Abspecken durch Sport

Abspecken durch Sport

Die Reduktion des Körperfettanteils ist bei Adipositas vorrangig


Die Reduktion des Körperfettanteils, insbesondere des viszeralen Fettgewebes, ist bei Adipositas vorrangig, vor allem im Falle eines metabolischen Syndroms, weil sie die kausale Therapie darstellt. Körperliches Training kann dabei nur helfen, wenn es richtig eingesetzt wird.

Die Empfehlungen, die im Therapieforum “Strategien beim adipösen Patienten“, Ärztemagazin 06/2004, von Kollegen abgegeben wurden, möchte ich zum Anlass zu nehmen, irrige Vorstellungen anzusprechen, die die Reduktion des Körperfettanteils mit Hilfe eines körperlichen Trainings betreffen. In der Fitness- und Wellnessszene sind sie an der Tagesordnung und offensichtlich finden sie leider auch in der Ärzteschaft Verbreitung.

Als Sportmediziner, der seit Jahren gegen den weit verbreiteten Mythos der Fettverbrennung im Sport ankämpft, ist es mir ein Anliegen, dass zumindest wir Mediziner auf diesem Gebiet korrekt und zweckmäßig informieren und nicht ins gleiche Horn wie die vielen Fitnessgurus stoßen, die heutzutage in unqualifizierter Weise die Menschen fehlinformieren.


Es gilt, sich von zwei falschen Vorstellungen zu verabschieden:


  1. dass es grundsätzlich ein Ausdauertraining braucht, um seinen Körperfettanteil reduzieren zu können und
  2. dass dafür ein Ausdauertraining im Fettstoffwechselbereich durchzuführen sei.




1. Krafttraining steht an erster Stelle


Das einzig entscheidende Kriterium für eine Reduktion des Körperfettanteils ist eine negative Energiebilanz, und nicht, was man isst (Stichwort Der glykämische Index) und auch nicht, wie oft und wann man isst (Stichwort “dinner cancelling“).

Hauptsache, körperlich aktiv. Jeder von uns hat in der Schule die Gesetze der Thermodynamik gelernt, aber wie es scheint, haben viele sie wieder vergessen. Ganz einfach ausgedrückt, “von nix kommt nix“. Es ist es allemal sinnvoller, da zweckmäßiger, die negative E-Bilanz so zu erklären: “Kalorienverbrauch höher als Kalorienzufuhr“ (anstatt “Kalorienzufuhr geringer als Kalorienverbrauch“), weil damit der Bedeutung eines Energiemehrumsatzes durch körperliche Aktivität Rechnung getragen wird. Eine reine Kalorienrestriktion ohne gleichzeitige körperliche Aktivität würde langfristig nur zu einem Absinken des Grundumsatzes und einem Abbau von Muskelmasse führen (der den GU weiter reduziert) und damit eine Körperfettreduktion auf Dauer immer schwieriger werden lassen (Fastenkuren, “crash“- Diäten).



Nur eine maßvolle negative E-Bilanz macht Sinn.


Die Art und Weise der körperlichen Aktivität, die über einen entsprechenden Energieumsatz zu einer negative Energiebilanz verhilft, ist sekundär. Ob es eine Bergwanderung, Schwammerlsuchen im Wald, Holz hacken, ein Tanzkurs oder aber ein gezieltes Sportprogramm ist, ist letztlich nicht entscheidend. Hauptsache, man bewegt sich regelmäßig, und das mit einer Intensität, die über die üblichen Alltagsbelastungen hinausgeht.



Krafttraining ist effizienter.


Was das “Abspecken“ durch Sport angeht, so konnten TREMBLAY et al und noch weitere Arbeitsgruppen bereits in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts zeigen, dass, bezogen auf den Zeitauwand, Krafttraining eine effizientere Körperfettreduktion als Ausdauertraining bewirkt.

Es ist verwunderlich, dass diese vielen Publikationen von offensichtlich keinem Trainer oder Mediziner gelesen werden, weil immer nur von einem Ausdauertraining gesprochen wird, wenn es darum geht, Körperfett abzubauen. Abgesehen davon kann es jeder bestätigen, der Selbsterfahrung damit hat. Den “Ungläubigen“ möchte ich an dieser Stelle die Sprinter vor Augen führen, die kein Fettstoffwechseltraining durchführen, und denen es gerade in Phasen hochintensiven Kraft- und Schnellkrafttrainings das Unterhautfett nur so “wegbrennt“ (auch ohne “Unterstützung“ durch HGH-Doping).


Der “Nachbrenneffekt“. Die Erklärung, warum Krafttraining so effizient beim “Abspecken“ hilft, ist relativ einfach:



1. Der Energieumsatz


ist der Energieumsatz während einer intensiven Krafttrainingseinheit annähernd so hoch wie der einer gleich langen Ausdauertrainingseinheit.



2. Der Nachbrenneffekt


Zweitens, und das ist das eigentliche “Geheimnis“, bewirkt intensives Krafttraining einen sog. “Nachbrenneffekt“, mit anderen Worten, im Anschluss an das Training einen gesteigerten Energieumsatz und damit eine gesteigerte Fettverbrennung in Ruhe, die viele Stunden anhält (bis zu 24 Std., in manchen Publikationen ist sogar von 48 Std. die Rede) und langfristig eine Steigerung des Grundumsatzes [siehe DER ENERGIEUMSATZ]. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die ruhende Muskulatur ihre Energie so gut wie ausschließlich aus der Betaoxidation (Fettsäureoxidation) bezieht.

Der “Nachbrenneffekt“ und die Steigerung des Grundumsatzes sind zunächst einmal unabhänging von einem krafttrainingsbedingten Zugewinn an Muskelmasse und in weiterer Folge damit korreliert. Abgesehen davon ist es therapeutisch nur erstrebenswert, die im Laufe körperlich inaktiver Jahre verlorengegangene Muskelmasse durch ein Krafttraining wieder zurückzugewinnen. Man sollte nicht vergessen, dass man spätestens ab dem 30. Lebensjahr jedes Jahr ca. 1% seiner Muskelmasse verliert, wenn man dem nicht mit entsprechender körperlicher Aktivität entgegenwirkt.



3. Verbesserte Insulinsensitivität.


Die Muskulatur ist das größte Organ, welches in körperliche Ruhe Fettsäuren verbrennt und unter körperlicher Belastung in Abhängigkeit von deren Intensität neben Fettsäuren auch Glukose zur Energiegewinnung heranzieht. Eine entsprechende Muskelmasse vermag gerade im Falle einer pathologischen Glukosetoleranz oder bereits eines NIDDM entscheidend zur Blutzucker-Homöostase beizutragen, vor allem dann, wenn die Insulinsensitivität durch körperliches Training verbessert wird.

Die Entwicklung einer Adipositas geht in den meisten Fällen aufgrund zunehmender körperlicher Inaktivität mit einer fortlaufenden Muskelatrophie parallel. Neben einer “Verfettung“ der Muskelzellen und der Downregulation der zellulären Insulinrezeptoren durch die Adipositas-bedingte Hyperinsulinämie ist die Pathogenese der Insulinresistenz und weiter des NIDDM (non insulin dependent diabetes mellitus = Typ2-Diabetes mellitus, T2DM) nicht zuletzt durch ein Zuwenig an Muskelmasse gekennzeichnet. Die wichtigste Maßnahme beim metabolischen Syndrom, mit oder noch ohne T2DM, ist ein muskelaufbauendes Krafttraining! Ein Ausdauertraining kommt hier erst an zweiter Stelle.



4. Basistherapie bei Adipositas.


Es hat lange gedauert, bis auch die medizinische Wissenschaft zu dieser Erkenntnis gelangt ist, wie die neueren Publikationen zu diesem Thema zeigen. Mir ist das schon seit vielen Jahren klar, und dementsprechend gehört ein Ganzkörperkrafttraining schon lange zur Basistherapie meiner adipösen Patienen mit metabolischem Syndrom. Weiters sollte man einen wichtigen Aspekt nicht vergessen: um überhaupt ein effizientes Ausdauertraining durchführen zu können, ist eine gewisse muskuläre Basiskraft erforderlich. An dieser mangelt es den meisten Adipösen. Ein kräftiges Muskelkorsett entlastet den Bewegungsapparat, insbesondere die Gelenke.



5. Kein “Abspecken“ durch Fettstoffwechseltraining


Wer zum Zwecke des “Abspeckens“ ein Training mit “Fettverbrennungspuls“ empfiehlt, hat die Leistungsphysiologie des Intermediärstoffwechsels nicht verstanden. Ein ettstoffwechseltraining (das ist der korrekte Terminus, nicht “Fettverbrennungstraining“) ist kein “Training zum Fettabbau“, wie es immer wieder vermittelt wird. Es ist ein extensives Ausdauertraining nach der Dauermethode, welches den Zweck hat, die muskuläre Energiebereitstellung unter langdauernder extensiver Belastung zu ökonomisieren. Die arbeitende Muskulatur lernt dabei, die Energie (ATP) überwiegend aus der Fettverbrennung (genauer: der Verbrennung freier Fettsäuren = Betaoxidation) zu gewinnen und damit ihren wertvollen, da limitierten Glykogenspeicher zu “schonen“.



Für Untrainierte eine Illusion.


Ein Fettstoffwechseltraining entwickelt die Grundlage der Langzeitausdauer und ist somit für Marathonläufer, Radrennsportler, Triathleten usw. wichtig. Mit einem “Abspecken“ hat es nichts zu tun! Das Ausmaß an Fett, das während einer Trainingseinheit “verbrannt“ wird, ist hinsichtlich einer angestrebten Körperfettreduktion irrelevant. Denn hiefür ist, wie bereits oben betont, einzig und allein eine negative Energiebilanz entscheidend - und diese ist ein überdauernder Prozess.

Abgesehen davon ist ein Fettstoffwechseltraining im eigentlichen Sinn für einen untrainierten Adipösen ohnehin eine Illusion, er bringt weder die metabolischen, noch die biomechanischen Voraussetzungen von Seiten seines Bewegungsapparates mit, um eine längerdauerde Ausdauerbelastung zu tolerieren.



“Fettverbrennungspuls“ ist Unsinn.


Es gibt also nur ein HF-gezieltes Fettstoffwechseltraining, jedoch keinen “Fettverbrennungspuls“, der dem Abbau von Übergewicht dient. Es braucht keine Pulsuhr, wenn man “abspecken“ möchte!

Damit ich nicht missverstanden werde: Niemand soll sich zu intensiv belasten, die Intensität eines Ausdauertrainings sollte sich immer nach dem individuellen Trainingszustand und der individuellen Leistungsfähigkeit richten. Fest steht aber auch, dass die Vorgabe einer Trainings-HF keinen Sinn macht, wenn sie nur eine unterschwellige Belastung ermöglicht (siehe Kasten). Im Grunde ist eine Pulsuhr nur dann unerlässlich, wenn es darum geht, ein gezieltes Ausdauertraining zu gestalten. Aber selbst dann sollte man lernen, auch die Atmung als Gradmesser für die Belastungsintensität heranzuziehen.



Fettverbrennung.


Abschließend möchte ich noch richtigstellen, dass die Fettverbrennung im Falle einer extensiven Muskelarbeit nicht erst nach 20 (oder, wie man auch immer wieder lesen oder hören kann, nach 30) Minuten einsetzt, sondern schon von Beginn an besteht. Die muskuläre Energiebereitstellung ist kein Nacheinander, sondern ein Nebeneinander der einzelnen Modi der ATP-Gewinnung in Abhängigkeit der Energieflussrate, die wiederum von der Belastungsintensität bestimmt wird. Nur bei einer intensiven Belastung von Beginn spielt die Fettverbrennung keine Rolle. Aber das wäre hinsichtlich einer erwünschten Reduktion des Körperfettanteils ohne Belang (siehe oben). Wer die Energiebilanz verstanden hat, wird wissen, dass bei einer höheren Belastungsintensität im gleichen Zeitraum mehr Energie umgesetzt wird als bei einer geringen.



Ein Beispiel aus dem Fitnessstudio:


Zwei übergewichtige Damen um 40 besuchen vier mal wöchentlich ein Fitnessstudio und ”strampeln” dabei jeweils eine Stunde auf dem Fahrradergometer:


  • Dame Nr. 1 im Fettstoffwechselbereich mit einer Herzfrequenz von z.B. 110 bis 120/min
  • Dame Nr. 2 mit einer etwas höheren Intensität, z.B. bei einer Herzfrequenz von 140 bis 150/min.


Nach zwei Monaten hat Dame Nr. 1, die im vermeintlichen ”Fettabbaubereich” trainiert hat, weniger an Gewicht (besser gesagt Körperfett) verloren als Dame Nr. 2, da diese mit ihrem Training mehr Kalorien verbraucht hat und somit eine negativere Energiebilanz erzielt hat.


Fazit: Damit das ”Fettabbautraining” von Dame Nr. 1 gleich viel Kalorien verbraucht und letztlich gleich viel Fett verbrennt wie bei Dame Nr. 2, müsste sie die Belastungsdauer ihrer zu wenig intensiven Trainingseinheiten deutlich verlängern!

Ein Herzfrequenz-gezieltes “Training zum Fettabbau“, wie es auf vielen Fitnessgeräten angegeben wird, ist somit Unsinn.

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