@ Kurt: Medikamente

Hannes

Active member
im moment führe ich in einem anderen forum eine hitzige diskussion über medikamente. im speziellen psychopharmaka (antidepressiva). eine lady behauptet, dass die wirkung praktisch von der einstellung des patienten abhängt. bis jetzt hab ich noch keine hinweise darauf in der gebrauchsanweisung gefunden. wie funktioniert jetzt ein medikament? dachte einfach, dass die einnahme genügt und sich die wirkung im körper entfaltet. muss man an die wirkung glauben? antidepressiva werden ja auch bei schweren depressionen verabreicht. diese menschen glauben üblicherweise an gar nichts mehr. kurt, kannst du das mit deinen ärztekollegen in der psychiatrie abklären? wie ist das allgemein mit medikamenten? in doppelblindstudien wird ja üblicherweise die placebowirkung ausgeschlossen.

gruß, Hannes
 
Psychopharmaka

wie die meisten medikamente, entfalten auch die psychopharmaka ihre wirkung über die bindung an bestimmten rezeptoren, in diesem fall im im ZNS, vor allem an serotonin-, dopamin- und noradrenalinrezeptoren oder bei den benzos an einem bestimmten GABA-rezeptor. daneben gibt es auch die hemmung bestimmter enzyme wie die MAO, aber auch empirische erfahrungen wie im falle von lithium.
prinzipiell ich es immer günstig, wenn ein patient an die wirkung eines medikamentes glaubt oder zumindest nicht ablehnend dazu eingestellt ist. aber die pharmakodynamik ist in jedem fall gegeben. wenn z.b. ein hochdruckpatient nicht an die wirkung seines antihypertensivums glaubt, wird es trotzdem seinen blutdruck senken.
dass die psychopharmakotherapie nicht so einfach ist, musst du mir nicht sagen...

cu, kurt
 
Patienten compliance

Es ist sicherlich für die Heilung eines Menschen besser, wenn er auch mit seiner Einstellung mitmacht und "ja" zur Therapie sagt. Das verstärkt die Wirkung der Medikamente und verkürzt die Therapiedauer ganz sicher, als wenn jemand nicht will. Das gilt nicht nur für Therapien mit Psychopharmaka sondern für jede Therapie - bei Psychotherapien ohne Medikamente kann man es überhaupt gleich bleiben lassen, wenn der Klient nicht auch innerlich "ja" sagt.
Gerade bei Psychopharmaka finde ich ein gutes Gespräch und ein gutes Gesprächsklima zwischen Arzt und Patienten extrem wichtig - es ist (zumindest vorübergehend) ein Eingriff in die Persönlichkeit eines Menschen. Wenn der Mensch dann erklärt bekommt, was hier warum gegeben wird, wie es wirkt und wie es weiter geht, wird er eher Vertrauen entwickeln und auch von seiner Seite her mithelfen.
Das Schwierigste ist aber immer erst einmal die Krankheitseinsicht, ohne die braucht man gar nicht erst auf eine Patienten Compliance hoffen. Aber während die Meisten rechtzeitig zum Arzt gehen, wenn der Körper was hat, wehren sich auch die Vernünftigsten meist, RECHTZEITIG zu reagieren, wenn die Psyche "zieht".


LG
Meni
 
Re: Patienten compliance

sehe einen großen unterschied zwischen psychiatrie und der restlichen medizin. ich will die maßnahmen verstehen. bei einer verletzung ist es einfach. der arzt zeigt zb ein röntgenbild. in meinem fall war es ein bänderriss. das schlüsselbein bildete einen abstand von 2cm zur schulterhöhe. mir wurde erklärt, dass durch eine zuggurtung die bänder wieder zusammenwachsen. nach der operation konnte ich anhand des röntgenbilds erkennen, dass der gelenksspalt wieder normal war.
wie sieht es jetzt mit psychopharmaka aus? der arzt spricht von einer stoffwechselstörung im gehirn. man hat aber keinen befund dafür. es wird praktisch auf verdacht ein medikament verabreicht. die wirkung ist dann auch nicht messbar. während der ganzen behandlung wirken unendlich viel einflüsse, die keine aussage mehr über kausalität zulassen. im kleinen ist es vielleicht möglich. eine therapiestunde kann ich vielleicht beurteilen wenn ich mich danach besser fühle. eine langzeitwirkung zu evaluieren ist sicher schwer. in der psychiatrie kann man praktisch nie sagen was zur heilung führte. oft sind es eher die erlebnisse des alltags. kann mich noch erinnern wie sich ein mitpatient während des klinikaufenthalts verliebte. es ging dann sehr schnell aufwärts. medikamente hatte er schon ein halbes jahr eingenommen. aus diesem grund denke ich jetzt eher an eine "erlebnis-therapie". mich würde interessieren ob schon ein mensch, der aufgrund eines jobverlusts und existenzängsten depressiv wurde einen lottogewinn gemacht hat. sehe alles recht einfach. ein verlust kann depressiv machen. folglich müsste doch ein gewinn auch glücklich machen können. bin mir dessen sogar sicher. das problem unserer gesellschaft ist, dass wir immer weniger andere gewinnen lassen. wie oft spenden wir aufmunternde worte? wie oft sagen wir, dass ein anderer mensch nicht in ordnung ist und zwingen ihn zu einem veränderten verhalten was er gar nicht will? wie oft nehmen wir anderen unbewußt die freude? wie oft nehmen wir uns heraus den wert eines menschens zu beurteilen? wie oft maßen wir uns an dem anderen einen spiegel vorzuhalten oder jemaden zu sagen wie er zu leben hat? brauchen wir nicht alle gute freunde, die nicht berechnend sind? therapeuten sind leider auch berechnend.

gruß, Hannes
 
Re: Patienten compliance

"Geld allein macht nicht glücklich", sagt der Volksmund (dürfte also evidence-based sein). Daher glaube ich nicht, dass ein Lottogewinn eine Behandlung mit Psychopharmaka ersetzen kann (sicher: unterstützend wirkt ein Lottogewinn in allen Lebenslagen :)).

Dass es gerade bei der Patientencompliance auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ankommt, zeigen gerade die letzten Sätze eines mE sehr guten Artikels nachdrücklich.

Uwe
 
wenn jemand....

probleme mit einem spiegel hat,dann hat er probleme mit sich selber...
ich seh im spiegel jemand mit stärken und schwächen,aber im grossen und ganzen is das bild ok....also absolut kein grund,nicht hineinzusehn.
warum sollten wir andere nicht beurteilen? beurteilen heisst ja nicht verurteilen!wenn mir jemand nicht gefällt,geb ich mich halt einfach nicht mit ihm ab....whats the problem???
mir wär nicht aufgefallen,das hier im forum jemand den "wert" eines anderen menschen beurteilt hat,aber selbst wenn,was solls,was dem einen wertlos erscheint kann ein anderer sehr schätzen...again,whats the problem?
inwiefern kann mich jemand zu einem anderen verhalten zwingen,indem er mir sagt,das seiner ansicht nach mit mir etwas nicht in ordnung is???wenn ich jemand ernst nehm,denk ich über seine kritik nach und wenn ich feststell das er recht hat,werd ich versuchen was zu ändern(oder auch nicht,wenns meinen persönlichen interessen widerspricht...sowas wird von fall zu fall entschieden..aber von mir!)
du scheinst mit unserer gesellschafft nicht sehr zufrieden zu sein....ich seh das etwas anders.gibt etliches das man verbessern sollte,aber im grossen und ganzen haben wir zumindest in mitteleuropa keinen grund zur klage...bezogen auf erwachsene trifft doch meist der spruch zu:jeder kriegt,was er verdient....
cheers,klaus
 
was man sich verdient

ob jeder das kriegt was er verdient weiß ich eigentlich nicht. verdient es jemand krebs zu bekommen oder sonst eine unheilbare krankheit? verdient es jemand im job gemobbt zu werden obwohl er immer hilfsbereit war? zähle mich schon zu den kritischen menschen unserer gesellschaft. vieles ist eben nicht in ordnung. sehe auch massiv den verlust des mitgefühls. wenn man davon ausgeht, dass depressionen bald die herzerkrankungen in der statistik ablösen werden dann kann man wohl davon ausgehen, dass auch in mitteleuropa nicht alles in ordnung ist. aber vielleicht verdient man sich auch in deinen augen eine depression. möchte dir noch sagen, dass man schon in den ersten jahren keine freie entscheidung hat. oder hast du dir deine eltern und deine erziehung ausgesucht? kennst du die vergangenheit der vielen psychisch kranken menschen? oft beginnt es schon in der kindheit. glaubst du eine frau hat noch viele chancen auf eine glückliche sexualität oder partnerschaft wenn sie über jahre von ihrem vater vergewaltigt wurde? hat sich ein mädchen das verdient?

gruß, Hannes
 
Re: was man sich verdient

für krebs u.ä kannst du ja nicht unsere gesellschafft verantwortlich machen(zumindest nicht im direkten sinn),hat es immer gegeben,wird es immer geben...fällt für mich unter schicksal...
statistik:halt nicht soviel von statistik....da könnte zb einfach jemand hergehen und vom immer höheren verbrauch von happy-pills auf eine höhere anzahl depressiver menschen schliessen...was nicht unbedingt richtig sein muss.
wann hab ich gesagt,das sich jemand eine krankheit verdient??
eltern,erziehung:das wir uns unsere eltern nicht aussuchen können is kein phänomen unserer geselllschaft. unsere erziehung prägt uns sicher sehr stark,sollte uns aber nicht daran hindern,unseren eigenen weg zu gehen. ich hab ein sehr gutes verhältniss zu meinen eltern,aber mein leben unterscheidet sich erheblich von ihrem....
ich hab nie gesagt,unsere gesellschafft wär perfekt, und auch "meist" im zusammenhang mit:jeder kriegt was er verdient!
was mich stört is einfach die tatsache,das viele,wenn etwas daneben geht der gesellschafft die schuld geben(eigenartigerweise tun sie das nie,wenn was gut klappt...dann haben sie die sache selber genial hingekriegt:)) und die möglichkeit,das sie scheisse gebaut haben nicht einmal in betracht ziehen....
cheers,klaus
 
Re: was man sich verdient

bin nur auf deine aussage "man bekommt was man verdient" eingegangen. hatte was krebs betrifft nichts mit der gesellschaft zu tun.

für psychische erkrankungen mach ich zum teil schon die gesellschaft verantwortlich. man könnte natürlich sagen, dass die wirtschaftslage daran schuld ist. wenn man es sich näher ansieht ist es eher die gesellschaft mit ihren werten. im speziellen ist es die gier.

ein unternehmen notiert an der börse. es gibt shareholders, die profite machen wollen. natürlich mehr als am sparbuch. sinken nun die gewinne dann fällt der kurs. das unternehmen reagiert sofort und baut arbeitsplätze ab.

alles läuft auf gewinnoptimierung. das geht einfach auf kosten der schwächeren. wenn die kluft zwischen arm und reich ansteigt, dann steigt auch die kriminalität. man braucht doch nur nach amerika schauen.

bin halt sozial eingestellt und finde es nicht richtig wenn die schwächeren ins out befördert werden.

dieser trend zeichnet sich aber ab. und das ist doch die gesellschaft.

gruß, Hannes
 
Re: Psychopharmaka

Alle Achtung Kurt, Zustimmung.

vielleicht mal etwas einfacher mit Beispielen: Es ist schon so, daß bei vielen Dingen auch ein besserer Effekt da ist, wenn der Patient mitarbeitet und dran glaubt. Genauso gibt es aber viele Dinge, die man "einwirft" oder einspritzt.. und die Wirkung unabhängig vom Willen das Patienten eintritt. Das wäre auch schlimm, wenn ein Neuroleptikum bei Angststörungen wie Fluphenazin oder ein Benzo wie Alprazolam nur wirken würde, wenn der Patient dran glaubt! Also Hannes - Spritze rein und ab geht die Post und der sich wehrende, durchgedrehte Patient wird zahm wie ein Lamm.
Genauso sieht es doch bei den Schmerzmitteln, bei den Schlafmitteln und anderen Gruppen aus. Oder glaubst du, daß die Massage-Dame (besser N.), die dir ein Dummdumm-Pillchen verordnet, damit sie deine Geldbörse entleeren kann, lange Zeit hat zu warten? Bei vielen psychischen Mittelchen siehst du auch die Wirkung an den Nebenwirkungen, wenn du es zu viel und zu schnell aufdosierst. Zuviel an SRI bringt dich z.B. massiv zur Nausea (zum K./übel werden).

MFG Siggi
 
Zurück
Oben