Vitamin E u. Vitaminsupplementation allgemein
hallo sascha,
bei chronischer polyarthritis macht eine vitamin E-supplementation sinn, beim gesunden aber nicht.
erst vorgestern hab ich für die "ärzte-krone" folgende fragen beantwortet, ich darf sie zitieren:
1. Wie beurteilen Sie die aktuelle Datenlage zum Risiko und Nutzen einer Supplementation von Vitamin C, E und A?
Zu Vitamin C: Sowohl die Epidemiologie (Kohortenstudien und Fall-Kontroll-Studien) als auch biokinetische Untersuchungen legen nahe, dass im Bereich der Primärprävention von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen eine Menge von etwa 150-200 mg pro Tag "optimal" sein dürfte. Diese Dosis ist mit einer Obst- und Gemüse-reichen Ernährung problemlos realisierbar. Für die immer wieder geäußerte Behauptung, "je mehr Vitamin C, desto besser" und die damit in Verbindung stehende Supplemenmtierung von Megadosen Vitamin C (Grammbereich) existieren keine Daten, die ein solches Unterfangen rechtfertigen. Allerdings ist Vitamin C eine vergleichsweise untoxische Substanz, so dass auch die Einnahme von 1000 mg/Tag langfristig bei Gesunden unproblematisch zu sein scheint - sieht man einmal von einer möglichen leicht laxierenden Wirkung ab. Im Bereich der Sekundärprävention ist die Sache schon schwieriger zu beantworten. Einige klinische Studien bei Hochrisikopatienten (Dialyse-/Transplantation) mit intermediären Endpunkten (z.B. Zunahme der Intima-Dicke bei Patienten mit KHK) deuten auf einen möglichen Nutzen einer Vitamin-C-Supplementierung (etwa 300-500 mg/Tag in Kombination mit Vitamin E) hin. Allerdings zeigt die Mehrzahl der Interventionsstudien - ähnlich wie bei Vitamin E - keinen Nutzen, wenn klinische Endpunkte beachtet werden.
Zu Vitamin E und A: Auch hier korreliert eine Vitamin-E- und Beta-Carotin-reiche Ernährung mit einer geringen Inzidenz an KHK und Krebs. Verschiedene prospektive Kohortenstudien zeigen auch einen zusätzlichen Schutzeffekt bei Personen, die langjährig Vitamin-E-Supplemente eingenommen haben. Diese Studien werden gerne zitiert, um den Nutzen von Vitamin-E-Supplementen zu "belegen". Allerdings handelt es sich dabei eben nicht um Interventions- sondern um Beobachtungsstudien, sodass unklar ist, ob die Verwender der Vitamin-E-Präparate nicht insgesamt einen gesünderen Lebensstil aufweisen und die Einnahme der Vitamin-Präparate nur ein Indikator für einen gesunden Lebensstil ist. Tatsächlich sind die Interventionsstudien - mit Ausnahme weniger Einzelstudien - überaus enttäuschend. Aufgrund dieser Daten ist "der Fall" Vitamin E nicht abschließend geklärt. Zwar fangen einige Forscher bereits an, die Antioxidantienhypothese zu Grabe zu tragen, die Mehrzahl ist jedoch der Meinung, das Kind nicht gleich mit dem Bade auszuschütten. Kurzum: Es muss geklärt werden, ob die eingesetzten Vitamin-Dosen, die Vitamin-E-Verbindungen und vor allem die Interventionsszeit "richtig" gewählt wurden. Deshalb laufen gerade verschiedene große Studien, die diese Fragen klären sollen.
2. Wem ist eine Vitamin-Supplementation aus medizinischen Gründen zu empfehlen?
Eine Antioxidantien-Supplementierung als physiologisch dosiertes Multivitamin- und Multimineral-Präparat (sprich die typischen "A bisZ"-Formulierungen) kann theoretisch jedem empfohlen werden, aber das ist eine pragmatische Empfehlung und keine evidenzbasierte. Ich persönlich tue das nicht, sondern plädiere für eine ausgewogene Ernährung, mit der man grundsätzlich den gesamten Mikronährstoffbedarf decken kann. Argumente wie "ausgelaugte Böden" usw. entbehren jeglicher Grundlage. Aber es ist unbestritten, dass sich viele Menschen nicht optimal ernähren. Probleme kann es vor allem mit Jod geben, ebenso mit Folsäure und im Winter auch mit Vitamin D. Eine "A bis Z-Pille" am Tag hat vermutlich für viele Menschen einen Nutzen, sicherlich aber für praktisch niemand einen Schaden. Unsinnig ist jedenfalls bei Gesunden die Einnahme einzelner hochdosierter Vitamin-E oder Vitamin-C-Präparate.
Medizinisch sinnvoll - im Sinne einer adjuvanten Therapie - ist die Gabe von Vitamin E (100-200 mg/Tag), Vitamin C (etwa 200-400 mg/Tag) und Selen (etwa 150 µg/Tag) bei Patienten mit chronischer Polyarthritis. Auch bei Patienten mit einer fortgeschrittenen pAVK ist ein Versuch mit Vitamin E zu erwägen. Bei KHK und Diabetes mellitus wird die adjuvante Supplementierung bislang von allen Fachgremien abgelehnt. Aber die Einnahme einer "A bis Z-Pille" könnte auch hier sinnvoll sein.
3. Wem ist von einer Vitamin-Supplementation dezidiert abzuraten?
Bei Rauchern Hände weg von hochdosierten Beta-Carotin-Präparaten, bei Diabetikern keine langfristen Dosen Vitamin-C- im Bereich von 300 mg/Tag, bei Krebspatienten unter Chemotherapie Hände weg von Megadosen an Antioxidanzien, da diese möglicherweise die Wirkung der Chemotherapie abschwächen. Generell: Hände weg von Vitamin E-Präparaten mit mehr als 300 mg TÄ/d (UL-Wert). Auch eine kürzlich publizierte Meta-Analyse unterstreicht, dass dieser Wert langfristig nicht überschritten werden sollte.
4. Welche Dosisempfehlungen können für Vitamin C, Vitamin E und Vitamin A derzeit gegeben werden?
Vitamin C: 150-200 mg/Tag; Vitamin E: etwa 30 mg/Tag; Beta-Carotin: 2-4 mg/Tag. Aber wie schon gesagt, das alles ist mit der Ernährung im Sinne einer ausgewogenen Mischkost zu realisieren. Eine antioxidantienreiche Ernährung - ausreichend Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse, ergänzt um Fisch, Milchprodukte und mageres Fleisch - macht die zusätzliche Einnahme von ACE-Präparaten überflüssig. Wenn Antioxidantien therapeutisch eingesetzt werden sollen, dann immer in Kombination (also nie nur Vitamin E oder C). Ich will es bewusst provokant so ausdrücken: Wer sich gesund fühlt, körperlich fit und nicht überdurchschnittlich infektanfällig ist, braucht sich keine Gedanken über die Qualität seiner Ernährung zu machen. Eigentlich ist Ernährung ja etwas Banales. Sie wird nur allzu gern von gewissen Kreisen und Pseudoexperten zu einer "Religion" gemacht.
5. Halten sie eine Verschreibungspflicht für Vitaminpräparate für sinnvoll?
Das hängt von der Dosis ab. Generell eher nein, da Vitamine im Allgemeinen vergleichsweise untoxisch sind. Sicher gilt auch hier der Satz des Paracelsus "Allein die Dosis macht, dass ein Ding zu Gift wird". Aber solange man z.B. Aspirin ohne Rezept erhält, sollte man auch Vitamin-Präparate frei verkaufen dürfen. Wichtig wäre hier die gesetzliche Etablierung von sinnvollen Höchstmengen, die die einzelnen Präparate nicht überschreiten dürfen.
natürlich mussten meine antworten gekürzt werden. hier die fassung, wie sie in der nächsten "ärzte-krone" erscheinen wird:
1. Wie beurteilen Sie die aktuelle Datenlage zum Risiko und Nutzen einer Supplementation von Vitamin C, E und A?
In der Primärprävention (Herz-Kreislauf-, Krebserkrankungen) dürften 150-200 mg Vitamin C pro Tag "optimal" sein. Eine solche Dosis ist mit ausreichend Obst und Gemüse problemlos realisierbar. In der Sekundärprävention ist wie bei Vitamin E bezüglich klinischer Endpunkte kein Nutzen nachgewiesen.
Eine Vitamin-E- und Beta-Carotin-reiche Ernährung korreliert in Beobachtungsstudien mit einer geringeren Inzidenz an KHK und Krebs. Vitamin E-Interventionsstudien waren enttäuschend.
2. Wem ist eine Vitamin-Supplementation aus medizinischen Gründen zu empfehlen?
Ein physiologisch dosiertes Multivitamin- und Multimineral-Präparat kann theoretisch jedem empfohlen werden. Ich plädiere allerdings für eine ausgewogene Ernährung. Unsinnig ist bei Gesunden die Einnahme einzelner hochdosierter Vitamin-E- oder -C-Präparate.
Medizinisch sinnvoll ist Vitamin E (100-200 mg/Tag), Vitamin C (etwa 200-400 mg/Tag) und Selen (ca. 150 µg/Tag) bei chronischer Polyarthritis, bei fortgeschrittener pAVK eventuell Vitamin E und bei KHK und Diabetes mellitus eventuell eine "A bis Z-Pille".
3. Wem ist von einer Vitamin-Supplementation dezidiert abzuraten?
Bei Rauchern Hände weg von hochdosierten Beta-Carotin-Präparaten, bei Diabetikern keine langfristen Dosen Vitamin-C- im Bereich von 300 mg/Tag, bei Krebspatienten unter Chemotherapie Hände weg von Megadosen an Antioxidanzien (Abschwächung der Wirkung der Chemotherapie möglich). Generell: Hände weg von Vitamin E-Präparaten mit >300 mg TÄ/d (UL-Wert).
4. Welche Dosisempfehlungen können für Vitamin C, Vitamin E und Vitamin A derzeit gegeben werden?
Vitamin C: 150-200 mg/Tag; Vitamin E: etwa 30 mg/Tag; Beta-Carotin: 2-4 mg/Tag. Das ist aber alles mit ausgewogener Mischkost zu realisieren, was die zusätzliche Einnahme von ACE-Präparaten überflüssig macht. Eigentlich ist Ernährung ja etwas Banales. Sie wird nur allzu gern von gewissen Kreisen und Pseudoexperten zu einer "Religion" gemacht. Therapeutisch sollten Antioxidantien immer in Kombination eingesetzt werden.
5. Halten sie eine Verschreibungspflicht für Vitaminpräparate für sinnvoll?
Eher nein, da Vitamine im Allgemeinen vergleichsweise untoxisch sind. Solange man z.B. Aspirin ohne Rezept erhält, sollte man auch Vitamin-Präparate frei verkaufen dürfen. Wichtig wäre hier die gesetzliche Etablierung von sinnvollen Höchstmengen, die die einzelnen Präparate nicht überschreiten dürfen.
fairerweise muss ich noch sagen, dass ich mich mit einem befreundeten und sehr kompetenten ernährungsphysiologen "abgesprochen" habe. er ist an der uni hannover (institut für lebensmittelwissenschaft, zentrum für angewandte chemie, abt. ernährungsphysiologie und humanernährung, wunstorferstr. 14, D-30453 hannover)
gruß, kurt