Die Idee vom Training bis zum Versagen ist wahrscheinlich die am meisten verehrte Praxis im modernen Bodybuilding.
Dabei ist interessant, dass dieser Trainingsmethode wahrscheinlich einzig und allein beim Bodybuilding angewandt wird.
In anderen Eisen-Sportarten, wie z.B. dem Olympischen Gewichtheben, dem Powerlifting oder Wurfdisziplinen entwickeln die Athleten auch enorme Muskelmassen ohne bis zum Versagen zu trainieren, zumindest nicht in der Art in der Bodybuilder es definieren. Diese Beobachtungen, verglichen mit der Tatsache, dass viele Spitzen Bodybuilder dieser Praxis nicht annehmen, rechtfertigt eine nähere Betrachtung dieses Konzepts.
Die Geburt eines Paradigmas
Eine wesentliche Rolle, wenn es um den Begriff "Training bis zum Versagen" geht, gebührt Arthur Jones (der Erfinder der Nautilus Ausstattung). Er entwickelter und publizierte das Paradigma vom "Ein Satz bis zum Versagen". Jones vertrat die Ansicht, dass ein Bodybuilder bis zum momentanen Versagen trainieren müsste, wobei er nur einen Satz pro Übung ausführen sollte. Jones' kommerzieller Erfolg mit diesem Prinzip muss in Abhängigkeit von den Trainingsgewohnheiten von Anfängern gesehen werden.
Anfänger trainieren, ohne qualifizierte Trainingsanleitungen, gewöhnlich bis zum Versagen da sie bei diesem Training immer über ihre augenblicklichen Entwicklungen informiert sind. Das heißt, immer wenn eine zusätzliche Wiederholung mit einem bestimmten Gewicht durchgeführt werden kann, ist der Anfänger psychologisch gestärkt, diese Gewohnheit weiter zu pflegen.
Unglücklicherweise wird bei dieser Methode auch eine schlechte Übungsausführung unterstützt und eine gewaltige Frustration setzt nach einigen Monaten ein, wenn der unvermeidliche Trainingsstillstand eintritt.
Diese Frustration ebnet dann den Weg für zahlreiche minderwertige Trainingssysteme die in den letzten Jahrzehnten aufgetaucht sind. Das führt dazu, dass diese Leute von einem Wundersystem zum anderen wechseln, eine endlose Suche nach dem perfekten Programm beginnt.
Bevor wir Jones oder andere Autoren kritisieren, ist es notwendig, dass wir uns über unsere Erwartungen an eine Trainingsmethode klar werden.
Was sollte ein Trainingssystem können und was sollte ist nicht können.
Denken Sie daran, dass beinahe jeder Trainingsmethode effizient sein kann, zumindest vorübergehend und zwar aus folgenden Gründen:
1. Anfänger machen kurzfristige Erfolge mit jedem Training System
2. Viele Leute trainieren in einer sehr monotonen Art. Sie wechseln weder die Übungen noch Wiederholungen oder Sätze, weder die Ruhepausen, noch das Gewicht. Wenn solch eine Person das Programm ändert, macht sie Fortschritte, zumindest vorübergehend.
Im Gegensatz dazu, KEIN Trainingsprogramm ist perfekt, weil:
1. Jeder ist verschiedenen. Es gibt keine zwei Personen die gleich auf einem Trainingsprogramm reagieren
2. Der Körper gewöhnt sich schließlich an jedes Programm und wenn das eintritt, hört jeder Fortschritt auf.
Die Folgerung aus diesen Aussagen ist, dass alle Methoden als ein Werkzeug betrachtet werden sollten. Alle können in einem bestimmten Maß vorteilhaft seien, wenn sie im richtigen Verhältnis und im richtigen Umfeld eingesetzt werden. Wenn behauptet wird " das ist das perfekter Programm für jeden, für alle Zeit" dann ist das problematisch.
DEFINITIONEN
Man kann über Begriffe solange nicht diskutieren, solange keine klare Definition vorliegt.
Was versteht man unter " Training bis zum Versagen"?
Bedeutet es
konzentrisches Versagen?
Exzentrisches Versagen?
Die Unfähigkeit noch eine Wiederholung in guter Form durchzuführen?
Die Unfähigkeit das gewünschte Tempo beizubehalten?
Beziehen wir uns auf das Versagen des Muskelsystems oder des Nervensystems?
Für die folgende Diskussion, wollen wir " Training bis zum Versagen" folgendermaßen definieren:
Jeder Satz wird solange durchgeführt, bis eine weitere konzentrische Wiederholung " in guter Form" nicht mehr durchgeführt werden kann.
Der Begriff Versagen ist natürlich unentwirrbar verbunden mit der Größe der Anstrengung und der Fähigkeit Schmerz und Erschöpfung zu kompensieren, das sind natürlich sehr subjektiver Qualitäten.
Was versteht man unter " guter Form"?
Während das Gewicht, die Anzahl der Sätze und Wiederholungen quantitative Trainingselemente sind, beschreibt gute Form ein qualitatives Element. Übungstechniken beinhalten den Bewegungsumfang, das Tempo und die Kontrolle über das Gewicht, das bewegt wird. Solche Variationen helfen das Kraft- und Hypertrophie-Plateau zu überwinden.
Die Kontrolle sollte nie für eine zusätzliche Wiederholung geopfert werden.
Für diese Diskussion wollen wir "gute Form" folgendermaßen definieren:
Alle Wiederholungen eines Satzes werden, was den Bewegungsumfang, das Tempo und die Kontrolle über das Gewicht angeht, gleichmäßig ausgeführt.
Wenn Sie also planen parallele Kniebeugen durchzuführen und sie während des Trainings aufgrund von Ermüdungserscheinungen davon abweichen, ist das eine schlechte Form. Genau das Gleiche gilt, wenn sie eine Übung mit einer bestimmten Geschwindigkeit ausführen wollen, aber während der Übung von diesem Ziel abweichen, auch das ist eine schlechte Form.
Was versteht man unter " Intensität"?
Sportwissenschaftlern und Bodybuilder definieren diesen Begriff unterschiedlich.
In den Sportwissenschaften ist Intensität als Prozent von einer Wiederholung ( eine Wiederholung mit maximalem Gewicht) definiert, oder als es das Maximalgewicht eines Sportlers für eine einzige Wiederholung, für irgendeine Übung. Wenn also ein Sportler beim Leg Press eine Wiederholung mit 200kg schafft und dann einen Satz mit 180kg durchführt, ist dieser Satz intensiveren als ein Satz mit 150kg. EGAL wie viele Wiederholungen durchgeführt wurden, wie nahe man an der Versagensgrenze war oder wie hoch die mentale Anstrengung war.
Auf der anderen Seite, definieren Bodybuilder Intensität als Summe der Anstrengungen, um eine Aufgabe zu bewältigen. Wenn man diese Definition benutzt, dann kann eine Leg Press Übung mit 150kg viel intensiver sein, als ein Satz mit 180kg, wenn eine größere Anstrengungen für diesen Satz aufgewandt wird.
Darauf basierend scheint es logisch zwischen "äußerer" Intensität (Gewicht) und "innerer" Intensität (Summe der Anstrengungen um das Gewicht zu überwinden) zu unterscheiden.
Es ist wichtig zu erkennen, dass "äußere" Intensität eine objektive und "innere" Intensität eine subjektive Größe ist. Das heißt, wir können das Gewicht messen, aber wenn jemand sagt "... bis zum Versagen trainiert", müssen wir es so aufnehmen.
Ziele und Trainingsmethoden
Bei den Bodybuildern ist das Trainingsziel Muskelhypertrophie. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es viele Trainingsprinzipien. Das bekannteste ist das Prinzip des progressiven Überladens. Erschöpfung und gelegentliches Versagen sind unvermeidbar Nebenprodukte dieser Methode.
Wenn man Erschöpfung und/oder Versagen als Trainingsziel hat (dieses Ziel haben viele Bodybuilder) ist es masochistisch und unproduktiv.
Das Kennzeichen jedes erfolgreichen Trainings ist eine lang anhaltende Konsistenz und Fortschritt.
Dieser Fortschritt muss allmählich, sehr allmählich geschehen, wenn er lange anhalten soll.
Viele Sportler bestehen darauf einen Satz bis zum vollkommenen Versagen zu trainieren, obwohl es nicht notwendig ist, einen neuen persönlichen Rekord aufzustellen.
Gerade diese Sportler vergessen ihren augenblicklichen Fortschritt in die Zukunft zu projizieren, das würde nämlich zeigen, dass es unmöglich ist dieser Zuwächse beizubehalten. Ein Beispiel: Wenn Du es schaffst bei Kniebeugen das Gewicht um 2kg pro Woche zu erhöhen, dann wären dies 8kg im Monat und 96kg im Jahr. Wenn das drei Jahre lang passieren würde....
Eine bessere Methode ist es, nur sehr kleine aber regelmäßige Belastungszunahmen anzustreben. An diese kleinen Gewichtssteigerungen kann sich der Körper leichter anpassen und auch erholen.
Die Nachteile von "Ein Satz bis zum Versagen"
Wenn man versucht alle Sätze bis zum Versagen zu trainieren, ist das besonders problematisch. Hier sind die Gründe:
Das Trainingsvolumen reicht nicht aus, um Hypertrophie zu entwickeln
Viele Studien haben gezeigt, dass Muskelhypertrophie durch Gewichtsbelastungen mit hohem Volumen initiiert werden kann
Das Trainingsvolumen wird berechnet als gehobene Last/Zeiteinheit. Wenn Du eine Übung mit einem bestimmten Gewicht für 5 Sätze a 5 Wiederholungen planst, würde nur der letzte Satz mit konzentrischem Versagen ausgeführt werden.
Wenn es schon beim 1. Satz zum Muskelversagen kommt, müssen die nachfolgenden Sätze mit reduziertem Gewicht durchgeführt werden. Das verringert das Volumen, was wiederum die Muskelhypertrophie negativ beeinflusst.
Die Verletzungsgefahr (akut und chronisch) steigt
Training bis zum Versagen führt u.U. zu einer mangelnden Blutversorgung. Durch freie Radikale können die DNA und Zellmembrane geschädigt werden.
Wenn ein Gewicht nicht mehr während der Bewegung in die Endposition gebracht werden kann, kann dies Verletzungen von 'weichem' Gewebe nach sich ziehen.
Die Wahrscheinlichkeit des Übertrainings steigt
Ist ein Training bis zum Versagen notwendig?
Es ist nicht notwendig.
Man muss das Konzept "Training bis zum Versagen" als ein Werkzeug ansehen. Kein Werkzeug sollte fortwährend benutzt werden. Vernünftig angewandt kann es eine nützliche Trainingsmethode sein.
Empfehlungen
1. Plane und dokumentiere dein Training.
(Im Trainingsprogramm gibt es ein Trainingsprotokoll). Wenn Deine beste Leistung z.B. im Bankdrücken 5 Sätze a 5 Wiederholungen mit 110kg ist, dann sollte Dein Ziel sein diese Leistung zu übertreffen. Entweder, indem Du einige kg mehr auflegst und versucht 5x5 zu erreichen oder Du versuchst ein größeres Volumen mit dem gleichen Gewicht zu realisieren (mehr Wiederholungen und/oder und mehr Sätze). Wenn Du das tust, wirst Du Fortschritte machen ohne bis zum Versagen zu trainieren. Damit Du erkennst, wo deine Grenzen sind, die Du überwinden solltest, musst du ein Trainings-Protokoll führen.
2. Führe es alle Übungen technisch exakt aus.
Ein abfälschen der Übungen hat immer eine ineffektive Bewegung zur Folge, eine schlechte Körperhaltung und die Gefahr der Verletzungen wächst. Deine Technik bei der letzten Wiederholung sollte mit der Technik bei der 1. Wiederholung identisch sein.
3. Fortschritt heißt, dass du allmählich, von Training zu Training, die Gewichte steigerst.
Fortschritt heißt nicht, wie kaputt du dich nach einem Training fühlst.
4. Eine sorgfältige Beachtung verschiedener Programmvariablen kann einen sehr großen Einfluss auf das Volumen, das du noch bewältigen kannst, haben.
Hier sind zwei Beispiele:
a) Muskeln können umfassender trainiert werden, wenn man sie zuerst in einer instabilen Umgebung trainiert (das sind freie Gewichte), dadurch werden viele benachbarte Muskeln mit beansprucht, danach geht man in eine stabile Umgebung (das sind die Maschinen).
Wenn Du das an Dir einmal ausprobieren willst, dann mache zuerst einen Satz Kurzhantelbankdrücken bis zum Versagen. Danach nehme eine Langehantel mit dem gleichen Gewicht und führe auch sofort einen Satz durch. Du wirst feststellen können, dass Du dieses Gewicht drücken kannst, obwohl du Kurzhantelbankdrücken bis zum Versagen durchgeführt hast. Als nächstes gehe zur einer Bankdrück-Maschine. Lade das gleiche Gewicht und Du wirst erkennen, dass Du weiter trainieren kannst.
Dieses Phänomen kann man sich so erklären, dass beim Training mit freien Gewichten, die benachbarten Muskelgruppen ein Signal senden, dass in etwa heißt: "bald geht nichts mehr". Er es ist immer noch genug power da, um einer 2. Freihantel-Übung durchzuführen. Dieses Phänomen hat weitreichende Folgen für diejenigen die hauptsächlich ihre Hauptmuskeln an Maschinen trainieren.
b) weil Muskelversagen eine spezifischer Sache ist, können größere Gewichte bewegt werden, wenn gegensätzliche Übungen abwechselnd durchgeführt werden, anstatt er bestimmte Übungen durchzuführen, bevor zur nächsten Übung gegangen wird.
Ein Beispiel: wenn Du planst Bankdrücken und Lat-Ziehen durchzuführen, dann können die Sätze 1,3,5 Bankdrücken und die Sätze 2,4,6 Lat-Ziehen sein. Je weiter zwei Muskelgruppen voneinander entfernt sind, um so größer ist die Reduzierung der verbleibenden Erschöpfung.
Eine andere Methode den Erschöpfungszustand zu reduzieren ist, zwischen Sätzen mit wenigen Wiederholungen und Sätzen mit vielen Wiederholungen zu wechseln.
Wenige Wiederholungen erschöpfen primär das Nervensystem, viele Wiederholungen erschöpfen primär das Stoffwechselsystem.
c) Wenn man versucht, dass Trainingsgewicht von Training zu Training zu erhöhen, folgt ein frühzeitiger Stillstand, jegliche Verbesserung bleibt aus (eine Ausnahme stellen die Anfänger dar).
5. Um Hypertrophie zu entwickeln, denke daran dass die Muskeln nicht nur aus den kontraktilen Fasern bestehen.
Benutze eine Vielfalt von Wiederholungen, um alle möglichen Elemente, die für die Hypertrophie verantwortlich sind, zu beanspruchen
6. Wenn du bemerkst, dass du eine Übung abfälschst, bist du schon jenseits der Erschöpfungsgrenze.
7. Bleibe bei den konventionellen "Basis- Trainingsmethoden, bis keine Verbesserungen eintreten.
Quelle:
http://www.evos.de/artikel/failure.htm
Ein grosser Teil dieses Textes stand auch in der Sportrevue 8/2002