Die Bedeutung der Physiotherapie im Zweiten Gesundheitsmarkt

Die Bedeutung der Physiotherapie im Zweiten Gesundheitsmarkt

Ryutaro Tsukata Pexels
Die Bedeutung der Physiotherapie im Zweiten Gesundheitsmarkt – 2025

Bis vor wenigen Jahren galt der Beruf der Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten als „Handwerk mit goldenem Boden“. Patientinnen und Patienten brachten beim Arzt ihre Beschwerden an Knie, LWS, BWS oder HWS vor, zeigten eine Epicondylitis (Tennis-Ellbogen) oder litten an einer Sehnenscheidenentzündung – und fast automatisch folgte ein Rezept für physiotherapeutische Maßnahmen.

Waren die Beschwerden nach sechs Behandlungen nicht verschwunden, gab es in der Regel unkompliziert Folgerezepte. Diese großzügige Praxis führte lange Zeit zu einem stetigen Zustrom in die Praxen.

Der Bogen wurde überspannt – No Limits

Die gesetzlichen Krankenkassen klagen jedoch seit Jahrzehnten über knappe Mittel. Schon 1993 wurde mit dem Gesundheitsstrukturgesetz die Budgetierung der ärztlichen Leistungen eingeführt, um die Ausgaben zu bremsen. Bis dahin existierten kaum Reglementierungen, selbst Koch- oder Tanzkurse konnten über die Kassen abgerechnet werden. Für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten waren das paradiesische Zustände.

Doch nach und nach wurde der Spielraum enger. 2004 verschärfte das GKV-Modernisierungsgesetz die Lage erneut: Leistungen wurden aus dem Katalog gestrichen, Niederlassungsbeschränkungen und eine Praxisgebühr eingeführt. 2021 folgte das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) mit neuen Qualitäts- und Vergütungsregelungen. Die Folge: Patienten wurden konditioniert, Arzt- und Praxisbesuche kritischer zu prüfen – mit spürbaren Auswirkungen auf die Physiotherapie.

„Die Kuchenstücke“ für den klassischen Physiotherapeuten werden kleiner

Trotz aller Spargesetze steigen die Ausgaben im Gesundheitswesen weiter. Laut Bundesgesundheitsministerium lag der Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds 2024 bei rund 22 Milliarden Euro, um Defizite der gesetzlichen Krankenkassen auszugleichen. Parallel wächst die Zahl der ausgebildeten Therapeutinnen und Therapeuten, die eigene Praxen eröffnen. Ergebnis: Weniger ärztliche Verordnungen treffen auf mehr Praxen – der Wettbewerb verschärft sich.

Der Physiotherapeut im Gesundheitsmanagement

Der neue, eigenverantwortliche Klient erwartet mehr als Reparatur. Er sucht eine professionelle Betreuung und ein Plus an individueller Gesundheit. Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten genießen Vertrauen und können Empfehlungen für Prävention, Training und ganzheitliche Strategien geben. Damit rücken ökonomisches Denken und Marktmechanismen in den Fokus.

Der „Erste Gesundheitsmarkt“ umfasst Leistungen der GKV und UV, der „Zweite Gesundheitsmarkt“ dagegen alle privaten, individuell zu finanzierenden Gesundheitsangebote – von Präventionskursen bis Personal Training.

Bereit für den freien Markt?

Physiotherapiepraxen müssen sich fragen: Wie finden Patientinnen und Patienten den Weg zu uns – und nicht zur Konkurrenz? Reicht eine Empfehlung der Hausarztpraxis, oder braucht es ein klares Profil mit Zusatzleistungen wie Coaching und langfristigem Gesundheitsmanagement? Wer künftig bestehen will, benötigt ein scharfes Marketingkonzept und Serviceorientierung.

Spezialisierung auf Zielgruppen

Zielgruppenorientierung bedeutet mehr als fachliche Spezialisierung. Es gilt, die Lebenswelten der Klientel zu verstehen: Beruf, Alter, Familienstatus, Sportgewohnheiten, kultureller Hintergrund. Ob Selbständige, Schichtarbeiterinnen, Alleinerziehende oder Seniorinnen – jede Gruppe hat eigene Bedürfnisse, die sich im Praxisangebot widerspiegeln müssen.

Dienstleistungsorientierung – hohe Erwartungshaltung

Der heutige Patient ist anspruchsvoll. Flexible Öffnungszeiten bis 20 Uhr oder am Samstag, eine betreute Spielecke für Eltern mit Kindern oder digitale Terminbuchung sind längst keine Kür mehr, sondern Wettbewerbsvorteile. Wer sich hier abhebt, sichert langfristig seine Position.

All Business is Local – Sichtbarkeit am Standort und online

Der Praxisauftritt vor Ort und im Internet entscheidet über den Erfolg. Suchmaschinenoptimierte Webseiten, Social-Media-Präsenz und lokale Kooperationen erhöhen die Reichweite. „Tue Gutes und rede darüber“ ist mehr als ein Spruch: Nur wer wahrgenommen wird, gewinnt neue Kundschaft.

Physiotherapie und Management

Unternehmerisches Denken gehört heute zum Berufsbild. Grundkenntnisse in Betriebswirtschaft, Personalführung und Steuerrecht sind unverzichtbar. Viele Bundesländer haben inzwischen Fortbildungspflichten und Qualitätsnachweise eingeführt, die auch ökonomisches Know-how abdecken. Wer expandieren will – etwa mit Präventionskursen, Online-Trainings oder Wellness-Angeboten – muss betriebswirtschaftlich sicher entscheiden.

Neue Zielgruppen erreichen – sich neu erfinden

Gesundheit bleibt das höchste Gut, doch wer nur bereits Erkrankte behandelt, verschenkt Potenzial. Prävention, mentale Gesundheit und ganzheitliche Konzepte sind Wachstumsfelder, die zunehmend nachgefragt und teilweise steuerlich gefördert werden, etwa durch §20 SGB V-Präventionskurse. Physiotherapie kann hier Brücken bauen, indem sie Bewegung, Coaching und mentale Stabilisierung verbindet.

Die Welt ändert sich – ändern Sie sich mit ihr

Stillstand bedeutet Rückschritt. Wer die eigenen Prinzipien beibehält, aber neue Angebote schafft, sichert Zukunft und Relevanz. Die Kernkompetenz bleibt: der Mensch und seine dauerhafte Gesundheit. Der Zweite Gesundheitsmarkt wächst laut aktuellen Prognosen des Statistischen Bundesamts weiterhin um rund 3 % pro Jahr – beste Voraussetzungen für innovative Physiotherapie, die Prävention, Therapie und Lifestyle-Angebote kombiniert.

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