Pilates als therapeutische Reha-Maßnahme

Pilates als therapeutische Reha-Maßnahme

foto: reebok - reetone
Pilates ist ein ganzheitliches Körpertraining, welches Kräftigung und Dehnung kombiniert. Entwickelt wurde es von Joseph PILATES, der 1880 bei Düsseldorf geboren wurde. Die Wurzeln seines Systems liegen in der Kindheit begründet, die er mehr krank als gesund verbrachte:



Joseph Pilates litt an Asthma und Rachitis. Als junger Mann war er fest entschlossen, seinen Körper zu stärken und gesund zu werden. Er erlernte verschiedene Sportarten, suchte ganzheitliche und funktionelle Aspekte und entwickelte daraus sein eigenes Konzept, ein umfangreiches Matten- und Geräteprogramm. Pilates nannte sein Programm "Contrology". Dieses entwickelte er ständig weiter, mit dem Ziel, Körper und Geist zu vereinen.



Nicht die Quantität der Übungsfolgen zählt, sondern die Qualität. Die Bewegungen werden ruhig und kontrolliert durchgeführt, unterstützt durch die Atmung.



Das Pilates- Training beruht auf sechs Prinzipien:



Atmung: Der Atemfluss bestimmt das Bewegungstempo und unterstützt die Bewegung.



Rumpfkontrolle und Zentrierung: Zentrierung bedeutet, dass die Kraft für die Bewegung aus der Körpermitte kommt.



Schultergürtelorganisation: ausgewogenes Spannungs- oder Entspannungsverhältnis des Hals-Nacken-Schulterbereiches und die optimale Ausrichtung des knöchernen Systems.



WS-Bewegung: Jede WS-Bewegung geschieht über Länge, um Kompression in den Wirbelgelenken zu vermindern; Fördern der segmentalen Beweglichkeit.



Ausrichtung: Jede Übung beginnt in einer korrekten Lage.



Bewegungsintegration: Alle Prinzipien vereinen, um die Bewegungen fließend und harmonisch ausführen zu können; Integration der Pilates-Prinzipien in den Alltag.

Ursprünglich wurde Pilates von Profitänzern, Schauspielern und Leistungssportlern in den USA praktiziert. Mittlerweile wird das Körpertraining aber auch erfolgreich in der Rehabilitation eingesetzt.



Pilates kann in jeder Reha-Phase am Patienten angewendet werden. Durch den Einsatz der im Folgenden vorgestellten Pilates-Geräte (Reformer, Cadillac, Chair, Spine corrector) kann man die Übungen so ausführen, dass sie dem verletzten Gewebe nicht schaden:



Cadillac

Der Cadillac ist eine "Behandlungsbank" mit einer Art Käfig außen herum. An den Stangen kann man in verschiedenen Höhen Federn, Stangen oder ein Trapez befestigen (Abb. 1). Außerdem kann man während der Übungen die Außenstangen dazu nutzen, um die Füße oder Hände abzustützen.



Reformer

Der Reformer hat einen stabilen Holzrahmen, in diesem wird der bewegliche Schlitten auf Rollen geführt und über verschieden starke Federn am Fußende befestigt. Dort befindet sich die Fußstange, über die der Wagen, z.B. durch das Wegdrücken der Füße, bewegt werden kann. Am anderen Ende wird der Schlitten über Seile geführt, die über Rollen umgelenkt werden. Dadurch kann man den Schlitten auch über Seile bewegen und somit die Kraftübertragung auf die Arme lenken .



Chair

Der Chair hat eine Sitzfläche und ein teilbares Pedal, welches mit Federn befestigt ist. (Abb 3) Das Pedal kann man im Sitzen, Stehen und Liegen nach unten drücken. Außerdem kann man mit dem Chair den Cadillac verlängern und damit Übungen in Bauch- oder Seitlage ausführen.



Spine Corrector

Der Spine corrector ist ein stabiler Bogen, der Übungen mit dem Schwerpunkt Wirbelsäulenartikulation unterstützen kann . (Abb. 4) Dies ist nur eine Kurzbeschreibung der Pilates-Geräte, die die Vielseitigkeit dieser Geräte noch nicht einmal anreißen kann. (Anm. der Red.: Mehr zu den Pilatesgeräten erfahren Sie auf der Homepage von Sissel



Einsatz der Pilates-Geräte

Patienten mit beispielsweise einem akuten Schmerz in der LWS lernen, z.B. durch den Einsatz von Federn am Cadillac, eine isolierte Flexion im Hüftgelenk auszuführen und das Becken dabei in seiner neutralen Stellung zu belassen. Der Patient lernt, dass jede Bewegung aus einer stabilen Körpermitte beginnt.



Die Aktivierung der Körpermitte setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: Einziehen des Bauchnabels in Richtung Wirbelsäule, Schließen der Rippen in Richtung Becken, Sinkenlassen des Brustbeins in Richtung Bauchnabel, und das alles unter Beibehaltung der Länge der WS. Die Ausatmung unterstützt die Zentrierung.



Wenn der Patient die Bewegung schmerzfrei ausführen kann, kann der Therapeut die Feder am Knöchel entfernen und die Übung nur mit der Unterstützung der Feder am Oberschenkel machen lassen. Endziel ist es, die Übung komplett ohne Feder ausführen zu können.



Übung "Dead bug"

Die Übung beginnt in Rückenlage mit angestellten Beinen, mit der Unterstützung der Ausatmung soll der Patient ein Bein nach oben schweben lassen, bis das Knie angebeugt über dem Hüftgelenk landet (900 in Hüft- und Kniegelenk). Wichtig dabei ist, den Patienten

in seiner Wahrnehmung für ein neutrales Becken und der Aktivierung seines Körper-

zentrums zu schulen. In dieser Art und Weise wird das Pilates- Training in der Physiotherapie angewendet: Zuerst wird die Bewegung mithilfe der Pilates-Geräte unterstützt, die dann immer weiter abgebaut werden.





1. Seitlage auf dem Reformer

Bei allen Übungen in Seitlage ist es wichtig, das Becken in eine MittelsteIlung zu bringen, so dass beide Taillenseiten gleichlang sind. Durch den Kontakt des Fußes auf der Stange lernt der Patient, das Becken nach caudal zu schieben, während er das Bein streckt. Bei der Flexion im Hüft- und Kniegelenk fährt der Wagen (so heißt das bewegliche Mittelteil des Reformers, welches über unterschiedlich starke Spiralfedern geführt wird) wieder zurück und der Therapeut begleitet den Patienten taktil dabei, das Becken in der "herausgeschobenen" Position zu halten. (Abb. 6)





2. Seitlage auf dem Cadillac

Nun wird der Fuß des oberen Beins in die Schlaufe eingehängt . (Abb. 7) Über den gleichmäßigen Schub des Beines wird Abduktion geübt, unter Beibehaltung der Beckenposition, ohne Aktivierung des m. quatratus lumborum. Aus der hüftbreiten Position der oberen Hüftgelenks wird jetzt die Übung "Side kick" vorbereitet: die Flexion und Extension im Hüftgelenk. (Abb. 8)



Als letzte Steigerung wird dann die originale Mattenübung "Side kick" mit dem Patienten erarbeitet. Nach diesem Schema kann man jede Pilates-Übung mit den Patienten, abhängig vom Krankheitsbild und von der Schmerzsymptomatik, erarbeiten.



Pilates als therapeutische Reha-Maßnahme und später als Training stellt eine Bereicherung für den physiotherapeutischen Arbeitsalltag dar und hat für mich den Umgang mit meinen Patienten grundlegend verändert: weg von überwiegend passiven, manuellen Techniken, hin zu mehr Körperwahrnehrnung, Eigenverantwortung und der Bereitschaft der Patienten, ihr Bewegungsverhalten zu verändern.



Artikel erschienen in der Fachzeitschrift: Praxis Physiotherapie 1/2009

Autorin: Karin Klinke, Krankenggaymnastikpraxis und Pilatessstudio, Kurfürst-Schönborn-Str. 102, 56070 Koblenz - Tel: 0261-801515 Hompage: Pilates-Koblenz.de












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