Hier ein Interview

Rainer

New member
zum Film "Super size me"

Original unter: http://www.taz.de/pt/2004/07/12/a0142.nf/text

"Redefreiheit? Nonsens!"
Am Donnerstag läuft "Super Size Me" an, ein dokumentarischer Selbstversuch mit McDonalds-Verköstigung dreimal täglich. Regisseur Morgan Spurlock (33) über den Film und seine Folgen
INTERVIEW ARNO FRANK
taz: Mister Spurlock, was haben Sie denn heute Morgen gefrühstückt?

Morgan Spurlock: Brot und Käse, Orangensaft und Kaffee. Und Croissants, weil die hier viel besser sind als in den Staaten.

Kaffee? Keine Sorgen wegen des Koffeins?

In der Regel trinke ich morgens eine Tasse, und das wars dann. Auf dieser Reise trinke ich allerdings viel mehr davon, weil ich so viel zu tun habe. Vor allem in Paris, wo es diesen köstlichen Espresso gab.

Ihr Film "Super Size Me" hat in den USA zeitweilig sogar Blockbuster wie "Shrek II" abgehängt. Haben Sie mit einem so großen Erfolg gerechnet?

Ich wusste schon, dass es groß werden würde. Aber nicht so groß, nein. Nachdem er auf dem Sundance-Filmfestival gezeigt wurde, ist er aber förmlich explodiert.

Ich bekam beim Zuschauen erstmal Appetit auf einen richtigen Cheeseburger.

Es gibt zwei verschiedene Reaktionen auf den Film. Das erste Lager sagt: Ich werde nie wieder in meinem Leben einen Hamburger anrühren. Das andere sagt: ich will ihn sofort. Ich selbst mag immer noch Cheeseburger, aber gute Cheeseburger kommen eben nicht aus dem Schnellrestaurant.

Dick oder nicht dick? Ist das eine Frage der Intelligenz?

Es ist eine Frage der Bildung. Schauen Sie sich nur mal an, was wir in den USA unseren Kindern beibringen! Besonders entsetzlich waren unsere Recherchen in Schulkantinen. Unglaublich, was dort an die Kinder verfüttert wird. Und es klärt sie auch niemand darüber auf, was sie da Tag für Tag in sich hineinstopfen.

Sind dafür nicht die Eltern verantwortlich?

Vergessen Sie die Eltern! Die meisten Eltern essen drei-, viermal in der Woche auswärts und treiben keinen Sport. Das sind schreckliche Gewohnheiten, die nicht hinterfragt, sondern an die Kinder weitergegeben werden. Die Menschen wissen einfach nicht, wie viel Zucker, Fett oder Salz für einen Tag reicht. Das war lange ein US-amerikanisches Problem, aber mit dem American Way of Life breitet es sich gerade über die ganze Welt aus.

Weil er so einfach ist?

Das ist genau der Kern dieses Lebensstils, nichts darf mehr Arbeit machen, alles kann sofort konsumiert werden. In den USA verwenden wir die meiste Lebenszeit darauf, Geld zu verdienen. Unser Wohlbefinden spielt dabei eine kleinere Rolle, das lassen wir uns gerne frei Haus liefern. Dabei ist die Nahrungsmittelindustrie so dominant, dass wir vergessen haben, woher unser Essen kommt - geschweige denn, dass wir uns darüber Gedanken machen würden, was es in unserem Körper anrichtet. In den letzten 15 Jahren haben zahlreiche Süßigkeiten- und Limonadenhersteller Verträge mit Schulkantinen geschlossen. Also kaufen sich die Kids für ihre paar Dollar eben Schokoriegel. Wie soll ein zehnjähriges Kind wissen, dass das nicht gut ist?

Warum verklagt niemand die Schulen? Nirgendwo gibt es so viele Schadenersatzklagen mit Aussicht auf Erfolg wie in den USA. Ist das nicht absurd?

Klar, aber noch absurder ist, dass der Kongress kürzlich ein Gesetz verabschiedet hat, dass Klagen gegen Nahrungsmittelhersteller grundsätzlich verbietet! Das Gesetz hat zwar den Senat noch nicht passiert, bedenklich ist es trotzdem. Und weil ich Amerikaner bin, weil ich an den Wert gewisser Freiheiten glaube, verteidige ich auch das Recht, diese Firmen verklagen zu können - auch wenn ich nicht glaube, dass sich alle Probleme vor Gericht lösen lassen.

Sie legen sich mit Corporate America an, dem Amerika der großen Konzerne. Haben Sie deren Macht zu spüren bekommen?

Und wie! Die meisten großen Radiostationen haben Interviews mit mir gebucht - und dann in letzter Sekunde abgesagt, weil es hieß: Moment mal, McDonalds sponsert uns, das können wir nicht machen! Ich meine, wir leben doch in einer Welt der Redefreiheit!

In Deutschland schon.

Deutschland? Zwei deutsche Kamerateams haben sich bei mir angekündigt, um Beiträge über meinen Film zu drehen. Und dann sagten sie plötzlich ab. Beide. Weil sie zum selben Konzern gehören und ein Verantwortlicher plötzlich gemerkt hat: Wir können doch McDonalds nicht ans Bein pinkeln, wo die doch bei uns so viel Geld für Werbung ausgeben! Wir dürfen mit diesem Typen nicht sprechen! Und dabei, hey, reden wir hier nicht mehr von Corporate America - wir sind mitten in Ihrem Land, wir reden von der Corporate World! Meinungs- und Redefreiheit? Nonsens! Klar, du kannst sagen was du willst - solange es nicht die Leute brüskiert, die uns bezahlen. So läuft das.

taz Nr. 7406 vom 12.7.2004, Seite 14, 154 Zeilen (Interview), ARNO FRANK

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Gruß Rainer
 
Und

www.programmkino.de

liefert zu dem Film die folgende Kritik:

Agitprop-Doku im Stil von Michael Moore. Zwei Drittel aller Nordamerikaner sind übergewichtig, Tendenz steigend. Damit ist Fettsucht mit allen ihren gesundheitlichen Folgeerscheinungen (Herzkrankheiten, Diabetes, Krebs, Arthritis, Asthma... ) direkt nach dem Rauchen die zweithäufigste Todesursache in den USA. In Super Size Me unternimmt Regisseur Morgan Spurlock den Versuch, die Verantwortlichkeit der Fast Food Industrie für die neue Volkskrankheit nachzuweisen: 30 Tage lang ernährt er sich ausschließlich von McDonalds. Mit erschreckenden Folgen.

Im September 2002 strengen zwei krankhaft übergewichtige Mädchen eine Schadensersatzklage gegen den größten Fast Food Konzern der Welt, McDonalds an. Die Klage wird abgewiesen. Es ließe sich nicht nachweisen, dass ihre Beschwerden mit dem Essen des Konzerns in Verbindung stünden. Regisseur und Ich-Erzähler Morgan Spurlock nimmt das Verfahren zum Anlass, um in einem bizarren Selbstversuch das Gegenteil zu beweisen. Einen Monat lang isst er ausschließlich bei McDonalds unter Beachtung der folgenden Regeln. Regel Nr. 1: Keine Sonderwünsche. Gegessen wird nur was angeboten wird. Das gilt auch für Wasser. Regel Nr. 2: Keine Super Size Menus es sei denn, das Thekenpersonals fragt nach. Regel Nr. 3: Keine Ausreden. Alle Angebote müssen mindestens einmal probiert werden. Regel Nr. 4: Kein Schlappmachen. Jeden Tag muss Spurlock drei komplette Mahlzeiten vertilgen. Um das Experiment abzurunden verzichtet er außerdem soweit als möglich auf körperliche Betätigungen.

Die Folgen sind verheerend. Innerhalb von 30 Tagen nimmt Spurlock fast 13 Kilo zu, seine Cholesterol- und Blutzuckerwerte explodieren, sein Blutdruck steigt bedenklich und die Verfettung seiner Leber nimmt dramatische Züge an. Mit dem körperlichen Verfall gehen schwere Depressionen einher, die nur zu den Mahlzeiten von den Glückszuständen eines Süchtigen unterbrochen werden. Die extra für den Film engagierte Fitnesstrainerin fleht Spurlock schon nach wenigen Tagen an, doch wenigstens Vitamintabletten zu schlucken. Aber auch die anderen drei Ärzte, die Spurlock regelmäßig untersuchen, sind schockiert und raten zu einem frühzeitigen Abbruch.

Das ebenso einfache wie effektive Konzept des Films könnte von Michael Moore stammen und auch in Look und Feeling erinnert Super Size Me an Mooresche Propagandafilme. In einer bunten Collage bombardiert Spurlock den Zuschauer mit einer Lawine von Zahlen, Talking Heads und Kuriositäten zum Modethema Fettsucht. Da gibt es den Mann, der täglich mehrere Big Macs verdrückt, den Lobbyisten der Fast Food Industrie, der eine bessere Gesundheitserziehung an den Schulen fordert und die vegane Freundin Spurlocks, die verzweifelt die Augen rollt und von nachlassender Libido berichtet.

Dennoch kann man Spurlock im Gegensatz zu Moore kaum Manipulation vorwerfen. Unter den schnellen Schnitten und Schockeffekten verbirgt sich eine solide recherchierte und geradlinige Argumentation. In die strikt chronologische Abfolge seines Selbstversuches hat der Regisseur eine Reihe von ergänzenden Exkursen eingebaut zu Themen wie ‚Umfang des Problems in den USA’, ‚Gesundheitliche Folgen’‚Suchtfaktor Fast Food’, ‚Werbung und Präsenz der Fast Food Ketten’, ‚McDonalds für Kinder’, ‚Essen, Sport und Ernährungsbewusstsein an den Schulen’. Besonders schockierend sind dabei die Beiträge zum Einfluss der Industrie auf kindliche Essgewohnheiten und zur Apathie der Schulen.

Das Fast Food gesundheitsschädlich ist und McDonalds böse, hatte man natürlich schon geahnt. Insofern hält Super Size Me keine überraschenden Enthüllungen bereit, eröffnet aber einen neuen Blick auf das gigantische Ausmaß des Problems - und auf die Mitverantwortung der Fast Food Konzerne, die ihre Kunden schon vom Kleinkindalter an konditionieren.

Die Botschaft ist angekommen. Unmittelbar nach dem Erfolg von Super Size Me auf dem Sundance Festival 2004 (Preis für die Beste Regie) schaffte McDonalds die Super Size Menus nach denen der Film benannt ist ab, und nahm diverse (sehr zuckerhaltige!) Salate neu ins Sortiment.

Gruß Rainer
 
sowas mit dem anspruch von moore

zu vergleichen ist ne frechheit...

und wenn moore manipulieren sollte durch schnelle schnitte dann lach ich mich kringelig... gabs da nichtmal ne studie, dass alte menschen mit schnellen filmschnitten nicht klar kommen, würde gerne mal das alter des kritikers wissen *g*

ich denk mal, wenn dort nicht auf die simple energiebilanz und mündigkeit des konsumenten eingegangen wird, dann ist dieser film eher aufm gleichen niveau wie "wunderabnehmprodukte" einzuordnen...
 
Naja.. Pressefreiheit .. heisst nun mal auch: die Freiheit wirtschaftlich zu arbeiten. Quoten sind auch in der freien Presse wichtig und ein echter Skandal wird da (so rate ich mal) mehr bringen als ein möglicher Verlust an Werbeeinnahmen.
Vielleicht ist ja diese "jackass-aktion" doch etwas zu dünn um ein echter Skandal zu sein?
Vielleicht ist sie im Kern doch viel eher Kritik an Ernährungsgewohnheit, als an den bösen grossen Konzernen? Jedenfalls haben nicht diese Konzerne verboten Interviews zu machen - sondern die potentiellen Interviewer haben sich ganz einfach dagegen entschieden.
Deswegen ist Morgan Spurlock trotzdem nicht gleich Erin Brockovich.
Vom Marketingansatz der "Super Size Me - Mannschaft" her gesehn ist es natürlich geschickt das drohende allzuschnelle Verschwinden in der Versenkung durch eine Verschwörungstheorie zu verzögern.
Davon abgesehen hat er meine Sympathie - sich selbst zu mästen ist eine angenehm zurückhaltende Art andern zu sagen, dass sie sich nicht sehr gut ernähren. Die dazu so unangenehm ist, dass ich ihm den auf diese Weise hart erarbeiteten wirtschaftlichen Erfolg gerne gönne : o )

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