Hier ein Auszug aus der Übersicht von Weiß: Homocystein - ein kardiovaskulärer Risikofaktor? -
betrachtet unter sportmedizinischen Aspekten
"Bei akuter hoher Belastung von jungen Frauen wurde ein
Anstieg der Hcy-Plasmaspiegel gefunden mit leichten Unterschieden
zwischen Luteal- und Follikel-Phase. Submaximale
Belastungen von 30 Minuten mit 70% VO2 max oder
60 Minuten mit 60 % VO2 max führten unter Berücksichtigung
der Hämokonzentration nicht zu Plasmaspiegelveränderungen.
Erst extensive Dauerbelastung induzierte
bei absinkenden Plasmaspiegeln zahlreicher Aminosäuren,
insbesondere von Serin und Glycin, einen Hcy-Anstieg.
Obwohl Hcy- und Kreatin-Stoffwechsel eng verknüpft sind
ergab in einer Kraft-Studie zwar das Training
aber nicht die Kreatin-Supplementationen einen senkenden
Effekt auf die Hcy-Plasmaspiegel. Zur Hormonabhängigkeit
bzw. zum Einfluss von anabolen Steroiden siehe oben
und bei Ebenbichler et al, die bei Bodybuildern einen
Anstieg der Hcy-Mittelwerte von 8,3 auf 11,9 µmol/l in der
Einnahmephase von anabolen Steroiden fanden.
Erste Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und
Hcy wurden von Nygard et al publiziert, die bei körper-
lich aktiven Menschen niedrigere Spiegel fanden als bei
gleichaltrigen inaktiven. Dies wurde unlängst für Männer
aber nicht für Frauen bestätigt: Mennen et al berechneten bei
ihnen eine inverse Beziehung zwischen der Höhe der Hcy-
Spiegel und der körperlichen Aktivität. Dagegen fanden
Rinder et al bei ausdauertrainierten Alterssportlern
höhere Hcy-Werte als im altersgleichen Kontrollkollektiv
und Wright et al fanden in ihrem Kollektiv keine Korrelationen
zur maximalen aeroben Kapazität.
Auch Trainingsinterventionsstudien oder trainingsbegleitende
Untersuchungen sind rar. In einer eigenen Untersuchung
(unpubliziert) führte ein 8-wöchiges nach Laktat-Test
pulsgesteuertes Training von Freizeitläufern nur im Zusammenhang
mit niedrig dosierter Folsäure-B12-Substitution
zur Senkung der Hcy-Spiegel. Im Jahreszyklus einer
Schwimm-Mannschaft fanden wir keinen Unterschied zwischen
der Regenerationsphase und der trainingsintensivsten
Phase trotz erheblicher Veränderungen im Plasma-Aminosäuren-
Muster, in den intensiven Trainingsphasen
von Schnellkraftsportlern jedoch ansteigende Werte. In
einem 4-wöchigen Trainingsprogramm, dreimal pro Woche
20 bis 30 Minuten mit 70 bis 85 % der maximalen Herzfrequenz,
unter hypoxischen oder normoxischen Bedingungen,
beobachteten Bailey et al einen Anstieg der PlasmaHcy-
Spiegel um 10 % nach dem normoxischen Training, einen
Abfall um 11 % nach dem hypoxischen Training, wobei die
übrigen Risikofaktoren unter beiden Trainingsformen verringert
wurden. Geringe Abnahme wurde auch durch
Krafttraining dokumentiert. Im Rahmen der kardialen Rehabilitation
konnten ebenso Senkungen der PlasmaHcy-
Konzentrationen nachgewiesen werden wie in einem 6-
monatigen Programm zur Gewichtsreduktion bei übergewichtigen
Frauen mit polycystischen Ovarien. In einem
nur 8 Wochen dauernden ähnlichen Ansatz bei Männern und
Frauen ergaben sich zwar Effekte auf andere Risikofaktoren
und eine Abnahme der Leptinspiegel, die Hcy-Werte blieben
jedoch unverändert. Bei älteren Menschen konnten innerhalb
von 17 Wochen nur durch Ernährungsintervention
mit Anheben der Vitaminspiegel aber nicht durch ein Trainingsprogramm
eine Absenkung des Plasma-Hcy bewirkt
werden.
Zusammengefasst ergibt sich aus den mehr oder weniger
kontrollierten Feldbeobachtungen kein ganz einheitliches
Bild zur Beeinflussung des Hcy durch Belastung und Training.
Moderate Belastungen von 30 bis 60 Minuten Dauer
führen akut offenbar nicht zur Beeinflussung des Methionin-
Homocystein-Zyklus, was angesichts der auch sonst metabolisch
und hormonell geringen Konsequenzen kaum zu erwarten
ist. Sehr intensive kurze oder zu extensive Belastungen
und Trainingsformen scheinen aber zum Anstieg der
Plasma-Hcy-Spiegel zu führen, wobei jedoch die Risikobereiche
von > 14 µmol/l nicht erreicht werden. Die Auswirkungen
akuter intensiver oder extensiver BeIastungen haben
ihren Grund im Einfluss auf den Aminostoffwechsel. Bei
hochintensiver Belastung wird die Ammoniakproduktion infolge
der Myokinase-Reaktion gefolgt von der Aktivierung
des Purin-Nukleotid-Zyklus und es dürften auch die Kreatin-
Synthese und der Harnstoffzyklus verstärkt aktiviert werden,
während bei konsumierenden Ausdauerbelastungen mit dem
Verlust des glukoplastischen Serins der Homocystein-Stoffwechsel
direkt beeinträchtigt wird.
Moderates Ausdauer- oder Kraft-Training beeinflussen
offenbar das PlasmaHcy nicht oder wirken senkend, wobei
anscheinend eine adäquate Zufuhr von Folsäure und B-Vitaminen
erforderlich ist. Die unterschiedlichen Befunde der
einzelnen Studien dürften begründet sein in zu hoher Trainingsintensität
oder in der Trainingsdauer, wobei es
vorübergehend auch zu Anstiegen kommen kann, nach 8
Wochen oder 17 Wochen noch
kein Effekt und erst nach 6 Monaten ein absenkender Effekt
auf die Hcy-Plasmaspiegel eintritt. Erst längerfristige
permanente Beanspruchungen der Stoffwechselwege sind
offenbar in der Lage, die notwendigen Anpassungen der vielen
am Homocysteinstoffwechsel beteiligten Enzyme in allen
daran beteiligten Organen herbeizuführen, um die Befunde
niedrigerer Homocysteinspiegel bei aktiveren Menschen
zu erklären. Ob die Hypoxie in oben zitierter
Untersuchung von Bailey et al hierbei verstärkend wirkt,
bleibt spekulativ."
jeckyll