Lauf, Forrest! - Eine kritische Betrachtung gezielten Ausdauertrainings

Lauf, Forrest! - Eine kritische Betrachtung gezielten Ausdauertrainings

Foto: Hypoxi Studio Perlach

„Bewegung ist gesund!“, „Es mangelt an Bewegung!“, „Lauf dich schlank!“ tönt es aus jedem erdenklichem Medium mit Gesundheitshintergrund. Was für einige Zeitgenossen des ungehaltenen Sofa-Lümmelns durchaus zutreffend ist, wird von einer nicht minder geringen Gemeinde an „Mehr-ist-besser-Aktivisten“ eher unsauber interpretiert.



Mehr Bewegung, mehr Gesundheit?



Denn immer mehr Bewegung bedeutet ab einem gewissen Level nicht mehr Gesundheit, sondern das Gegenteil davon tritt mit steigendem Trainingsumfang immer stärker auf den Plan: mehr Verletzungsrisiko, Abnutzungserscheinungen, Gefahr des Übertrainings oder von Infekten.



Wer Sport übertreibt



Diese Gefahr besteht für jeden Sport, den man übertreibt, besonders aber bei langfristigen Ausdauerleistungen, da die ihnen eigene niedrige Intensität teilweise stundenlang aufrecht erhalten werden kann, sei es im Marathonlauf, bei Radfahrten im dreistelligen Kilometer-Bereich oder noch erschöpferende Skilangläufe.



Ruhephasen sind wichtig



All diese Aktivitäten zehren den Körper in einem Maße aus, welches das Verhältnis von (für Verbesserung notwendigen) Verschleiß zu Leistungsaufbau immer weiter in Richtung Verschleiß verschieben. Nach wohldosiertem Training wird in den Ruhephasen durch Beanspruchung verschlissenes Gewebe wiederaufgebaut bzw. sogar verbessert (Muskelaufbau oder Erhöhung von Energiespeichern).



Regenerationsprozess



Wird der Verschleiß allerdings zu weit getrieben, so passiert Folgendes: der Körper braucht eine sehr lange Zeit, um den Ursprungszustand wiederherzustellen (nach einem Marathonlauf ca. 1-2 Wochen, Ausnahmen bestätigen die Regel!). Während dieser Zeit darf der Körper nicht durch weiteres Training im Regenerationsprozess gestört werden, ansonsten verlängern sich die Wiederherstellungsprozesse. Dies folgt natürlich dazu, dass die Leistung wegen mangelnden Trainingsreizes stagniert oder sinkt. Begeht man jedoch den Fehler und trainiert in den Regenerationsprozess hinein, so verlängert sich dieser bestenfalls wieder, schlimmstenfalls wehrt sich der Körper mit Trainingsunlust, ein unvollständig wiederhergestelltes Immunsystem neigt zu Infekten und der an sich nicht verkehrte Trainingseifer katapultiert den Sportler ins Übertraining.



Horrorszenario?



Dies könnte man meinen, denn schließlich laufen abertausende Freizeitsportler bei den immer beliebter werdenden Halb-/ Marathons und City-Läufen durch die Innenstädte der Republik. Und ich war mal einer davon ...



Ich möchte keinem engagierten Langstreckenläufer zu nahe treten, aber der Großteil der Zielläufer erinnert entweder an ausgezehrte Asketen und Asketinnen oder an zwar leistungsstarke, aber trotz immensen Trainingsaufwandes nach wie vor dickliche Durchschnittstypen. Und der Großteil der Leute, mit denen man sich im Vorhinein auf der üblichen Pastaparty unterhält, berichten von Kniebeschwerden, Müdigkeit oder familiären Problemen durch das zeitintensive Training.



Lohnt sich das?



Ich selbst kenne das tolle Gefühl des Wettkampfes, sowohl bei Radrennen als auch bei Wettläufen gab ich mein Bestes. Wenig übersteigt das Gefühl, einen hartnäckigen Kontrahenten auf der Zielgeraden noch zu überholen, oder der Moment, zum ersten mal einen Marathon gefinisht zu haben. Ich möchte diese Gefühle niemandem madig machen, denn sie dienen perfekt dazu, seine Grenzen zu erfahren und sich selbst körperlich einschätzen zu lernen.



Mittlerweile weiß ich aber, dass es dazu keines Marathons bedarf.



Früher galten die 10 km als Langstrecke, aber im Zuge des „Höher-Schneller-Weiter“ haben sich die Grenzen für den Durchschnitts-Sportler nach oben verschoben. Die Marathondistanz erweckt heutzutage kein Aufsehen mehr. Also muss der Ultramarathon oder ein 100-km-Lauf her, um die ersehnte Anerkennung zu erlangen. So verlagern sich die Grenzen ohne Rücksicht auf Verluste. Und weil einige Ausnahmeathleten diesen Trend durchhalten, wendet Otto-Normal-Verbraucher diese Maßstäbe auf sich an. Dass dies fatal ist, zeigen die immer häufiger auftretenden und immer schwerwiegenderen Verletzungen und Krankheiten an.



Gesundheit hört da auf, wo Leistungssport anfängt.



Es gilt, diesen gefährlichen Trend zu stoppen und zu der Einsicht zu gelangen, dass Gesundheit da aufhört, wo Leistungssport anfängt. Nicht jeder ist dafür geboren, Rekorde zu brechen. Im Grunde sind nur sehr wenige dafür geboren. Dass man durch harte Arbeit und Training einiges an mangelndem Talent wettmachen kann, möchte ich nicht bestreiten. Aber zu welchem Preis! In seinen jungen Lebensjahren mag der Körper das noch einigermaßen wegstecken, aber mit steigendem Alter vergisst der Körper immer weniger die ihm angetane Pein.



Es wird auch gerne darauf hingewiesen, dass Laufen im Sinne von Joggen „natürlich“ sei.



Für diese Natürlichkeit wird gerne der Steinzeitmensch herangezogen. Genau da hinkt das Beispiel. Der Steinzeitmensch kannte genau 2 Laufformen:



• 1. Flucht/Jagd – ein Rennen bei höchstem Tempo, was nur kurz aufrechtzuerhalten ist und



• 2. das Zurücklegen langer Strecken auf Nahrungs- oder Obdachsuche, bei gleichzeitiger Schonung der eigenen Energiespeicher – heute würden wir Wandern dazu sagen.



Dabei konnte man prima die Umgebung nach Feinden und Essbarem absuchen. Die Bewegungsform des Joggens ist also eher etwas Unnatürliches.



Wie kann man nun herausfinden, was eine angemessene Trainingsdosis in Ausdauersportarten darstellt, wenn man die unbestrittenen positiven Effekte auf das Herz-Kreislauf-System erzielen will? Die Frage ist dabei:



Welcher Aufwand ist nötig, um ein gutes Level halten/erreichen zu können?



Neben den unverrückbaren individuellen Faktoren Alter, Geschlecht, körperliche Einschränkungen und mentalem Willen spielen zusätzlich Herzfrequenz und Belastungsdauer die entscheidende Rolle. Berechnungen zur idealen Trainingsfrequenz allein mit Hilfe einfachster Formeln und Variablen wie dem Lebensalter sind nicht mehr als gröbste Parameter.



Dabei ist es einfach, die eigene Belastung während des Ausdauersports zu überprüfen und zwar anhand der Atemfrequenz bzw. dem Sprachvermögen. „Leichte“ Belastung kennzeichnet sich dadurch, dass man ohne Mühe einen langen Satz während des Trainings deutlich aussprechen kann.



„Moderate Belastung“ hat man, wenn dieser Satz von einer Atempause und leicht forciertem Aussprechen begleitet wird. „Intensiv“ wird das Training, wenn nur mehr hastige, schwer verständliche Worte gesprochen werden können und im „hochintensiven“ Bereich (Sprint) ist Sprechen nicht mehr möglich.



Dieser Test macht deswegen Sinn, weil das Aussprechen von Wörtern das Atmen unterbricht. Und je nach Intensität ist das dem Körper noch möglich, oder eben nicht mehr. Somit ergibt sich für gesundheitlich angepasstes Training eine Häufigkeit von 2-3 mal in der Woche 20-30 Minuten Ausdauertraining bei „moderatem“ Tempo. Wer körperlich dazu in der Lage ist, also verletzungsfrei, ausgeruht und ohne Herzprobleme, kann intensive bis hochintensive Kurzbelastungen („Intensitätstraining“) absolvieren.



Ein solches Training wäre beispielsweise je acht Wiederholungen von 10 Sekunden Sprint gefolgt von 20 Sekunden Pause. Dieses Training empfindet den Fluch-/Jagdreflex nach, bewirkt einen starken Stressabbau und zieht einen hohen Kalorienverbrauch nach sich. Diese Trainingsvariante darf aber auf keinen Fall übertrieben werden, da sie hochanstrengend für den Körper ist!



Wer diese Anregungen beherzigt, wird bei geringem Verletzungs- und Übertrainingsrisiko in den Genuss sämtlicher Vorteile des Trainingseffektes kommen, ohne sich stundenlang kilometerfressend durch die Weltgeschichte bewegen zu müssen!



Anm: der Red.: Danke an Patrick Raabe für den tollen Artikel

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