Magersucht

Magersucht

Der Kick, dünn zu werden

Hungern, Fressen, Kotzen: Der ultimative Kick, um
dünn zu werden?

Viele junge Mädchen
und Frauen bezahlen ihr Hungern und Streben nach Anerkennung mit schweren
gesundheitlichen Störungen
. Das Ausmaß der körperlichen
Folgeerscheinungen wie Osteoporose, Herz-Kreislaufversagen, Niereninsuffizienz
oder endokrinen Störungen steigt dabei mit dem Absinken des
Körpergewichts an, erläutert Klaudia Pütz, Diplom
Diätassistentin bei der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und
Diätetik in Bad Aachen. Der suchtartige Wunsch , dünn zu sein
oder zu werden, endet nicht selten im Selbstmord. Die
Mortalitätsrate essgestörter Patienten ist nach derzeitigem
Forschungsstand im Vergleich zu Gesunden um das bis zu 13fache

erhöht (MMW-Fortschr. Med. 28, Nr. 38/2002 (144 Jg.): Kinder im
Schlankheitswahn). Bis zu 15 Prozent der Magersüchtigen sterben an den
Folgen von Essstörungen. Neben der grassierenden Adipositas-Epidemie in
Deutschland gibt es die nicht minder besorgniserregende Zahl von Kindern und
Jugendlichen, die sich im Teufelskreis des Schlankheitswahns befinden.


Das überdurchschnittliche Beschäftigen mit dem Essen lässt
sich sowohl bei Magersüchtigen als auch bei Adipösen beobachten

Überdurchschnittliches Beschäftigen mit dem Essen
ist beiden gleich: Die einen, die nicht aufhören können zu essen und
die anderen, die nicht aufhören können zu hungern. In Deutschland
leiden 100.000 Frauen zwischen 15 und 35 Jahren an Magersucht (Anorexia
nervosa) und 600.000 Frauen an Ess-Brech-Sucht (Bulimie)
. Während
Magersüchtige fabelhafte Meisterinnen des Hungerns sind, entledigen sich
Bulimiker nach unkontrollierten Essanfällen durch Erbrechen wieder der
Nahrung, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Wie neuere Untersuchungen
ergeben haben, verlagert sich das Hauptmanifestationsalter für die
Essstörung Anorexia nervosa; es liegt bereits bei 14 Jahren und fünf
Prozent aller Anorexiekranken sind schon jünger als zwölf Jahre. Der
Figur und dem Schlanksein wird heute bereits im Alter von sechs bis neun Jahren
erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Die Furcht vor dem Dicksein ist ein
wichtiger Faktor bei der Entstehung von Essstörungen, die mit dem
suchtartigen Anstreben modellhafter Körperformen
zusammenhängen.

Bulimie und Anorexia nervosa gehen mit einer
erheblichen Morbidität und Mortalität einher


Häufig sind vor allem Selbstmord und
Selbstmordversuche. Die höchste Sterblichkeitsrate weisen Patienten mit
Anorexia nervosa auf - bis zu 15 Prozent der Magersüchtigen sterben
an den Folgen der Krankheit. Nur 25 Prozent der Essgestörten sind zwanzig
Jahre nach Beginn der Krankheit geheilt. Die Prognose der Erkrankung hängt
davon ab, wie viel Zeit zwischen dem Beginn der Erkrankung und der erstmaligen
Behandlung in einer spezialisierten Einrichtung vergeht. Viele Patienten machen
jahrelang die Phasen des Hungerns, (Fr)Essens und Kotzens durch, ehe die
Diagnose Essstörung fällt. Als Frühzeichen einer Essstörung
fällt immer wieder die Phase unklarer Depressivität mit leichtem
sozialen Rückzug auf. Im Alltag fallen die Betroffenen auch durch
übertriebenen, oft exzessiven Sport auf.


Fragen nach der Art des Essens,
nach der Beziehung zum Körper oder nach Wunschbildern können den
Verdacht einer Essstörung auch durch den Laien bestätigen. Im
Vordergrund der Behandlung muss die Lösung des zu Grunde liegenden
Konflikts im Rahmen einer Psychotherapie stehen. Die
Ernährungsexperten fordern eine engere Zusammenarbeit zwischen Hausarzt,
Ambulanz und Tagesklinik. Betroffene blocken ihre Therapie meist ab, da sie
sich ihre Krankheit nicht eingestehen. Als günstig erweist sich auch, die
Familien in die Behandlung mit einzubeziehen.

Psychotherapie vor
ernährungsmedizinischer Therapie

Bei der ernährungsmedizinischen Therapie, die der
Psychotherapie nachgestellt ist, steht das Wiedererlernen eines normalen
Essverhaltens und die Entwicklung eines normalen Hunger- und
Sättigungsgefühls im Vordergrund. Gewichtsstabilisierung, ein
positives Körperbild und wieder Freude und Genuss am Essen zu empfinden,
gehören ebenfalls dazu. Sind die Betroffenen lebensgefährlich
unterernährt, ist die Anlage einer Magensonde zur künstlichen
Ernährung notwendig. Mit in den Speiseplan gehört hochkalorische
Trinknahrung aus der Apotheke, die hilft, Mangelzustände auszugleichen.
Sie stellt die ernährungsmedizinisch hochwertigste Möglichkeit dar,
das Körpergewicht zu stabilisieren.



Quelle: (1) MMW-Fortschr. Med. 28, Nr. 38/2002 (144 Jg):
Kinder im Schlankheitswahn.






Tipp

Eine Tabelle mit diagnostische Kriterien zur
Erkennung von Essstörungen (modifiziert nach den Richtlinien der American
Association of Psychiatry (DSM-IV) per email presse@ernaehrungsmed.de
anforderbar.







Autor: Sven-David Müller

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