Fallschirmspringen

Fallschirmspringen

Bild von David Mark auf Pixabay

Eigentlich liegt es gar nicht in der Natur des Menschen, sich ohne eine Bedrohung im Nacken aus einer Höhe von viertausend Metern im freien Fall aus einem Flugzeug zu stürzen. Dennoch ist der freie Sturz in die Tiefe ein wahrer Adrenalinspender, sei es an einem Bungee-Seil baumelnd, in einem Freefall-Tower oder in seiner ursprünglichsten Form mit Hilfe eines Fallschirms. Während die reine Fallzeit beim Bungee-Sprung nicht einmal zwei Sekunden beträgt, hat man beim Fallschirmspringen mit fast einer Minute Freifallphase genügend Zeit, die Erdanziehungskraft in vollen Zügen zu genießen.



Wer hat nicht schon einmal davon geträumt?


Zu teuer, zu wenig Zeit oder einfach nur Angst sind Einwände, die den echten Freak nicht vom Springen abhalten können.



Am Anfang steht der Tandemsprung


Wer sich entschlossen hat, den besonderen Thrill zu erleben, muss nicht gleich eine aufwändige Ausbildung machen. Jede Sprungschule bietet Tandemsprünge an. Dadurch haben Einsteiger die Möglichkeit, ohne Risiko erste Sprungerfahrungen völlig ohne Vorkenntnisse zu sammeln. Festgeschnallt an einen Tandemmaster kann man sich auf die etwa fünfminütige Reise mit dem Schirm begeben, ohne sich Gedanken über die richtige Körperhaltung oder die korrekte Landung machen zu müssen. Wer nach seinem ersten Tandemsprung vom Freifall-Virus infiziert ist und solo springen will, hat die Möglichkeit, eine mehrphasige AFF-Ausbildung in einer Sprungschule zu absolvieren. AFF steht für "accelerated freefall", eine beschleunigte Springer-Ausbildung.



Sicherheit wird groß geschrieben


Die Meinung von Kritikern, Fallschirmspringer seien lebensmüde, wird von Insidern immer wieder widerlegt. Demnach sei Fallschirmspringen nicht gefährlicher als andere Sportarten auch. Unfälle seien sehr selten und in den meisten Fällen eine Folge menschlichen Versagens. Um das Gefahrenpotential möglichst gering zu halten, ist es demnach besonders wichtig, dass zukünftige Springer sich einer fundierten Ausbildung unterziehen, sowohl mit praktischen als auch mit theoretischen Lerninhalten. Die theoretische Ausbildung beinhaltet alles Wichtige zu den Themen Ausrüstung, Absprung, Ziehen der Leine, Schirmfahrt und Landung. Von zentraler Bedeutung ist das Verhalten in Notsituationen.



Die AFF-Ausbildung ist in sieben Phasen gegliedert.


Die AFF-Ausbildung geht auf Ken Colemen zurück, dessen beschleunigtes Ausbildungsprogramm für Fallschrimspringer 1981 durch die United States Parachute Association (USPA) anerkannt wurde. In sieben Phasen sollten die Schüler alles Wichtige lernen, um alleine springen zu können. Dazu reichen mitunter nur sieben Trainingssprünge aus.

Level1 der Ausbildung schließt sich an den obligatorischen Tandemsprung an. Der Schüler führt einen Sprung aus 4000 Metern Höhe durch, bei dem er von zwei Lehrern begleitet und instruiert wird. Während des Falles werden Übungen wie Boden- und Höhenkontrolle durchgeführt. Die Lehrer halten den Schüler an dessen Overall an vier Punkten fest, um während des Falls dessen Haltung kontrollieren zu können. Bei einer Höhe von 1800m über dem Boden zieht der Schüler an der Leine. Erst wenn sich der Schirm mit Luft zu füllen beginnt, lassen die Lehrer los und bleiben während der Gleitschirmfahrt mit dem Schüler per Funk in Kontakt, um ihn sicher zum Boden zu geleiten.

Diese Grundübungen werden in den folgenden drei Levels wiederholt, so dass der Schüler zunehmend an Sicherheit gewinnt. In Stufe drei und vier werden zusätzliche Übungen eingebaut. Nach jeder Übung ist eine Höhenkontrolle erforderlich, denn es vergeht sehr viel Zeit und damit Fallstrecke zwischen den einzelnen Aktionen. Die letzten drei Ausbildungsstufen absolvieren die angehenden Springer mit nur einem AFF-Lehrer. Es werden Bewegungen in der Luft durchgeführt, die ein höheres maß an Orientungs- und kinästhetischer Differenzierungsfähigkeit erfordern. Dazu zählen Körperrotationen wie Schraube (ganze Drehung um die Längsachse) und Salto (ganze Drehung um die Querachse). Der Lehrer führt immer einen Regrip bei 2000m Höhe durch und achtet beim Schüler auf ein richtiges Öffnen des Schirms in einer Höhe von 1500m, also etwas später als zu Beginn der Ausbildung.



Level 8 der Ausbildung entspricht dem ersten richtigen Solosprung.


Körperliche Fitness ist wichtig


Nicht jeder Fallschirmspringer muss ein Modellathlet sein. Dennoch ist ein gewisses Mindestmaß an körperlicher Leistungsfähigkeit ein absolutes Muss. Ebenso stellen bestimmte medizinische Befunde Kontraindikationen dar, die das Erlebnis Freier Fall zu einem gesundheitlichen Risiko machen würden. Die medizinische Unbedenklichkeit festzustellen, sollte man einem Facharzt überlassen. Ein Besuch bei einem Internisten und einem Orthopäden muss einem die eigene Gesundheit schon Wert sein. Ein auffälliges EKG, Kreislaufprobleme und Atembeschwerden sind in diesem Fall klare K.O.-Kriterien. Ebenso ist bei einem degenerativen Gelenkverschleiß (Arthrose) an Rücken, Knie oder Hüfte vom Springen abzuraten. Festzuhalten bleibt, dass ein leichter Springer mit gut ausgebildeter Muskulatur "weicher" landet als ein untrainierter schwerer Springer.

Das Körpergewicht stellt selten ein Grund dar, die Ausbildung zu verweigern. Ein höheres Körpergewicht macht eine angepasste Ausrüstung erforderlich. Wer über 110 Kilogramm wiegt und unsportlich ist, muss allerdings dennoch mit einer härteren Landung rechnen als ein 70 Kilogramm schwerer Sportler. Alles in allem entscheidet die Sprungschule, ob sie einen Schüler zulässt oder nicht. Wer die Lizenz in Angriff nehmen will, muss mindestens 16 Jahre alt sein. Nach oben gibt es altersmäßig keine Begrenzung, solange der Interessent körperlich dazu in der Lage ist.



Mit 200km/h dem Boden entgegen


Berechnet man die Fallgeschwindigkeit nach physikalischen Formeln, so erhält man einen Wert von sage und schreibe 713 km/h nach 2000m Freifallphase. Zugegeben, ganz so schnell ist man nicht, denn durch den Luftwiderstand wird man stark abgebremst. Ausschlaggebend ist die Körperhaltung. Bei guter Hohlkreuzhaltung erreichen die Springer 180 bis 200km/h, im Sturzflug kopfüber sind es sogar 250 km/h (Headdown).

Bemerkenswert ist die Beschleunigung, die der Körper unter diesen Bedingungen erfährt. Von null auf 200 braucht man gerade mal zehn Sekunden, da können selbst gut motorisierte Sportwagen und Motorräder nur schwer mithalten. Nach dem Öffnen des Schirms geht es mit ungefähr 18 km/h gemütlich der Erde entgegen. Dies entspricht einem sehr zügigen Lauftempo.

Die modernen Schirme sind weit entfernt von den klassischen Rundkappen, die man in Militärkreisen auch als "Aufschlagverzögerer" bezeichnet. Der Springer kann den Schirm mit Hilfe von Steuerleinen lenken und somit den Landeort selbst beeinflussen. Kurz vor dem Bodenkontakt zieht er kräftig an beiden Leinen und kann somit sanft aufsetzen.



Was ist, wenn sich der Schirm nicht öffnet?


Die Vorstellung, dass sich der Schirm, an dem das Leben hängt, nicht öffnet, ist durchaus beängstigend. Gerade diese Situation wird in der Ausbildung so lange geübt, bis den Schülern das korrekte Verhalten in Fleisch und Blut übergeht. Für den Fall dass sich der Hauptschirm nicht richtig öffnet, wird er abgetrennt und der Reserveschirm gezogen. Schon beim Packen wird auf Sicherheit und Sorgfalt äußerst hohen Wert gelegt.

Es ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Reserveschirme dürfen sogar nur von lizensierten und geprüften Packern gepackt werden. Alle drei Monate wird er geprüft und verplombt. Ein weiteres Sicherheitsfeature ist das sogenannte Cypres , ein High-Tech-Gerät, dass bei Unterschreiten einer gewissen Mindesthöhe mit einer Mindestgeschwindigkeit automatisch den Reserveschirm öffnet.

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