Thema DEHNEN: Fakten und Myten
hallo herb,
deine "verkürzung" ist primär eine funktionelle deiner ischiocruralen muskulatur (hamstrings).
da ich dabei bin, dieses thema demnächst auf meiner hp zu präsentieren, hier vorweg folgende info (an dieser stelle danke ich v.a. dem "mentor" dieses forums, thomas markmann, der das wesentliche bereits im forum veröffentlicht hat - siehe archiv):
WAS IST DRAN AM DEHNEN (STRETCHING) ?
Fakten und Mythen:winke:
Fast alle machen es und kaum jemand weiß, warum eigentlich. Die Rede ist vom Dehnen, welches nach allgemeinem Verständnis ein fester Bestandteil des Trainings sein muss. Immer häufiger wird aber gerade in letzter Zeit das Dehnen in Frage gestellt und sogar auf ein mögliches Verletzungsrisiko durch Dehnen unmittelbar vor oder nach einer Trainingseinheit hingewiesen (siehe unten). Dehnen oder nicht dehnen, fragt sich der Sportler.
Beim Dehnen muss man unterscheiden zwischen kurzfristigen und langfristigen Effekten. Unmittelbar nach dem Dehnen steigt die Gelenkreichweite messbar. Dies ist aber vorwiegend auf eine höhere Spannungstoleranz und nicht etwa auf bestimmte Veränderungen im Muskel zurückzuführen. Bei intensiven Dehnprozeduren kommt es zu enormen mechanischen Spannungen im Muskel, die alleine schon Muskelkater (=DOMS: delayed onset muscle soreness) bewirken oder verstärken können. Zusätzlich konnten Untersuchungen von WIEMANN und KLEE zeigen, dass Schnellkraftleistungen unmittelbar nach statischem (also gehaltenem) Dehnen schlechter sind (und zudem ein DOMS provoziert wird).
Zusammenfassend schützt Dehnen unmittelbar vor sportlichen Leistungen nicht vor Verletzungen, sondern begünstigt sie.
Ein nicht allzu intensives dynamisches (also federndes) Dehnen in der Übungsvorbereitung zur Vergrößerung der Flexibilität und zum Absenken der passiven Muskelspannung ist vertretbar. Intensives Dehnen sollte nur vor Trainingseinheiten in Sportarten stattfinden, in denen die Beweglichkeit mitunter leistungsbestimmend ist, etwa beim Turnen, Kampfsport oder Hürdenlauf. Nicht nur vor, auch nach einem Krafttraining sollte intensives statisches Dehnen vermieden werden, da trainingsbedingte kleinste Verletzungen (Mikrotraumen innerhalb der Muskelfaser aufgrund exzentrischer Muskelarbeit verstärkt und somit Muskelkater (DOMS) provoziert wird. Das gilt übrigens auch für das Bergablaufen (KOLLER et al)
Der Stand der Dehnforschung ist nicht so einfach darzulegen, da sicherlich noch nicht alle Fragen geklärt sind. Aber ein paar Mythen kann man entkräften:
Dehnen als Verletzungsprophylaxe ist ein fake. Stellt sich die Frage, wann ein Dehntraining schädlich sein kann. Wenn man sehr intensiv und lange dehnt, kommt es zum Creeping-Phänomen und die Gelenkstiffness nimmt ab. Dadurch ist eine gewisse Verletzungsgefahr gegeben.
“Muskelverkürzung“:
Die Länge eines Muskels per se ist immer gleich. Die Vorstellung, ein Muskel verkürzt, wenn er nicht gedehnt wird, ist plausibel, aber überholt. Eine Verkürzung ist funktionell zu betrachten, d.h. wenn ein Muskel seine optimale Kraftentfaltung in einem kleineren Winkel hat, als er sollte, kann man von einer Verkürzung sprechen. Angezeigt ist es dann, den Muskel über möglichst große Amplituden arbeiten zu lassen und seinen Gegenspieler zu kräftigen. Damit wird auch wieder ein Gleichgewicht in den Ruhespannungen auf beiden Seiten hergestellt.
Durch Dehnen wird der Muskel nicht strukturell länger (auch nicht schlanker - auch ein verbreiteter Mythos), dennoch kann die Beweglichkeit erhöht werden. In der Prävention und Rehabilitation ist das ein wichtiges Argument fürs Dehnen. Im Gesundheitssport kann man deshalb ruhig dehnen und kräftigen in einer Trainingseinheit.
Beim Dehnen gibt es eine Spannung auf die Muskulatur. Ist die Spannung hoch, kann damit sogar ein hypertrophiewirksamer Reiz erzielt werden. Nach intensivem Ausdauertraining (Laufen), bei dem es auch zu kleinsten Verletzungen (Microtraumen durch exzentrische Belastung) im Muskel kommt, ist Dehnen als zusätzliche mechanische Beanspruchung sicher nicht angebracht. Wer exzentrisches Krafttraining oder IK-Training (Training der intramuskulären Koordination) macht, sollte Dehnübungen auf einen anderen Tag verschieben. Im Gesundheitssport sind die Beanspruchungen niedriger. Meistens nehmen sich die Leute nur an zwei oder drei Tagen Zeit für‘s Training und verbinden damit in der Regel auch das Dehntraining.
Fazit:
Im Gesundheitssport ist Dehnen wichtig und sollte deshalb regelmäßig durchgeführt werden, um die Beweglichkeit zu erhalten bzw. zu steigern.
Muskuläre Dysbalancen können mit Dehnen nicht korrigiert werden. Hiefür ist ein Krafttraining vor allem der Antagonisten mit großen Bewegungsreichweiten zweckmäßiger.
Verletzungsprophylxe ist durch Dehnung nicht möglich.
Wer exzentrisch oder mit sehr hohen Bewegungsgeschwindigkeiten oder Lasten trainiert, sollte nicht unmittelbar nach dem Training dehnen, sondern sich ein eigenes Dehntraining einrichten.
Dipl. SportlehrerThomas Markmann, Sportwissenschaftler
Dr. Kurt A. Moosburger
LINKS:
http://www.verwaltung.uni-wuppertal.de/presse/output/okt98/stretching.html
http://w3.uni-wuppertal.de/www/FB3/sport/bewegungslehre/wiemann/mukade.PDF
http://www.philippka.de/zeitschriften/lsp/probe/Aufwaermen.pdf
Pressemeldungen zu einer kürzlich veröffentlichten Studie im Britisch Medical Journal
(BMJ; 2002: 325: 468–470):
Stretching hilft nicht gegen Muskelkater
LONDON. Stretchen vor oder nach dem Sport verhindert nicht den Muskelkater und ist als Prävention für Verletzungen wirkungslos, so Rob Herbert, School of Physiotherapy, Universität Sydney, Australien (BMJ; 2002: 325: 468–470). Als Datengrundlage für ihre Erhebung verwendeten die Autoren fünf Studien mit insgesamt 77 Probanden. Drei Studien untersuchten den Effekt des Stretchens nach Durchführung von Übungen, zwei Studien bewerteten die Wirkung vor sportlichen Betätigungen.
Alle Studien zeigten, dass die Schmerzreduktion durch Stretchen minimal ist. Herbert et al. stellten zudem fest, dass auch das Verletzungsrisiko durch Stretchen nicht sinkt. Zwei Studien - die Probanden waren durchtrainierte Rekruten – ergaben, dass kontinuierliches Stretchen nur eine Verletzung innnerhalb von 23 Jahren verhindern würde.
Da die meisten Sportler ein weit geringeres Verletzungsrisiko haben, wäre die protektive Wirkung des Stretchens für sie noch geringer, schlussfolgern die Autoren. Die Ergebnisse stehen im krassen Gegensatz zur allgemeinen Praxis und werden deshalb Anlass fürVeränderungen sein, heißt es in einem begleitenden Editorial im BMJ. /et
Dehnübungen als Zeitverschwendung?
Britische Studie: Weder das Risiko von Verletzungen noch das von Muskelschmerzen werde verringert
(London) Wer vor dem Joggen die Ferse an das Gesäß zieht oder mit anderen Dehnübungen seinen Körper fit für Leibesübungen machen will, verringert einer Studie zufolge keineswegs das Verletzungsrisiko.
Das "British Medical Journal" veröffentlichte eine Untersuchung, wonach Dehnübungen vor oder nach dem Sport mit Blick auf die Gesundheit eine reine Zeitverschwendung sind. Australische Wissenschaftler seien nach der Analyse fünf bestehender Studien zu dem Schluss gekommen, dass Dehnübungen weder das Risiko von Verletzungen noch von Muskelschmerzen verringern. Der Nutzen sei so gering, dass sich die Sportler die Mühe schenken könnten, hieß es.
Dem Bericht zufolge analysierten die Wissenschaftler unter anderem den Sinn von Dehnübungen bei der Ausbildung von Armee-Rekruten, die als besondere Risikogruppe gelten würden. Dabei seien sie zu dem Schluss gekommen, dass durch das "Warmmachen" im Durchschnitt gerademal eine Verletzung in 23 Jahren vermieden werde. (Reuters)
gruß, kurt