Training und Fitness: Das relative Leistungsprinzip

Training und Fitness: Das relative Leistungsprinzip

Stephan Pfitzenmeier

Die eigene Entwicklung im rechten Licht betrachten


"Leistung" - ein Wort, das mittlerweile eher negativ behaftet ist. Wenn wir von der europäischen und amerikanischen Leistungsgesellschaft sprechen, meinen wir zumeist das radikale Streben nach Geld, Macht und Besitz. Vor allem im Job werden dabei alle verfügbaren Ellenbogen und Tricksereien eingesetzt, aber auch das Feld der zwischenmenschlichen Beziehung wurde davon nicht verschont: Gib du zuerst, dann gebe ich vielleicht zurück.



Leistungsdruck ist mittlerweile also fast überall angekommen


...und wird mit immer negativeren Assoziationen belegt.Doch Leistung an sich ist überhaupt nichts Negatives, im Gegenteil! Der Stuhl, auf dem man gerade sitzt, der Teller, von dem man isst, jeder Film, den man zu seinem Vergnügen sehen kann, ist aus einer Leistung heraus entstanden. Und je mehr Leistung hinter einem Produkt steht, umso qualitativ hochwertiger ist es in der Regel.



Leistung erzeugt also auch Qualität und bringt Neues hervor.


Das Problem mit unserer Herangehensweise an Leistung ist nur deren Bewertung! Besonders in der Wirtschaft, aber auch im Sport zählt das sogenannte absolute Leistungsprinzip. Nur die allerhöchste Leistung wird geachtet. So kommt es zu enttäuschten Olympia-Zweiten und rücksichtslosen Supermanagern auf ihrem Weg an die vermeintliche Spitze.



Hartes Fitnessraining, mehr Hingabe, fokussierterer Ausrichtung


Nur der Erste bekommt den Ruhm, nur der Beste bleibt in der Erinnerung der Geschichtsbücher. Wie deprimierend für alle Zweiten, Dritten, Vierten, ... Hunderten! Trotz härteren Fitnessrainings, mehr Hingabe, fokussierterer Ausrichtung und längerer Vorbereitung haben sie den Thron nicht besteigen können. Das mangelnde Quäntchen Talent, eine kurze Krankheit, ein tragischer Fall in der Familie, ein winziger Moment der Unaufmerksamkeit oder die Geburt eines Kindes haben den entscheidenden Ausschlag gegeben, am Tag der Abrechnung nicht Erster gewesen zu sein.



Mangelndes Talent im Fitnesssport wird mit Doping beantwortet


Ungerecht? Ich sage: Ja! Abseits der Relation zum eigenen Vermögen heiligt der Zweck einfach nur noch die Mittel: Mangelndes Talent wird mit Doping beantwortet (und das dreht die Relationen massiv!), Konkurrenten werden ausgestochen, Tricksereien verschaffen die noch so geringsten Vorteile (siehe z.B. Formel 1 oder Schwimmen).



Der Profisport fungiert im Fitnesssport als schlechtes Beispiel


All das ist das Gegenteil einer guten Welt - und hier fungiert der Profisport ärgerlicherweise als schlechtes Beispiel. Allerdings muss ich eingestehen, dass sich das nie ändern wird. Vor allem deswegen nicht, weil die meisten Menschen nur bei Sensationen wirklich (wenn auch nur kurzzeitig) aufmerksam sind und weil Spitzensportler einen Stellvertreterkrieg für den übergewichtigen Fernsehzuschauer führen - man schaue sich nur mal eine wild tobende Menge bei der Fußballweltmeisterschaft an, wenn Deutschlands Kicker gewinnen ... als hätte irgendeine der anwesenden Bierleichen selbst auf dem Rasen gestanden ...

Wie dem auch sei, so habe ich mich dennoch bemüht, eine Alternative zum herkömmlichen absoluten Leistungsprinzip zu finden. Und die steckt im "relativen" Leistungsprinzip!

Wie der Name bereits vermuten lässt, setzt man seine erbrachte Leistung dabei in Relation zum eigenen Potenzial.



Man fragt sich also: Habe ich bisher alles getan, um mein persönliches, natürliches, gottgegebenes Potenzial auszuschöpfen?


Der Vorteil ist hier: Ich muss mich mit anderen nicht leistungsmäßig vergleichen. Nachteile bei Talent, familiärer Situation oder ernährungstechnischer Disziplin spielen keine Rolle mehr. Vor dem Hintergrund dieser persönlichen Parameter hat man entweder sein Bestes gegeben - oder eben nicht. Der Fokus wird also voll auf Eigenverantwortung gelegt. Man kann sich weder über andere mokieren oder überheben, noch muss man neidisch sein. Der Maßstab liegt rein im Individuellen.



Relatives Leistungsprinzip und Eigenverantwortung


Möglicherweise hört sich das alles wie eine Utopie oder Träumerei an - aber wenn man sich näher mit dem relativen Leistungsprinzip beschäftigt, kann man auch direkte Vorteile daraus ziehen. Neben der Betonung der Eigenverantwortung und dem Wegfallen des Neides auf andere gerät man auch viel weniger in Versuchung, sich "chemische Hilfe" einzuverleiben. Man betrügt nun nämlich nicht mehr andere mit seiner höheren Leistung, sondern rein sich selbst.



Bodybuilding, Crossfit, Ausdauersportarten


Zudem verändert sich die Sichtweise auf die sportlichen "Helden" aus dem Fernsehen. Ich möchte deren Leistung nicht schmälern und hege auch keinen Doping-Generalverdacht, doch finde ich es ungesund, wenn sich Otto-Normal-Sportler, oder besonders ambitionierte Jung-Athleten an deren Leistungsniveau orientieren und immer wieder feststellen müssen, wie weit weg sie davon sind. Und damit meine ich nicht nur Profi-Abteilungen, sondern und gerade auch den Amateursport (z.B. Bodybuilding, Crossfit, Ausdauersportarten).

Der große Nutzen des relativen Leistungsprinzips liegt also besonders in der Wirkung auf das Innere eines Sportlers und Menschen. Es befreit von Neid und Ängsten und lenkt die Aufmerksamkeit auf Eigenverantwortung und Einstellung!

Mit diesen philosophischen Worten möchte ich mich für dies Mal verabschieden, Ihr
Patrick Raabe

0 Kommentare