Nun steht das nächste Buch, das zu einer „Bibel“ wird, in der Reihe. Es handelt sich um Campbells China Study. T. Colin Campbell und sein Sohn haben über mehrere Jahre in China Daten zum Ernährungsverhalten der dortigen Bevölkerung und ihren Gesundheitszustand gesammelt, um daraus Rückschlüsse auf die gesündeste Ernährungsweise ziehen zu können. Dieses Buch wird nun mit einer erstaunlichen Reflexhaftigkeit – ohne dass die meisten der Adepten einen Blick hineingeworfen hätten – in bestimmten Kreisen zum fünften Evangelium erklärt. Andererseits nimmt es auch nicht wunder, betrachtet man diese Kreise näher. Es ist vordergründig die Esoterik-Fraktion unter den Veganern – Homöopathie, „Impfkritik“, Ernährungslehren und das Modewort „Ganzheitlichkeit“ sind nur einige ihrer Merkmale. Passend dazu ist die deutsche Übersetzung im verlag systemische medizin erschienen, der hauptsächlich Esoterik-Literatur vertreibt. Auch die deutsche Aktionsseite zum Buch (diechinastudy.de) weist ähnlich geartete Links auf.
Es spräche nichts dagegen, dieses Buch zur Lektüre zu empfehlen. Doch die Art und Weise, wie diese Empfehlung von einigen betrieben wird, erinnert eben doch an quasireligiöse Verkündigung. Eine kritische Reflexion findet nicht statt, obwohl gerade im Bereich Ernährungswissenschaft die einzige Konstante ist, dass fast keine definitiven Aussagen möglich sind. Dennoch werden Campbells Behauptungen unhinterfragt als offenbarte Wahrheit dargestellt.
Dabei wäre von jedem zu erwarten, dass er imstande ist, Aussagen kritisch zu lesen. Es ist zudem nicht schwierig, fachliche Kritik zu finden, wenn man meint, das eigene Fachwissen reiche nicht für eine kritische Beurteilung. Natürlich ist nicht jede Kritik an Campbell fraglos berechtigt. Sie stammt auch aus ähnlich vorurteilsbehafteten und vor Ideologie blinden Personen und Organisationen, von denen die Weston A. Price Foundation nur die bekannteste ist (sie propagiert, möglichst viele unverarbeitete Tierprodukte zu essen). Doch gibt es auch glaubwürdige Kritiker wie auf sciencebasedmedicine.org oder in privaten Blogs, die trotz aller inhaltlichen Kritik Campbells Untersuchung als wichtigen Beitrag zur Diskussion würdigen.