Mal zwei, drei Sätze von mir.
Erstmal zum Thema Nationalstolz. Ich finde an sich das Wort "Stolz" hier etwas irreführend, da Stolz im sonstigen Gebrauch eher das Gefühl meint, daß man hat, wenn man selbst etwas Gutes/Witziges/Herrausragendes (was auch immer) erreicht oder getan hat.
Als Angehöriger einer Nation oder auch nur einer Familie ist es aber nicht das Gefühl, selber etwas Tolles getan zu haben, sondern eher dasjenige, zu einer Gruppe zu gehören, die gemeinsame Merkmale hat, sich durch Positives und Negatives auszeichnet usw. Das meine ich auch, wenn ich von Nationalstolz rede, und in dem Sinne habe ich auch Nationalstolz.
Ich bin froh und eben auch "stolz", Deutscher sein zu dürfen und zu sein. Für mich bedeutet dies aber ganz klar NICHT, daß ich mich nun für etwas Besseres halte gegenüber jemandem, der nicht Deutscher ist. Und das eben ist ja der Unterschied zwischen Patriotismus/Nationalstolz und Faschismus oder auch Rechtsradikalität.
Aber da ich mich auch in meinem Patriotismus verletzt fühle, wenn jemand mir sagt: "Deutschland ist scheisse", "Alle Deutschen sind Dreck" oder ähnliches und mich damit selbst beleidigt, bin ich mit meinen entsprechenden Antworten ganz klar nicht rechtsradikal oder faschistisch/rassistisch, sondern eben patriotisch (das klingt jetzt auch sehr abgedroschen, da das Wort "Patriotismus" momentan meines Erachtens durch den momentanen amerikanischen Patriotismus etwas faden Beigeschmack hat).
Auch die aktuellen T-Shirts "Ich scheiss drauf, Deutscher zu sein" stören mich - wenn derjenige diese Meinung hat, warum behält er sie nicht für sich? Habe ich ihn darum gefragt? Nein. Genausowenig will er von mir hören: "Ich bin stolz drauf, Deutscher zu sein." Also erzähl ichs ihm nicht.
Und zu dem ewig genannten Punkt "unserer Geschichte" (ich sags lieber offen, die Floskel "unsere Geschichte" brennt mir auch schon in den Ohren: Judenmord, KZs, Deportation, Weltkriege, Rassenhass) kann ich folgendes sagen: wenn besonders ein Deutscher heutzutage daraus lernen soll, was zwischen 1933 und 1945 geschehen ist (und das wird ja von jedem - meines Erachtens zu Recht - verlangt), muss er sich erstmal als Deutscher fühlen. Was geht ihn sonst die deutsche Vergangenheit an? Dafür muss aber dieses Gruppenzugehörigkeitsgefühl erstmal wieder da sein. Paradoxerweise waren die Deutschen der Nachkriegszeit noch viel bewusster Deutsche, als wir es heute sind. Und wenn einer mitschuldig ist an den Verbrechen, die geschehen sind - und sobald einer sagt: "Ich bin Deutscher" und sich damit zu dieser Gruppe bekennt, ist er mitschuldig, da die Naziverbrechen im Namen dieser Gruppe und mit Zustimmung dieser Gruppe geschehen sind, ich bin es auch - wenn also einer mitschuldig ist und aus den Verbrechen lernen soll, sich damit beschäftigen soll, sich vielleicht sogar dafür schämen soll - dann muss er auch stolz darauf sein dürfen, das Deutschland solche Namen wie Goethe, Schiller, Bach, Beethoven, Braun, Daimler, Koch und was weiß ich noch alles hervorgebracht hat, dann muss er sich auch dessen bewusst sein, daß sein Land in der heutigen Welt eines der fortschrittlichsten und wichtigsten Länder ist, dann kann er auch sagen, daß er die Natur und Landschaft Deutschlands liebt oder daß er ganz allgemein stolz darauf ist, Deutscher zu sein!
Das nenne ich ein vernünftiges Auseinandersetzen mit der deutschen und damit unserer Vergangenheit.
Oder, um es mal kurz klug-klingend und phrasenhaft zusammenzufassen: Wer Goethe sagen will, muss auch Hitler sagen können, wer aber Hitler sagen muss, muss auch Goethe sagen dürfen.
Auch geht es mir so, daß ich mich in meinem Land sehr wohl fühle und meine Mitmenschen mag.
Mir (und ich glaube, im Prinzip dem Menschen im Allgemeinen) ist ein Gruppenzugehörigkeitsgefühl wichtig. Deshalb halte ich zu Deutschland, wenn im Fernsehen Springreiten übertragen wird - auch wenn mich Springreiten nun gar nicht interessiert. Und ich kann es auch gut verstehen, wenn ein Türke zur Türkei hält, ein Italiener zu Italien usw. usf., ich finde es sogar sehr positiv.
Denn einen Austausch der Kulturen (ohne, daß dabei die eine droht unterzugehen) halte ich für wichtig und wertvoll.
Deshalb freut es mich, wenn jemand aus der Türkei kommt, hier seinen türkischen Teeladen aufmacht und besonders, wenn er sich in meinem Land wohlfühlt und vielleicht mit der Zeit aus meinem Land auch sein Land wird - solange er akzeptiert, daß er hier in einem Land mit einer eigenen Kultur und eigenen Sitten ist und solange er diese Kultur auch teilweise aufnimmt und sich ihr anpasst - eben ein Austausch.
Ich bin froh über Döner, Pizza usw. (ohne die türkisch/italienischen "Importe" jetzt auf das beschränken zu wollen).
Die Integration hat bei den italienischen Gastarbeitern der 60er Jahre auch augenscheinlich viel besser geklappt als bei den Gastarbeiter- und Asylbewerberzuströmen heute. Sicherlich brauchen Zugewanderte Zeit, sich in der fremden Umgebung zurechtzufinden und werden daher auch anfangs bestimmt mehr auf ihre eigene Gruppenzugehörigkeit, wie beispielsweise auf ihr Türkischsein oder ähnliches - pochen.
Aber irgendwann müssen sie sich integrieren, stückweit ihre eigene Kultur verlassen und die des neuen Landes annehmen. Und das passiert eben heutzutage kaum.
Probleme sind dabei sicher zahlreich: wie oben gesagt, sträuben sich auch die meisten Deutschen, ihre eigene Kultur anzunehmen, in welche Kultur sollen sich dann Zugezogene integrieren? Wenn jedes Zeitungsblatt wochenlang einen Menschen zerreisst, der beiläufig erwähnt hat, daß er stolz sei, Deutscher zu sein, was müssen sich dann Nichtdeutsche denken? Und warum sollten sie sich integrieren, wenn sie augenscheinlich kaum Vorteile davon haben, da sie zu Hause und in der Schule fast nur mit eigenen Landsleuten zu tun haben, sich fast nur in ihrer eigenen Sprache unterhalten, im Fernsehen gezeigt bekommen, wie hip es ist, sich nicht anzupassen, wenn die Eltern keinen Wert darauf legen, ihren Kindern die Kultur des Gastgeberlandes näherzubringen, da sie viel zu sehr an ihrer eigenen Kultur hängen und ebenfalls so gut wie keine deutschen Freunde haben, da sie entweder arbeitslos sind (was an der momentanen Arbeitsmarktsituation liegt, womit die heutige Situation auch nochmal deutlich von der Zeit der italienischen Gastarbeiter unterscheiden ist) oder mit anderen Ausländern in Putzkolonnen arbeiten? Das klingt jetzt hart, aber die Ausländer, die aus einer Familie kommen, in denen Vater und Mutter in besseren Positionen arbeiten, selber Deutsch können usw. haben auch ein völlig anderes Auftreten. Sie sind sich ihrer Wurzeln bewusst, aber haben genauso auch Interesse am Austausch.
Das wiederum zeigt aber wieder, daß das Problem wohl nicht nur an den Ausländern liegt, sondern auch an der Situation, die sie hier erwartet bzw. die sie hier vorfinden. Und das wiederum zeigt, daß zwar jeder Ausländer sich integrieren muss, daß ihm aber die Notwendigkeit einer Integration erstmal deutlich gemacht werden muss. Und auch zeigt es, daß man sich in Deutschland fragen sollte, ob man den Zuwanderern überhaupt eine sinnvolle Perspektive bieten kann.
Jetzt tun mir die Finger weh...