Mythos Nüchternlauf ...
Marsupilami schrieb:
Hi, ich gehe 3mal die Woche morgens vor dem Frühstück joggen. Nun habe ich gelesen, dass solche Nüchternläufe schlecht sind, da man die leeren KH-Speicher etc. noch weiter in den Keller treibt und dass aus irgendwelchen Gründen somit das Training einen negativen Effekt hätte. Ist da was dran ?
Bis jetzt jogge ich eigentlich eh nur zum spass, jedoch will ich im sommer einen halbmarathon laufen, und spätestens wenn ich anfange, mich darauf vorzubereiten will ich natürlich effektiv trainieren. was meint ihr ?
danke
Hallo zusammen,
der Mythos, dass lange Ausdauer-Trainingseinheiten "effektiver" sind, kommt u.a. von wissenschaftlichen Veröffentlichen von Kuno Hottenrott. Er liess Radfahrer einmal mit und einmal ohne vorherige KH-Aufnahme im
mittleren Belastungsbereich trainieren uns hat bei den nüchternen Athleten einen höheren Anteil des Fettstoffwechsels (FSW) am gesamtem Energieverbrauch gemessen (kann man mit Atemgasanalyse machen). Das klingt auf den ersten Blick wie ein erwünschter Trainingseffekt.
Allerdings wird dabei das Pferd vom Schwanz aufgezäumt:
- der höhere FSW-Anteil kommt zwar von der KH-Restriktion, damit ist aber keineswegs bewiesen, dass dies zu einer höheren Leistungsfähigkeit beiträgt. Das Gleiche gilt für Koffein: auch hier vor allem "FSW-Anteil-Kosmetik"
- Wettkämpfe werden nicht danach entschieden, bei welchen FSW-Anteil jemand im mittleren Tempo laufen/radeln kann, sondern alleine danach, wer schneller im Ziel ist, egal bei welchem FSW-Anteil oder Laktatwert!
Man kann das mit der Drehzahl eines Motors vergleichen: ob hoch- oder niedertourig, ob Diesel oder Benziner - entscheidend ist am Ende nur die Gesamtzeit für die Rennstrecke ...
Daraus folgt:
1. Wer es schafft, nüchtern auch längere Strecken zu laufen, soll es tun. Allerdings sollte man sich keinen zusätzlichen Trainingseffekt davon versprechen. Entscheidend ist nach wie vor das Training selbst.
2. Über Nacht werden zwar nicht wenige KH verbraucht, da das Gehirn nachts nicht auf Sparflamme läuft, allerdings sind bei normaler Ernährung in der Leber genügend KH in Form von Glykogen gespeichert, um den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Die KH, die der Muskel verbraucht, sind auch in den Muskelzellen gespeichert - ebenfalls in Form von Glykogen (dieses kann aber
nicht in die Blutbahn gelangen, es sitzt dort quasi fest)
3. Das grösste "Problem" beim morgendlichen Nüchtenlauf ist der Wasserverlust über Nacht, der 0,5 - 1 Liter beträgt. Grund: Wasserdampf in der Atemluft beim Ausatmen (37 Grad warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als solche mit 15-20 Grad) und Wärmeregulation durch Schwitzen. Das dadurch eingedickte Blut ist der wichtigere Grund, nicht völlig nüchtern zu laufen/radeln. Also sollte man vor einem morgendlichen Lauf zumindest 1-2 Glas Wasser oder (dünnes!) Saftschorle trinken oder sich etwas zu trinken auf den Lauf / das Radtraining mitnehmen.
4. Der Anteil des FSW hängt zuallererst von der Mitochondrienmasse (MM) ab (das ist das Gesamtgewicht der Zellkörperchen, die für den oxidativen, also aeroben Stoffwechsel verantwortlich sind). Je grösser die MM, desto grösser auch der Anteil des FSW bei der gleichen Laufgeschwindigkeit. Die MM aber steigert man v.a. durch grosse Trainingsumfänge im aeroben Bereich, also bei einer Belastungsintensität von ca. 75-80% der sportartpezifischen maximalen Herzfrequenz (Daher auch das ach so beliebte "Kilometerfressen" der Radler bzw. "Kacheln zählen" der Schwimmer). Dagegen bringt es vergleichsweise wenig, im mythischen "Fettverbrennungsbereich" von 65-70% HFmax zu trainieren - diese Intensität sollte dem Regenerationstraining vorbehalten bleiben.
5. Grosse Trainingsumfänge, wie sie zur Marathon- und HM-Vorbereitung notwendig sind, kann man leichter absolvieren, wenn man unterwegs KH und Salz zuführt, also z.B. mit gesüsstem Tee, stark verdünntem, gezuckerten Saftschorle etc. (s. Kurts Artikel "Trinken im Sport"). Gleichzeitig gewöhnt sich der Körper dabei an die KH-Aufnahme unter Belastung, die zumindest im Marathon notwendig ist (und im HM schadet sie auch nicht, sondern trägt zur schnelleren Flüssigkeitsaufnahme bei). Wer schon im Training KH aufnimmt, kann auch im Wettkampf mehr KH aufnehmen als jemand, der nur Wasser getrunken hat!
Viele Grüsse
Ekkehard