Fitnesstraining: Die Geist-Muskel-Verbindung

Fitnesstraining: Die Geist-Muskel-Verbindung

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Mehr Muskelaufbau und Gesundheit trotz weniger Trainingsgewicht!


Der heutige Artikel steht ganz im Zeichen der persönlichen Weiterentwicklung in der sportlichen Laufbahn. Er ist besonders an Leser gerichtet, die nicht mit dem größten Talent gesegnet sind, oder mehr als üblich unter Verletzungen durch den Kraftsport leiden. Es geht um die sogenannte "Geist-Muskel-Verbindung" - was genau das ist und wie sie einem Sportler helfen kann, möchte ich im Folgenden erklären.



Nicht einfach nur ein Gewicht von A nach B verfrachten


Kraftsportler sind kein Transportunternehmen, die einfach eine schwere Last irgendwie von Punkt 1 zu Punkt 2 bewegen sollen. Im Hintergrund läuft viel mehr ab: Gewichtheber z.B. bedürfen einer 1A-Technik, um die Hantel auf ihrer effektivsten Bahn bewegen zu können, was wiederum extremste Kontrolle voraussetzt. Bodybuilder nehmen Gewichte nur als Mittel zum Zweck - und dieser Zweck ist eine möglichst intensive und wiederholte Kontraktion der Muskulatur. Es gibt erfolgreiche Athleten, die einen Sieger-Körper mit relativ leichten Gewichten aufbauen konnten, wie es auch unheimlich starke Bodybuilder gibt.

Fakt ist jedoch eins: Jeder, der nur irgendetwas mit dem Heben und Überwinden von Widerständen und Lasten zu tun hat, ist auf eine funktionierende Muskulatur angewiesen. Je besser diese in sich selbst (intramuskulär) koordiniert ist und je dickere Muskelfasern sich in ihr befinden (hypertrophiert), umso höhere Widerstände lassen sich verletzungsfrei überwinden, bzw. umso leichter lassen sich feste Gewichte heben.



Mangelnde Kraft und Koordination führen zu Verletzungen


Nehmen wir einmal das typische Beispiel aus dem Fitnessstudio her: ein junger Mann legt ein für ihn viel zu hohes Gewicht beim Bankdrücken auf. Meist handelt es sich um die ominösen 100 kg. Sein Kumpel steht hinter der Stange und ist für den Notfall da. Unser Trainierender hebt also die Hantel aus der Ablage und führt sie noch einigermaßen zur Brust. Aber was dann kommt, erinnert eher an Robo-Dance als an Krafttraining. Meist dreht sich sein Rumpf auf die stärkere Seite (oft rechts), was sofort zu einer unsymmetrischen Armstellung führt.

Das bedeutet, die Hantelstange wird nicht mehr waagerecht bewegt, sondern diagonal zum Erdboden - im schlimmsten Fall auch noch diagonal zur Sichtachse des Trainierenden. Der sieht das aber nicht, weil er unter völlig verkrampften Gesichts- und Rumpfmuskeln eben auch die Augen zukneift. Die Pressatmung unter dem zu hohen Gewicht führt zu einem irren Augeninnendruck. Das ist aber auch noch nicht alles: Da die Muskulatur technisch und physisch nicht dem Überwinden eines so hohen Widerstandes genügen kann, verlagert sich die Last auf Sehnen und Bänder. Und hier herrscht hohe Verletzungsgefahr durch Risse und Überreizung.



Training ist nicht gleich Training  


Vergleicht man den jungen Bankdrücker aus dem vorangegangenen Beispiel mit einem austrainierten Athleten, der zwar auch "nur" 100 kg drücken kann, diese aber technisch einwandfrei, so fragen sich die meisten: Wieso sehen diese beiden Typen so unterschiedlich aus - obwohl sie beide das gleiche Gewicht drücken können?

Dieser Unterschied ist jedoch gewaltig! Während der eine nur unter Aufbietung aller Kräfte, mit Hilfe von Sehnen, Bändern und Knochen, mit Verdrehungen und Schwung arbeiten kann, benutzt der andere gezielt seine Muskulatur und ausschließlich die bewusste Kontraktion.

Es ist nicht nur verletzungsfördernd, sich rein an den Gewichtszahlen ungeachtet der Art und Weise ihrer Bewältigung zu orientieren, sondern leistungsverhindernd. Alle Strukturen, insbesondere solche, die nicht so stark durchblutet werden wie die Muskulatur, brauchen eine hohe Regenerationszeit nach einer solchen Tortur. Sehnen und Bänder erleiden zudem kleine Anrisse - je schwunghafter die Bewegungsausführung, umso stärker fallen diese aus - und machen im Laufe der Zeit schmerzhafte Beschwerden. Wer also unter gereizten Sehnen, vor allem im Ellbogen, leidet, der benutzt wahrscheinlich zu viel Trainingsgewicht.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist aber, dass der Trainierende nie lernt, mithilfe der Muskulatur bzw. Kontraktion einen größeren Widerstand zu überwinden, sondern sich das Verhalten verstärkt, nur "irgendwie" gegen das Gewicht zu arbeiten. Diese Strategie ist aber sehr schnell ausgereizt, folglich macht der Athlet kaum noch Fortschritte.



Die Lösung ist eine erlernte Geist-Muskel-Verbindung!


Um sich aus dieser Misere zu befreien, muss man als allererstes sein Ego an der Studio-Theke abgeben, oder die bunten Hochglanzmagazine mit ihren mehr oder weniger sinnvollen Trainingsplänen wieder in der Schublade verschwinden lassen.

Ja, es ist wichtig, stark zu werden - aber nicht um jeden Preis! Der Schlüssel liegt darin, einen Widerstand möglichst ausschließlich mit einer bewussten Kontraktion der Zielmuskulatur zu überwinden. Und das geht nur, indem man Kontrolle über seine Muskulatur hat.

Ein einfaches Beispiel über muskuläre Kontrolle ist das Beugen des Zeigefingers. Das kann wirklich jeder - es ist kein Problem, willentlich den Zeigefinger zu beugen und wieder zu strecken. Der Geist hat die volle Kontrolle über diese Bewegung. Aber versuche jetzt mal, mit dem Nasenflügel zu wackeln! Geht irgendwie nicht - man weiß einfach nicht, wie man den Nasenflügel (oder das Ohr z.B.) willentlich ansteuern soll!

Und genauso geht es den meisten Trainierenden mit ihrer Muskulatur: sie wissen einfach nicht, wie sie beispielsweise beim Klimmzug ihren Rücken bewusst anspannen können. Sie ziehen sich irgendwie mit den Armen hoch, aber von Kontrolle kann keine Rede sein.



Die gute Nachricht ist an der Stelle: Man kann es lernen!


Unabdingbar ist aber die ganz bewusste Konzentration darauf, mit seiner Muskulatur zu arbeiten. Sicher sind viele Menschen es nicht gewöhnt, sich derart selbst zu beobachten, aber wer mehrmals die Woche mit seinem Körper arbeitet, dem dürfte das leichter fallen.



Aus Konzentration wird Kontrolle


Durch das Wiederholen und Üben der konzentrierten Bewegung wird man darin automatisch besser. Die nachlassende Einbeziehung von Sehnen, Bändern, Knochen, Schwung und Ruck führt zu niedrigerer Verletzungsanfälligkeit und besseren Kraftbahnen. Und mit der Zeit ergibt sich Kontrolle und ein "Spüren der Kontraktion" von selbst! Notwendig ist also "nur", dass man davon abgeht, möglichst schnell einfach nur hohe Gewichte zu verwenden und sich daraufhin auf die bewusste Überwindung kleinerer Widerstände konzentriert.

Das ist zwar schwer für das Ego - wird aber die Freude und den Erfolg im Sport auf Jahre verlängern!

Euer Patrick Raabe

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