Sauerstoffwasser

Sauerstoffwasser

Fusel oder Zaubertrank - Sportgetränk?


Um sportliche Leistungen zu erbringen, verbraucht unser Körper permanent Sauerstoff. Kann sich mit Sauerstoff angereichertes Wasser positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirken?

Back to the roots" könnte man die jüngste Entwicklung der leistungsfördernden Sportgetränke kommentieren. Der Nutzen isotonischer oder hypotonischer Getränke ist weitestgehend umumstritten, wenn auch kritische Stimmen immer wieder behaupten, dass etwa stark verdünnte Fruchtsäfte das Gleiche bewirken und wesentlich preisgünstiger sind (vgl. Artikel Sportgetränke). Während man über die optimale Konzentration von Mineralien im Getränk diskutieren kann, basiert Sauerstoffwasser auf einem anderen Mechanismus.




Durch Zusatz von reinem Sauerstoff wird der O2-Gehalt verzehnfacht


Dem im Handel erhältlichen Sauerstoffwasser wird je nach Hersteller bis zu 70mg reiner Sauerstoff zugesetzt. Der Sauerstoffgehalt gewöhnlichen Leitungswassers liegt bei einem Zehntel davon. Mit dieser Botschaft richten sich Anbieter besonders an Sportler, denn durch körperliche Aktivität wird die Sauerstoffaufnahme (VO2) am effektivsten gesteigert. Wird die VO2 erhöht resultiert daraus mehr Leistung insbesondere bei Ausdaueranforderungen. Glaubt man den Versprechen der Hersteller, dann ist Sauerstoffwasser sogar noch mehr als ein reines Power-Elixir. Zahlreiche günstige Einflüsse auf die Gesundheit machen es angeblich auch für den Nichtsportler interessant. Zu diesen Vorteilen zählen unter anderem:



  • Stärkung des Immunsystems

  • Steigerung der Durchblutung

  • Optimierung des Stoffwechsels

  • Verbesserung der Fettverdauung

  • Höherer Energiestatus, dadurch verbesserte Belastbarkeit und Ausgeglichenheit

  • Optimierung der antioxidativen Kapazität


Zu guter letzt verspüren Sie mit einem regelmäßigen Konsum von nur 1,0 - 1,5 Liter Sauerstoffwasser schon bald mehr Frische, mehr Elan, mehr Kraft und Lebensfreude, heißt es in einer Produktbeschreibung. Da kann selbst der bekannte "isotonische Durstlöscher" nicht mithalten.




Wie kommt der Sauerstoff ins Wasser?


Die Löslichkeit von Sauerstoff in Wasser ist sehr begrenzt und hängt hauptsächlich von der Temperatur und vom Druck ab. Ist diese Kapazität erschöpft, bezeichnet man das Wasser als mit Sauerstoff gesättigt. Besitzt ein Wasser Kühlschranktemperatur ist es bei 1024mbar atmosphärischem Druck mit ca. 12 bis 13 mg/l gelöstem Sauerstoff gesättigt. Um 70mg/l Sauerstoff in die Flasche zu bringen muss also der Druck erhöht werden, wie der Physiker Jürgen Markmann vom Lehrstuhl für Technische Physik der Universität des Saarlandes gegenüber Fitness.com erklärt.


"Wird die Flasche einmal geöffnet, sinkt der Druck und Sauerstoff entweicht", so der Experte. Man sollte sich also mit dem Genuss des Sauerstoff-Cocktails beeilen, wenn man annähernd die volle Dosis erhalten will.




Für Fische sicher sinnvoll


Es stellt sich die Frage, inwieweit der menschliche Organismus von Sauerstoffwasser profitieren kann und wie haltbar die Versprechungen der Vertreiber sind. Der Sauerstoffgehalt im Wasser ist vor allem für Fische von Bedeutung. So leben z.B. Forellen mit hohem Sauerstoffverbrauch in kalten und Karpfen mit niedrigem Sauerstoffverbrauch in wärmeren Gewässern. Wenn Sie also Ihren Goldfisch fit für den Marathon machen wollen, macht es sicher Sinn, ihn in O2-Wasser schwimmen zu lassen.


Da der Mensch keine Kiemen, sondern eine Lunge besitzt, profitiert er mit Blick auf die sportliche Leitungsfähigkeit nicht von den Vorteilen einer höheren O2-Sättigung im Wasser.




Ausschlaggebend ist die Sättigung des Blutes


Betrachtet man sich die Physiologie des menschlichen Körpers etwas näher, muss man die angepriesene Wirksamkeit des Sauerstoffwassers erheblich in Frage stellen. Die Sauerstoffaufnahme erfolgt hauptsächlich über die Lunge. In den Lungenbläschen wird Kohlenstoffdioxid (CO2) ab- und Sauerstoff eingeatmet. Dieser wird an Hämoglobin (Hb) gebunden und zu einem kleineren Teil physikalisch im Blutplasma gelöst. Im Durchschnitt enthält ein Liter Blut 150 Gramm Hb, an das maximal ca. 200 ml O2 angelagert werden können. Ist dieser Wert erreicht, spricht man von einer 100%igen Sättigung des Blutes. Diese Sättigung sinkt mit Abnahme des O2-Partialdrucks in der Atemluft. Dies ist z.B. im Gebirge der Fall. Die Folge ist die, dass Leistungen im Ausdauerbereich sinken. Unter normalen Bedingungen auf NN beträgt die Sättigung des Blutes 97 bis 98 Prozent. Durch die orale Aufnahme von Sauerstoffwasser kann die Sättigung des Blutes nicht nennenswert erhöht werden.


Eine positive Wirkung auf Ausdauerleistungen ist somit aus physiologischer Sicht ausgeschlossen!


Der Hinweis eines Herstellers, ein Teil der Bevölkerung leide an Sauerstoffarmut im Körper, ist ebenso wenig haltbar. Wenn dies so wäre, könnte diese Sauerstoffarmut auch nicht über ein Getränk ausgeglichen werden.




Was passiert mit Sauerstoffwasser im Körper?


Die "Extraportion Sauerstoff", wie es in einer Werbung heißt, lässt die Verdauungsorgane in geradezu undankbarer Weise unberührt. Dieser "neue Weg der Sauerstoffaufnahme" könne im Magen-Darm-Trakt Stoffwechselvorgänge fördern bzw. positiv beeinflussen. Mit Blick auf die derzeitige Befundlage gibt es keinen physiologischen Vorgang im Intermediärstoffwechsel, der sich durch sauerstoffhaltigen Speise- und Getränkebrei beschleunigen ließe. Nährstoffe, die im Magen und im Dünndarm resorbiert werden, werden über die Pfortader zur Leber transportiert. Aus den Speisen können keine größeren Mengen an Sauerstoff aufgenommen werden.Und selbst wenn dies möglich wäre, kann die Sauerstoffversorgung der resorbierenden Organe nicht auf die Pfortader reduziert werden. Der Magen-Darm-Trakt wird zum großen Teil über entsprechende Arterien mit Sauerstoff versorgt. Dieses sauerstoffreiche Blut stammt aus der Aorta und wurde vorher in der Lunge mit Sauerstoff angereichert. Würde tatsächlich Sauerstoff aus Magen und Darm in die Pfortader abgegeben werden, dann würde er zur Leber transportiert werden und von dort aus über die Hohlvene zum Herzen gelangen. Vom Herzen passiert das Blut zuerst die Lunge und wird dort eh zu fast 100 Prozent mit Sauerstoff gesättigt, bevor es wieder in den Körperkreislauf gelangt. Ob sich ein erhöhter Sauerstoffgehalt im Pfortaderblut signifikant auf Stoffwechselprozesse in der Leber auswirkt und sich diese wiederum in einer der oben genannten Wirkungen niederschlägt, muss vor dem aktuellen wissenschaftlichen Hintergund in Frage gestellt werden. Eine Studie aus dem Jahre 2001 von Forth et al. hat gezeigt, dass durch Sauerstoffwasser der O2-Partialdruck in der Pfortader und in der Bauchhöhle steigt. Allerdings ist diese Studie nicht unabhängig und wurde an Mäusen durchgeführt, was die wissenschaftliche Bedeutung im Hinblick auf eine ergogene, also leistungsfördernde, Wirkung beim Menschen hinfällig macht.




Fehlinformation durch die Hersteller


Wer die Aussagen der Hersteller auf den Prüfstein stellt, kann sämtliche Vorteile widerlegen. Mit Sauerstoff angereichertes Wasser hat keine leistungsfördernde Wirkung auf den Stoffwechsel und stärkt auch nicht das Immunsystem. Um zu prüfen, ob sich der "Energiestatus" des Körpers verändert, müsste man wissen, was unter diesem Begriff tatsächlich verstanden wird.


Teilweise liegen angeblich wissenschaftliche Studien vor, die zeigen, wie sich Sauerstoffwasser positiv auswirkt. Diese werden kaum näher spezifiziert. Eine unabhängige Studie, die wissenschaftliche Gütekriterien erfüllt, gibt es derzeit nicht (Recherche des Autors, Stand März 2002). Ob es sich um Fehlinformationen oder Betrug handelt, sei dahin gestellt. Der Zusatz: "Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass..." ist allzu oft irreführend. Dies ist nicht nur im Fall von Sauerstoffwasser so, sondern in der Fitness-Branche weit verbreitet. Es scheint, als unterliege der Hinweis auf wissenschaftliche Absicherung einer gewissen Inflation. Der Verbraucher kann sich dahingehend absichern, indem er Wert auf unabhängige Studien legt.




Preise und Meinungen


Als das Sauerstoffwasser noch neu in Deutschland war, musste man für eine 0,6l-Flasche fünf DM bezahlen. Wer sich täglich etwas Gutes tun wollte und einen Liter zu sich nahm, der kam auf eine monatliche Zeche von über 100 EUR. Da erscheinen praktische Heimbereiter zu einem Preis ab 150 EUR auf Dauer günstiger, man muss aber Folgekosten durch neue Sauerstoffflaschen berücksichtigen. In Supermärkten gibt es O2-Wasser mittlerweile für unter einem Euro pro Flasche.


Wie bereits angedeutet, wird vor allem im Fitnessbereich sehr gerne mit falschen Versprechungen um die Gunst des Käufers gebuhlt. Egal ob Fahrrad gegen Orangenhaut, Schlankheitspillen oder Bauch-Weg-Gürtel, es wird immer neue Produkte geben, denen der Stempel "Wissenschaftlich geprüft" aufgedrückt wird und sich dann am Markt breit machen.



Tipp
Eine bedeutsame Steigerung der Sauerstoffaufnahme mittels Getränke ist nicht möglich, ebenso wen eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Den Versprechungen der Hersteller muss man skeptisch gegenüber stehen, denn sie sind nicht haltbar. Wer sich durch Powerwasser mehr Energie erhofft, wird enttäuscht werden. Einziger Vorteil: Nebenwirkungen hat es auch keine.
Prost!

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