freizeitsportler.

Was im Fitnessstudio als Disziplin gefeiert wird, kollidiert draußen mit hormonellen Dysbalancen, Mikronährstoffmängeln und Schlafproblemen. Kurz: Du bist nicht schwach – dein Körper ist überfordert. Und Supplements können helfen. Aber nur, wenn du weißt, was du tust.

🔬 Echte Ursachen statt Placebo

Müdigkeit ist selten eindimensional. Oft spielen verschiedene Faktoren zusammen: ein unentdeckter Eisenmangel, gestörter Schlaf, unausgeglichener Blutzucker, Schilddrüsenunterfunktion, chronischer Stress oder auch Medikamente. Wer einfach „irgendwas gegen Müdigkeit“ einwirft, landet schnell bei ineffektiven Multivitaminen mit 200 % RDA und null Wirkung.

Nahrungsergänzung funktioniert nur, wenn sie gezielt angewendet wird – auf Basis echter Laborwerte oder klarer Symptome. Alles andere ist Placebo in Kapselform, bestenfalls. Schlimmstenfalls überdosierst du Stoffe, die du gar nicht brauchst.

Eisen, B12 und Co: Die unterschätzten Basics

Beginnen wir bei den Klassikern: Eisenmangel betrifft vor allem menstruierende Frauen, Vegetarierinnen und Ausdauersportler. Ein Ferritinwert unter 50 ng/ml kann bereits spürbare Müdigkeit verursachen – auch wenn der Hb-Wert noch „normal“ ist. B12 wiederum ist essenziell für die Zellteilung und das Nervensystem.

Ein Mangel kann Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und chronische Erschöpfung verursachen. Besonders betroffen sind Veganer, Menschen mit Magen-Darm-Problemen oder langfristiger PPI-Einnahme. Coenzym Q10 wird oft bei Personen empfohlen, die Statine einnehmen oder über 40 sind – die mitochondriale Energieproduktion kann unterstützt werden, die Studienlage ist ordentlich, aber nicht spektakulär.

SupplementWirkung bei MüdigkeitBesonders sinnvoll für
EisenVerbessert Sauerstofftransport, reduziert ErschöpfungFrauen, Vegetarier, Ausdauersportler
Vitamin B12Fördert Nervengesundheit, kognitive LeistungVeganer, Senioren, PPI-Nutzer
Coenzym Q10Unterstützt zelluläre EnergiegewinnungStatin-Nutzer, 40+


Glycin, Ashwagandha, NAD+: Was wirklich spannend ist

Glycin fristet ein Dasein im Schatten der beliebten „Leistungssupplemente“, dabei ist seine Wirkung auf Schlafqualität und Erholung bemerkenswert. Studien zeigen, dass 3–5 g Glycin vor dem Schlafengehen die Tiefschlafphasen verbessern und das morgendliche Energielevel anheben können. Ashwagandha wiederum ist ein Adaptogen, das besonders bei stressbedingter Müdigkeit hilft.

Die Cortisolwerte sinken messbar, die Schlafqualität steigt. Und NAD+? Hier wird’s experimentell. Die Vorstufen NMN und NR sollen den mitochondrialen Energiestoffwechsel boosten, was in Tiermodellen gut belegt ist – beim Menschen gibt es erste positive Hinweise, aber noch keine finalen Urteile. Wer neugierig ist, kann es versuchen – idealerweise mit Blutwert-Monitoring.

Schlaf ist der Schlüssel – nicht Koffein

Wer regelmäßig Sport treibt, braucht mehr Regeneration – und damit besseren Schlaf. Die Realität: viele trainieren um 21 Uhr, scrollen bis Mitternacht und wundern sich über bleierne Erschöpfung beim Aufwachen. Schlaf ist kein Bonus, sondern Fundament für Energie.

Schon ein Defizit von 60 Minuten pro Nacht über eine Woche kann die Reaktionszeit und Muskelkraft signifikant reduzieren. Hier helfen keine Supplements – sondern Struktur. Raumtemperatur senken, Blaulicht meiden, feste Einschlafzeit. Unterstützend: Magnesium bis 400 mg, Glycin (3 g), evtl. Ashwagandha. Melatonin ist nur bei Jetlag oder Schichtarbeit sinnvoll – und sollte niemals dauerhaft genommen werden.

Was nicht hilft: Wunderkapseln und Mega-Dosen

Die Versuchung ist groß: Ein Supplement, das „Energy + Focus + Performance“ verspricht – oft mit 17 Inhaltsstoffen in homöopathischer Dosis. Oder hochdosierte Kombipräparate mit 8000 % Tagesbedarf an B-Vitaminen, die du nur auspinkeln wirst. Und dann die Lieblinge aus dem Influencer-Universum:

Matcha-Gummies, Cordyceps-Latte, flüssiges Chlorophyll. Der Glaube an magische Wachmacher ersetzt keine echte Ursachenanalyse. Und je mehr du „nur mal ausprobierst“, desto unübersichtlicher wird dein Supplement-Regal – und desto wahrscheinlicher wird Wechselwirkung, Überdosierung oder schlicht: Geldverschwendung.

So findest du heraus, was dir fehlt

Die Lösung liegt – wie so oft – im Labor. Ein Basis-Blutcheck mit Ferritin, Vitamin B12, TSH, Vitamin D, CRP, ggf. Magnesium und Zink gibt erste Hinweise. Danach gezielt ergänzen. Nicht alles auf einmal. Und vor allem nicht dauerhaft. Ein Zyklus von 8–12 Wochen mit gezielter Supplementierung ist oft ausreichend, um die Speicher wieder aufzufüllen.

Parallel: Schlaf optimieren, Alkohol reduzieren, Training intelligent periodisieren. Es gibt kein Supplement, das systemische Erschöpfung kompensiert – aber es gibt Wege, dein System zu unterstützen, statt es weiter zu überfordern.

Energie ist kein Zufall

Du brauchst nicht mehr Booster, sondern mehr Bewusstsein. Müdigkeit trotz Training ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein Signal. Die richtigen Supplements können helfen, wenn sie in einem klugen Gesamtkontext eingesetzt werden. Denk wie ein Coach, nicht wie ein Käufer.

Frag dich nicht, was du noch einwerfen kannst – sondern was du deinem Körper abverlangst, ohne ihn dafür auszurüsten. Und vielleicht ist der größte Energiebooster gar kein Molekül, sondern ein verdammt ehrlicher Blick auf dein Leben außerhalb des Studios.



Quellen: (1) World Health Organization. Iron deficiency anemia. Fact Sheet, 2024. (2) Herrmann W et al. Vitamin B12 status in vegetarians: A systematic review. Am J Clin Nutr. 2022;116(4):955–967. (3) Bhagavan HN, Chopra RK. Coenzyme Q10: absorption, tissue uptake, metabolism and pharmacokinetics. Free Radic Res. 2006;40(5):445–453. (4) Rondanelli M et al. Magnesium supplementation in fatigue: A systematic review. Nutrients. 2020;12(6):1795. (5) Lopresti AL et al. A systematic review of the effect of Ashwagandha on stress and fatigue. J Clin Psychol. 2019;75(6):1001–1017. (6) Trammell SAJ et al. Nicotinamide riboside boosts NAD+ in humans. Nat Commun. 2016;7:12948. (7) Bannai M et al. Glycine ingestion improves subjective sleep quality in human volunteers. Sleep Biol Rhythms. 2012;10(2):132–138.

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