Die Sarkopenie - Wenn Muskeln im Alter schwinden

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Abnahme der Muskelkraft im Alter

In beiden Geschlechtern geht die Sarkopenie mit einer verminderten Kraft [Candow, 2005; Lauretani et al., 2003; Short & Nair, 2001] und verminderten muskulären Leistungsfähigkeit [Visser et al., 2002] einher. Ab 60 Jahren zeigt sich eine eingeschränkte Muskelfunktion [Deschenes, 2004]. Es zeigen sich regionale Unterschiede am Körper. Zwischen dem 50. und dem 65. Altersjahr nimmt bei Frauen die Kraft des Oberkörpers um rund 20%, die Kraft der unteren Extremität um rund 40% ab. Im Klartext nimmt die Kraft der Beine deutlich schneller ab als die Kraft der Arme [Humphries et al., 1999]. In der siebten und achten Lebensdekade ist die maximale Kontraktionskraft um 20 bis 40% bei beiden Geschlechtern in proximalen und distalen Muskeln reduziert [Dorrens & Rennie, 2003].

Interessant ist dabei, dass die die Abnahme der muskulären Leistungsfähigkeit mit der zunehmenden Infiltration der Skelettmuskulatur durch Fettgewebe korreliert [Visser et al., 2002]. Die Konsequenz der reduzierten Leistungsfähigkeit ist eine zunehmende Behinderung [Walradn & Boirie, 2005]. Die Prävalenz von funktionellen Limitierungen nimmt bei Personen mit einer Sarkopenie der Klasse II zu [Zoico et al., 2004]. Entscheidend ist daher, die im Alter unabwendbare Sarkopenie so weit in Grenzen zu halten, dass sie keinen Krankheitscharakter annimmt und dem Betroffenen trotzdem ein unabhängiges Leben ermöglicht. Veränderung der Körperzusammensetzung

Der Alterungsprozess ist mit eindrücklichen Veränderungen der Körperzusammensetzung verbunden. Der Verlust der Skelettmuskulatur ist die bedeutendste Veränderung, zusätzlich nehmen mit fortgeschrittenem Alter von 60 bis 95 Jahren das totale Körperfett, und insbesondere das viszerale Fett, zu [Evans, 2004; Kyle et al., 2001]. Im Alter steigt der BMI, der Umfang der Hüfte und des Abdomen nehmen zu während die Körpergrösse abnimmt [Zamboni et al., 2003]. Neben der bereits beschriebenen Abnahme der Skelettmuskelmasse, erhöht sich mit zunehmendem Alter die viszerale und intermuskuläre Fettmasse [Hughes et al., 2002]. Bei beiden Geschlechtern nimmt die Fettmasse pro Dekade um 7.5% zu. Die Zunahme der intermuskulären Fettmasse ist mit metabol-endokrinen Veränderungen assoziiert [Song et al., 2004].

Endokrine Faktoren - Unter den Hormonen haben Testosteron, Insulin sowie Wachstumshormon eine Bedeutung in der Pathogenese der Sarkopenie.

Testosteron. Die Abnahme der Produktion der anabolen Hormone Testosteron, Wachstumshormon und insulinähnlicher Wachstumsfaktor I (IGF I) hemmt die Skelettmuskulatur, Aminosäuren einzuschleusen und kontraktile Eiweisse zu produzieren [Deschenes, 2004]. Beim Mann zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Testosteron und Muskelmasse. Auf Grund der durchschnittlichen Reduktion der Testosteronproduktion von 1% bis 2% pro Jahr wird somit die Muskelmasse negativ beeinflusst. Dieser Rückgang wirkt sich noch deutlicher beim freien Testosteron aus. Die Konzentration des freien Testosterons nimmt ab dem 25. Lebensjahr jährlich um 1.2% ab [Neumann & Engelhardt, 2000]. Vor allem das biologisch aktive, freie Testosteron ist jenseits des 55. Lebensjahres um 30% tiefer als im 25. Lebensjahr. Zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr haben etwa 22% der Männer ein subnormales Gesamttestosteron (< 11 nmol/l) und ein deutlich erniedrigtes freies Testosteron (< 0.18 nmol/l). Neben dem Verlust an anabolen Stimuli führt ein Testosteronmangel auch zur Einbusse von anti-katabolen Effekten, denn das Sexualsteroid inhibiert die Bildung kataboler Interleukine wie IL-1 und IL-6. Daher sind auch Adipositas und Sarkopenie bei Frauen in der Menopause auf Grund des Rückgangs der Sexualhormone vermehrt [Sorensen, 2002].

Insulin. Zur Entwicklung der Sarkopenie trägt auch die im Alter nachlassende Insulinwirkung bei. Dies betrifft in erster Linie Diabetiker, aber auch die bei älteren Menschen zunehmende Insulinresistenz begrenzt dessen antikatabole Wirkung. Dabei spielen neben dem Alter auch die Zunahme des viszeralen Fettgewebes und die Bewegungsarmut eine zentrale Rolle. Insbesondere Einflüsse, die zu einer Erhöhung der Konzentration an Tumor-Nekrosefaktor- (TNF-) beitragen, beeinträchtigen die Funktion der Insulinrezeptoren. Wachstumhormon. Die Achse Wachstumshormon – IGF I wird als ein wichtiger Regler der Muskelmasse angesehen. Mindestens zwei unterschiedliche Arten IGF-I stammen aus der Skelettmuskulatur, wobei einer als MGF (Mechano Growth Factor) bezeichnet wird. Der MGF, der mit zunehmendem Alter abnimmt, ist eine Isoform des IGF und reagiert besonders auf mechanische Belastung und Schädigung der Muskelfaser [Harridge, 2003]. Neurologische Faktoren

Die Abnahme der Muskelmasse dürfte auf den selektiven Verlust und das „Remodelling“ von motorischen Einheiten zurückzuführen sein [Brown, 1972; Doherty et al., 1992; Doherty et al., 1993]. Zwischen jüngeren und älteren Menschen liegen Unterschiede im neuromuskulären System vor [Bazzucchi et al., 2005]. Ab dem 60. Lebensjahr nimmt die Zahl der motorischen Einheiten beschleunigt ab [Andersen, 2003]. Bis zur siebten Lebensdekade liegen in gewissen Muskeln noch die Hälfte der motorischen Einheiten und etwa Dreiviertel der totalen Anzahl an Muskelfasern gegenüber Jugendlichen vor [Doherty et al., 1993]. Der Verlust an Skelettmuskelfasern auf Grund der Abnahme der Motoneurone dürfte daher einer der wichtigsten Faktoren der Sarkopenie sein [Doherty, 2003; Welle, 2002]. Die selektive Atrophie der Typ II-Fasern wird dem kontinuierlichen Verlust an Motoneuronen zugeschrieben. Selbst wenn atrophierte Muskelfasern durch neu einsprossende Axone reinnerviert werden, kommen diese neuen Axone aus langsamen motorischen Einheiten [Macaluso & De Vito, 2004].

Diätetische Faktoren

Ein im Alter verringertes Verlangen nach Nahrung - bekannt als Altersanorexie - beeinflusst entscheidend die Sarkopenie [Evans, 2004]. Gründe für diese Altersanorexie liegen in der Abnahme der Sinneswahrnehmungen Geschmack, Geruch und Sehen, einer gesteigerten Aktivität gastrointestinaler Sättigungsfaktoren und der Veränderungen diverser Neurotransmitter, Hormone und Zytokine [MacIntosh & Morley, 2000; Morley, 1997]. Zusätzlich können ältere Menschen Phasen erhöhter bzw. erniedrigter Nahrungsaufnahme weniger gut ausgleichen als jüngere [Roberts. 1995]. Obwohl für den Proteinstoffwechsel im Alter trotz geringerer Gesamturnover-Rate eine ausgeglichene Bilanz beschrieben wird [Cals et al., 1997], ist die Einnahme von Protein von Wichtigkeit. Bei postmenopausalen Frauen führte die Einnahme von lediglich der Hälfte der empfohlenen täglichen Proteinzufuhr von 0.8 g pro kg Körpergewicht zu einer signifikanten Abnahme der Muskelkraft [Castaneda et al., 1995].

Bedeutung der Zytokine
Altern ist assoziiert mit einer erhöhten Produktion von katabolen Zytokinen wie TNF- und IL-6 [Payette et al., 2003; Pedersen et al., 2003; Roubenoff, 2003]. Die Zytokine leisten einen Beitrag an die Altersanorexie und den Abbau von Muskeleiweiss [Bales & Ritchie, 2002]. TNF- wird daher mit der Sarkopenie assoziiert [Pedersen et al., 2003]. Ältere Frauen mit erhöhten Werten an IL-6 zeigen ein erhöhtes Risiko für eine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit [Ferrucci et al., 2002], was sich wiederum negativ auf die Körperzusammensetzung auswirkt. IL-6 und andere Zytokine können direkt katabol wirken, eine Insulinresistenz begünstigen oder IGF-1 reduzieren [Roubenoff, 2003].

Ursachen im Lebensstil

Eine verminderte körperliche Aktivität kombiniert mit einer Fehl- oder Mangelernährung kann zu einer negativen Eiweissbilanz führen [Tipton, 2001]. Die Sarkopenie ist weiter mit Rauchen, einem schlechtem Gesundheitszustand und eingeschränkter Funktion der unteren Extremität assoziiert [Newman et al., 2003]. Fehlende körperliche Aktivität und Rauchen sind reversible Risikofaktoren für eine Sarkopenie [Castillo et al., 2003] und sollten daher früh thematisiert werden.


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