Wenn der Proteinshake grummelt
Wer regelmäßig trainiert, Supplements korrekt abwiegt und sich mit Hingabe zwischen Whey, Casein und Haferflocken bewegt, merkt manchmal: Irgendwas stimmt nicht. Der Magen grummelt, der Bauch bläht sich wie ein Proteinshake nach zehn Minuten Stehzeit. Die Diagnose lautet oft: zu viel gegessen, zu schnell geschlungen oder vielleicht der Brokkoli am Abend. Doch bei genauerem Hinsehen verbirgt sich dahinter nicht selten ein Klassiker, der so alt ist wie die Milch selbst:
Laktoseintoleranz. Sie ist keine Modeerscheinung, keine Befindlichkeit empfindsamer Instagram-Sportlerinnen, sondern betrifft etwa drei Viertel der Menschheit. Selbst in Mitteleuropa, wo das Gen zur Milchverträglichkeit vergleichsweise häufig ist, liegt der Anteil der Betroffenen bei immerhin 10 bis 20 Prozent. Was dabei gern vergessen wird: Laktoseintoleranz ist keine Allergie, sondern ein Mangel – und zwar an Laktase, dem Enzym, das Milchzucker spaltet.
Fehlt es, wandert die Laktose unverdaut in den Dickdarm, wo sie von Bakterien genüsslich in Gase und Säuren zerlegt wird. Die Folgen: Blähungen, Krämpfe, Durchfall – Symptome, die im Gym eher unter „unangenehm, aber machbar“ verbucht werden, doch langfristig jeden Shake zur Qual machen.
Lebensmittel | Laktosegehalt (pro 100 g/ml) | Verträglichkeit bei Intoleranz | Bemerkung |
---|---|---|---|
Vollmilch | 4,8 g | ❌ schlecht verträglich | enthält viel Laktose |
Magerquark | 3,6 g | ❌ | häufig Bestandteil in Sporternährung |
Molkenprotein (Whey Konzentrat) | bis 5 g | ❌ | nur Isolat ist laktosefrei |
Whey-Isolat | < 0,1 g | ✅ gut verträglich | oft mikrofiltriert |
Hartkäse (z. B. Parmesan) | < 0,1 g | ✅ | Laktose durch Reifung abgebaut |
Sojamilch (angereichert) | 0 g | ✅ | gute Protein- & Kalziumquelle |
Mandelmilch | 0 g | ✅ | oft kalorienarm, wenig Protein |
Tofu | 0 g | ✅ | ideal in veganer Sportküche |
Fertig-Riegel (nicht deklariert) | 1–4 g | ❓ | Zutatenliste checken! |
Der Milchzucker versteckt sich überall
Im Alltag ist es nicht nur der Milchkaffee, der zur Herausforderung wird. Auch in Fitnessprodukten, vermeintlich „cleanen“ Riegeln und Instantmahlzeiten, steckt oft versteckter Milchzucker. Das „Fitnessmüsli“ vom Discounter, das Proteineis nach dem Training oder die Sauce zum Hähnchenfilet können Laktose enthalten – ohne dass es auf den ersten Blick auffällt. Umso wichtiger ist eine fundierte Diagnose.
Der Wasserstoff-Atemtest, bei dem nach dem Trinken einer laktosehaltigen Flüssigkeit der Wasserstoffgehalt in der Atemluft gemessen wird, gilt als Goldstandard. Steigt der Wert deutlich und gehen die Symptome durch die Decke, ist die Sache klar. Alternativ kann man die pragmatische Methode wählen: Einige Tage auf Milchprodukte verzichten, dann wieder einführen und die Reaktion beobachten. Was hingegen wenig bringt, sind Gentests aus der Drogerie oder Online-Shops – sie zeigen höchstens, ob das Potenzial zur Intoleranz besteht, nicht aber, ob tatsächlich Beschwerden auftreten.
Die Evolution hat nicht alle mitgenommen
Interessant wird es, wenn man sich fragt, warum manche Menschen Milch überhaupt vertragen. Der Mensch ist das einzige Säugetier, das auch im Erwachsenenalter noch Milch trinkt – eine evolutionäre Laune, die sich erst in den letzten paar tausend Jahren in Europa durchgesetzt hat. Dass man heute in der Schweiz stolz auf Käsefondue und Quark ist, liegt nicht an einer uralten Tradition der Milchverträglichkeit, sondern eher an Hungersnöten vergangener Generationen, bei denen nur diejenigen überlebten, die auch verdorbene Molke noch verwerten konnten.
Dass man also als erwachsener Fitnesssportler plötzlich Probleme mit Milch bekommt, ist kein persönlicher Rückschritt, sondern eine Rückkehr zur biologischen Normalität. Man hat einfach nur Pech – oder Glück, je nachdem, wie man zu Mandelmilch steht.
Lebensmittel | Kalziumgehalt (pro 100 g) | Proteinanteil | Sporttauglichkeit |
---|---|---|---|
Brokkoli (gekocht) | 58 mg | 3 g | leicht verdaulich |
Mandeln | 252 mg | 21 g | hoher Fettanteil, sättigend |
Sesam | 783 mg | 17 g | extrem kalziumreich |
Mineralwasser (hochkalzisch) | 300–500 mg pro Liter | 0 g | ideale Hydrierung mit Funktion |
Sojamilch (angereichert) | bis 120 mg | 3–4 g | gute Kombi mit pflanzlichem Protein |
Tofu (mit Kalziumsulfat) | bis 350 mg | 15–19 g | vielseitig einsetzbar im Mealprep |
Ohne Milch, aber nicht ohne Muskeln
Gerade für Sportler stellt sich die Frage: Ist es schädlich, auf Milchprodukte zu verzichten? Schließlich gelten sie als wertvolle Eiweiß- und Kalziumquelle. Die Antwort lautet: Nein – sofern man die richtigen Alternativen kennt. Kalzium steckt nicht nur in Milch, sondern auch in grünem Gemüse, Nüssen, Mineralwasser und angereicherten Pflanzendrinks. Protein kann genauso gut aus Soja, Erbsen, Hanf oder Reis gewonnen werden.
Und wer partout nicht auf Molke verzichten will, kann auf laktosefreies Whey-Isolat oder Laktase-Tabletten zurückgreifen, die kurz vor dem Essen eingenommen werden. Wichtig ist, dass man sich nicht durch veraltete Dogmen unter Druck setzen lässt. Nur weil Arnold Schwarzenegger einst Milch trank, heißt das nicht, dass sie zwingend zum Bodybuilding dazugehört. Schließlich ist auch niemand auf die Idee gekommen, seine Trainingshose von 1974 heute noch ernsthaft als funktional zu bezeichnen.
Keine Panik bei Bauchweh
Ein weiteres Missverständnis: Laktoseintoleranz sei „nur eingebildet“. Tatsächlich ist die Selbsteinschätzung häufig fehleranfällig – vor allem bei kleinen Kindern, die Bauchweh nach dem Essen zeigen. Bei ihnen ist eine echte Intoleranz selten. Aber auch bei Erwachsenen lohnt es sich, genau hinzuschauen. Manche Unverträglichkeiten sind sekundär, etwa nach Magen-Darm-Infekten oder bei Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Zöliakie.
In solchen Fällen verschwindet das Problem, sobald die Grunderkrankung behandelt ist. Wer also plötzlich im Alter empfindlich auf Milch reagiert, sollte das ärztlich abklären lassen. Nicht selten wurde die Intoleranz über Jahre unbemerkt kompensiert – durch intuitives Meiden bestimmter Speisen oder schlicht Gewöhnung an chronisches Unwohlsein.
Symptom | Mögliche Ursache | Laktoseintoleranz typisch? | Anmerkung |
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Blähungen, Völlegefühl | Laktose, Fruktose, FODMAPs | ✅ | sehr häufig |
Durchfall | Laktose, Magen-Darm-Virus | ✅ | wenn innerhalb von 1–3 h nach Milch |
Übelkeit | Laktose, Histamin, Stress | ✅ | oft bei Shakes auf nüchternen Magen |
Hautausschlag | Allergie, Histamin | ❌ | keine typische Reaktion |
Müdigkeit nach Shake | Hypoglykämie, Laktoseintoleranz | ❓ | bei Kombination mit Zucker möglich |
Bauchschmerzen bei Kindern | Reizdarm, Fehlbesiedlung | ❌/✅ | oft Fehldiagnose |
Wegtrainieren lässt sich da nichts
Und wie sieht es mit der Idee aus, die Toleranz „anzutrainieren“? Leider nein. Die Laktaseproduktion lässt sich nicht steigern, indem man regelmäßig Milchprodukte konsumiert. Im Gegenteil: Wer Symptome ignoriert und trotzdem Milch trinkt, belastet den Körper unnötig. Das kann sich negativ auf die Trainingsqualität, Regeneration und den Hormonhaushalt auswirken – nicht gerade hilfreich, wenn man Ziele verfolgt, die über den Milchbart hinausgehen.
Die gute Nachricht ist: Mit etwas Wissen, Selbstbeobachtung und einem Plan lässt sich auch ohne Milchleistungssport betreiben. Denn letztlich zählt nicht, was im Becher ist, sondern was man daraus macht. Wer seine Ernährung kennt, kann seine Erfolge steuern – und sich selbst treu bleiben, ohne gegen die Biochemie zu kämpfen.