Fitnesstraining: Ich müsste auch mal wieder was tun ...

Fitnesstraining: Ich müsste auch mal wieder was tun ...

Foto: Maridav fotolia.de

Entweder ganz, oder gar nicht!


Heute Vormittag in der Sauna: ein dicklicher, mittelalter Bauunternehmer und sein extrem beleibter, etwas jüngerer Kollege unterhalten sich über die Häufigkeit ihrer Fitnessstudio-Besuche. "Man müsste ja mal wieder öfter gehen" und außerdem "müsste man eigentlich weniger essen", ach so und mehr Wasser statt Bier trinken "müsste" man auch.



Gesundheit, Bewegung und Ernährung


Das ist doch ein seltsames Phänomen, oder? Eigentlich weiß man die Grundfakten über Gesundheit, Bewegung und Ernährung. Der Kopf ist informiert und kann jedem willigen Gesprächsopfer auswendig alle Einzelheiten des fitten Lifestyles vorbeten.



Stück für Stück fraß ich mich durch das Buffet


Ich erinnere mich an ein Kaffeetrinken vor nicht allzu langer Zeit, bei dem sich die Gastgeber sehr viel Mühe mit dem Kuchen-Buffet gegeben hatten. Diese Schande konnte ich ihnen natürlich nicht bereiten, all die kunstvollen Sachen unangerührt stehen zu lassen! Also nahm ich ein gut aussehendes Stück Buttercreme-Schoko-Kuchen mit Fondant-Glasur. Das allein hatte schon 500 kcal, doch war ich nun angefixt. Der Staudamm war eingerissen: Stück für Stück fraß ich mich durch das Buffet - von A wie Ananas-Torte bis Z wie Zuckerplätzchen. Ich fühlte eine Art Euphorie, gepaart mit dem Glücksgefühl eines hemmungslosen Kalorien-Inputs.



Der Urzeitmensch war anders und fit


Als Urzeit-Mensch hätte es für mich nichts besseres geben können: unbegrenzte Kalorienaufnahme bei hohem Zuckeranteil - perfekt für den 20-km-Lauf-und-gegen-wilde-Tiere-kämpf-Alltag! Und genau da kommt dieser mehr oder weniger unwiderstehliche Drang nach Übersättigung, Zucker und Fett her. Eine damals völlig ungeregelte Nahrungsverfügbarkeit + Fressfeinde ließ keine essbare Kalorie ungenutzt. Das zuckersüchtige Gehirn wurde mit Obst und Honig funktions- und überdurchschnittlich leistungsfähig gehalten. Fett als der Nährstoff mit der höchsten Energiedichte schlechthin war natürlich umso beliebter in schweren Dürre- oder Kälteperioden.

Im Endeffekt bestimmen unsere steinzeitlichen Gene die Fressattacken. Das ist jetzt absolut nichts Neues, das wissen die meisten Menschen auch ohne Vorbildung. Ich will deswegen etwas genauer auf die Hintergründe eingehen - und die liegen im hormonellen Bereich. Ohne mit Fachwörtern um mich zu werfen muss man sich eigentlich nur grob merken, dass besonders der Zuckergehalt im Blut und die Zusammenziehung der Magenwand für ein starkes Hungergefühl verantwortlich sind. Dazu kommt der Fakt, wie hoch der Körperfettanteil ist. Zusätzlich spielen auch Abbauprodukte aus vorher aufgenommenen Nahrungsmitteln eine Rolle (z.B. Glückshormone in der Schokolade ;) ).

Eine Fülle von Hormonen lenkt also unseren Geist - genauso wie Muttergefühle, Aggression, Machttrieb oder Altruismus von Hormonen kontrolliert werden. In unserer Urform sind wir also erschreckend willenlos. Der Geist weiß zwar, was besser für uns wäre, die vorherrschenden Hormone sind im Durchschnitt aber stärker.



Wir sind hormongesteuert


Auf die Frage, warum wir dermaßen hormongesteuert sind, gibt es leider noch keine nachweisbaren Antworten. Sicher ist jedoch, dass eine größtmögliche biologische Varianz von Individuen eine hohe Wahrscheinlichkeit des Überlebens unserer Rasse zur Folge hat, da bestimmte Umwelteinflüsse Anpassungen zur Voraussetzung haben. Beispielsweise Fettsucht: Wo heute ein Fettsüchtiger nur Probleme in seinem schwergewichtigen Alltag hat, war er in einer steinzeitlichen Eiswüste möglicherweise der einzige Überlebende, weil nur er genug Reserven in der Sommerzeit aufgebaut hatte.

Vielleicht wäre unser dicker Bauunternehmer aus dem Eingangs-Beispiel ein solcher Überlebender gewesen - während ich mit meinen dünnen Anlagen unter Umständen nach ein paar Wochen Schnee jämmerlich gestorben wäre - wer weiß? Heute hingegen sieht er mich in Topform in der Sauna (trotz Buttercreme-Kuchen :) ) und fragt sich, was er selbst wohl falsch macht. Bzw. was er machen "müsste", um ebenfalls optisch besser auszusehen. Wir wissen nun, dass neben seinem langsameren Stoffwechsel hauptsächlich die Hormonlage ursächlich für sein Feinkostgewölbe ist.



Hat dieser Mensch denn aber eine reale Chance, sich gegen seine Hormone zu behaupten?


Hormone sind stark - aber nicht unüberwindbar. Am Anfang des Prozesses, sich gegen die destruktiven Teile seiner Natur zu stellen, steht die Erkenntnis, dass dies nicht anders als durch Leiden und Entbehrung funktioniert. Aber die gute Nachricht: Hat man das Rad erstmal ins Rollen gebracht, fallen weitere Erfolge umso leichter!

Auch das durfte ich erfahren: Ich habe seit Jahren keine zuckerhaltigen Softdrinks mehr getrunken.Die Entwöhnung führte auf einem kürzlichen Familienbesuch dazu, dass ich mangels Mineralwasser eine ekelhaft süße, künstliche Plörre trinken musste: Cola! Früher habe ich sehr viel davon getrunken, eine Flasche täglich, wenn das Taschengeld es zuließ. Mit der Abstinenz kam zum Glück aber auch die Einsicht, dass eine naturbelassene Ernährung sich auch selbst stützen kann.



Und genau diese Hebel gilt es, in Bewegung zu setzen!


"Ich müsste mal ..." wird nie zu etwas führen, denn es spiegelt genau die Abneigung wider, die dem Erfolg so hinderlich ist! Nur mit einem ernst gemeinten "Ich will, obwohl es schwer wird!", kommt man hier weiter. Mit "müsste mal" wächst nur die Demotivation.

Dabei ist aber auch einige Konsequenz vonnöten. Wer glaubt, sich von 3 Tagen Zusammenreißen beim Essen sofort in einen schlanken Frauenhelden zu verwandeln, irrt gewaltig. Auch das muss klar sein: ein Körper, der in 10, 15 oder 20 Jahren Völlerei verfettet ist, kann man nicht innerhalb kürzester Zeiträume kurieren. Mit Courage geht es verhältnismäßig schnell - aber wenn es leicht wäre, so hätte es einfach keinen Wert!



Und was ist, wenn man von vornherein weiß, dass man diese Konsequenz und den Willen einfach nicht aufbringen kann?


Dann darf man sich nicht weiter quälen! Man muss einfach akzeptieren, dass man in diesem Leben kein Topmodel mehr wird. Man muss sehen, dass es viele Wege zum Glücklichsein gibt und ein gut aussehender Körper nicht automatisch zu Zufriedenheit führt. Im Gegenteil: die Angst, sein Aussehen zu verlieren, wächst! Alle halbherzige Bestrebung sollte man aus dieser Einsicht heraus abstreifen und die gewonnene Zeit für wichtigere Sachen nutzen: Familie, Hobby, Soziales oder Ehrenamt.

Ganz, oder gar nicht - das soll an der Stelle kein markiger Spruch sein, sondern der Hinweis darauf, dass man eine Sache entweder mit Herz, Leidensfähigkeit und Durchbeißen angeht - worauf sich entweder Erfolge einstellen, die es leichter machen - oder: man lässt alles Halbherzige hinter sich und widmet seine kostbare Lebenszeit den Dingen, für die man eher geschaffen ist, reduziert Stress und hebt seinen Lebensstandard deutlich an.

Und das ist nichts Trauriges oder Ungerechtes, das ist unser steinzeitliches Erbe!  

Ihr Patrick Raabe

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