Lieber Joker
Sozialneid ist nichts schlechtes, sondern schlicht gegeben. Ich muss dich sicherlich nicht darüber belehren, zu welchem Zweck Gefühle evolutionär gesehen geschaffen wurden. Diesen Zweck erfüllen sie auch noch heute, namentlich ist es doch der NEID, der uns (nicht zwangsläufig als Individuum, aber als Gesellschaft) antreibt. Wenn die Möglichkeit gegeben ist, sich zu verwirklichen, wirkt sich meiner Meinung nach Neid sehr positiv aus. Fehlt diese Möglichkeit (starre Strukturen, etc.), entsteht frustrationsbedingt diese Haltung, die du bemängelst. Verwechsele also bitte nichts.
Was du im übrigen unter verfehlter Sozialpolitik verstehst, wird mir weiterhin nicht ganz klar. Betrachte ich die Welt, sehe ich kein "Zuviel". Ich sehe das Leid und unsere Machtlosigkeit - und das macht mich krank. Meiner Meinung nach sind wir alle gleich - das mein ich wie ich es sage. Ob Bettler in Ägypten oder Bill Gates, alle verdienen den gleichen Respekt und die gleiche Behandlung.
Ich will damit nicht unbedingt sagen, dass wir nicht Schmiede unseres eigenen Schicksals sind. Das ist sicherlich der Fall, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Soziale Herkunft und (eingeschränkt) auch Gesundheit sind beispielsweise zufallsgegeben und nicht beeinflussbar. Ich denke dabei aber auf einer anderen Ebene: Gewissermassen sind Fähigkeiten und Charakterzüge auch gegeben. Jemand, der nicht lesen lernen kann, ist nicht «schuld» (>Neurobiologie). Genauso wenig, wie jeder andere der «versagt» hat. [Im übrigen bin ich immer noch fasziniert von diesem «Geist-Gehirn-Dualismus», oder wie man das nennen mag.]
Aber zurück zum Thema. Ich finde beispielsweise schon, dass ein Azubi ein Anrecht auf Wegentschädigung hat – zumal die höheren Angestellten Wegentschädigung erhalten. Dabei hätte es ein Azubi bei seinem bescheidenen Gehalt einiges nötiger.
Und zum Thema Milliardäre sag ich nur soviel: Keiner hat in seinem ganzen Leben soviel geleistet, dass das erworbene Vermögen der Leistung „gerecht“ wäre. Vielmehr war sein Erfolg auch von Zufall geprägt. Die Summe von (im Nachhinein gesehen) richtigen Entscheidungen, hat sein Unternehmen zum Erfolg gebracht. Die Folgen dieser Entscheidungen waren aufgrund der damit verbundenen Komplexitität nicht in vollen Umfang vorhersehbar. Der Erfolg somit letztendlich ein Produkt von Zufall.
Häufig kommt zum Zufall noch eine andere Komponente hinzu, die ein Unternehmen erfolgreich macht. Je unfairer man zur Konkurrenz ist, je mehr Leute man über den Tisch zieht und je stärker man den Arbeiter ausbeutet, desto grösser ist der Wettbewerbsvorteil. Ich hatte bisher das Vergnügen, zwei (jetzt erfolgreichen) KMUs bei der Gründung und in den ersten Jahren über die Schultern zu schauen. Was ich gesehen habe waren (kein Anspruch auf Vollständigkeit): Schwarzarbeit, unlauterer Wettbewerb, Bestechung, Steuerhinterzug, Abwerben von Kunden des vorherigen Arbeitgebers und Betrug in mehreren Fällen. Und das ist nur das, was ICH weiss... Aber ich schweife schon wieder ab.
Jedenfalls ist in meinen Augen ein solcher Reichtum nicht gerechtfertigt und stellt ein
Verbrechen an der Menschlichkeit dar, wenn man die Ungerechtigkeit auf dieser Welt ansieht. Ich denke da vor Allem an das Nord-Süd-Gefälle. Beispiel: 95% Prozent alle HIV-Infizierter können sich die Medikamente nicht leisten und die Budgets für die Prävention sollten auch dringend verdoppelt werden. Ich denke, die Zahlen sind bekannt, der Welt-Aids-Tag ist ja erst kürzlich gewesen. Ich höre an der Stelle auf, weiter auf unsere Superreichen einzugehen, ich will mich nicht strafbar machen.
Gute Nacht
Daniel