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Die „Glyx- Diät“: missglückter Nutzen zur Gewichtskontrolle
Von Kurt Widhalm und Doris Fussenegger
Nach wie vor füllen Anleitungen zur sog. „Glyx- Diät“ unzählige Seiten populärwissenschaftlicher Veröffentlichungen, die in einer Ernährung mit niedrigem glykämischen Index das diätetische Erfolgskonzept schlechthin für eine effektive Gewichtsreduktion bis zur Prävention von Herz-Kreislauf- Erkrankungen sehen. Aus streng wissenschaftlicher Perspektive lässt diese „Meinung“ allerdings stichfeste und sachliche Argumente vermissen.
So basieren die Erkenntnisse zur Appetitregulierung, welche die Popularität der Glyx- Diät ursächlich begründeten, vorwiegend auf nur sehr kurzweiligen Studien im Umfang von einzelnen Mahlzeiten und selbst hierbei waren die Ergebnisse letztendlich widersprüchlich. Darüber hinaus wurden die meisten Resultate aus Interventionsstudien mit diabetischen Patienten erzielt, sodass daraus geschlossene Aussagen über einen Zusammenhang zwischen hohem GI und ischämischen Herzerkrankungen für einen gesunden Menschen wenig Relevanz besitzen.
Eine gegenwärtig im American Journal of Clinical Nutrition erschienene Studie untersuchte in diesem Kontext die Langzeiteffekte einer 10-wöchigen fettreduzierten und kohlenhydratreichen Diät mit hohem (HGI) oder niedrigem GI (NGI) bei gesunden, übergewichtigen Personen zwischen 20 und 40 Jahren (BMI 27,6 kg/m2) Die Messparameter umfassten ad libitum- Energieaufnahme, Körpergewicht, Körperzusammensetzung und Risikomarker für Typ2- Diabetes und Ischämische Herzerkrankungen.
Bei der gesamten Studienpopulation (n=45) erfolgte im Laufe der Intervention eine Reduktion der ad libitum- Energieaufnahme sowie letztlich eine signifikante Gewichtsabnahme, wobei
jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen der Diätgruppe mit hohem GI und jener mit niedrigem GI festgestellt werden konnte (-1,3 bzw. -1,9 kg).
(siehe Abb. rechts)
In Analogie dazu verhielt sich die Änderung der Körperfettmasse, der Fett-freien Körpermasse, des Ruhepulses, des Blutdrucks und der Risikomarker für Typ 2-Diabetes (Nüchtern- Insulinkonzentration, Relative Insulinsensitivität, β- Zellfunktion) ohne statistische Signifikanz.
Die Analyse der Blutfettwerte zeigte nur beim LDL-Cholesterin eine signifikante Senkung um 10%, wohingegen Triglyzeride und HDL- Cholesterin unbeeinflusst bleiben.
Fazit vorliegender Arbeit ist, dass in Bezug auf Appetit- und Körpergewichtskontrolle sowie Diabetesprävention eine kohlenhydratreiche und fettreduzierte Diät mit niedrigem GI keine Vorteile gegenüber einer gleich strukturierten Ernährung mit hohem GI zu bieten hat!
Der wesentliche Befund der allgemeinen, vom GI unabhängigen Gewichtsabnahme lässt sich laut Studienautoren wohl eher auf den höheren Sättigungsgrad der Kohlenhydrat- und Ballaststoff- reicheren Interventionsdiäten zurückführen, womit u. a. die restriktivere ad libitum- Gesamt- Energieaufnahme der übergewichtigen Teilnehmer erklärt werden kann.
Allein die beobachtete Senkung des LDL- Cholesterins um 10 % in der Diätgruppe mit niedrigem GI könnte als kardioprotektiver Benefit einer derartigen Diät gewertet werden. Die Verifizierung dieser Ergebnisse erfordert allerdings die Durchführung weiterer Langzeitstudien über mindestens 6 bis 12 Monate.
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© 2004 ÖAIE/ Widhalm K, Fussenegger D
Quelle: Sloth B, Krog-Mikkelsen I, Flint A et al. No difference in body weight decrease between a low-glycemic-index and a high-glycemic-index diet but reduced LDL cholesterol after 10-wk ad libitum intake of the low-glycemic-index diet. Am J Clin Nutr 2004;80:337-47.
Artikel Nr. 4021; Schlagwörter: Glykämischer Index, Gewichtskontrolle, LDL-Cholesterin
Frage Dr. Kurt Moosburger an Prof. Widhalm/Mag. Fussenegger:
Könnte die Differenz der Gewichtsabnahme von 1.3 vs 1.9 kg durch einen unterschiedlichen muskulären Glykogengehalt bedingt sein?
Nämlich in dem Sinne, dass high GI-carbs eine effizientere Glykogenspeicherung als eine Diät mit low GI bewirken?
Nicht umsonst empfiehlt sich nach einer intensiven Trainingseinheit bzw. einer längeren intensiven körperlichen Belastung, die mit einer muskulären Glykogendepletion einhergeht, unmittelbar danach eine Portion Zucker bzw. Kohlenhydrate mit hohem GI zuzuführen, um eine rasche Wiederauffüllung des muskulären Glykogenspeichers einzuleiten.
Soviel ich weiß, "bindet" 1g Glykogen ca. 3 bis 4g Wasser. Daraus folgt, dass allein durch einen vollen muskulären Glykogenspeicher von ca. 500g das Körpergewicht um ca. 2kg steigt.
Der initiale "Erfolg" einer Gewichtsabnahme bei ketogener Diät (Atkins & Co.) beruht ja auch auf der muskulären Glykogendepletion.
Stellungnahme
Vorweg muss festgehalten werden, dass es sich in der Studie von Sloth et al. im Am J Clin Nutr um kein signifikantes Ergebnis bei der Gewichtsreduktion von – 1,9 kg vs. -1,3 kg handelt. [1]
Unter der Annahme eines signifikanten Ergebnisses entspräche dies allerdings einer Differenz von - 600 g nach einer Diät mit niedrigem Glykämischen Index (LGI).
Angaben aus der Literatur zur Wasserbindungskapazität von Muskelglykogen belaufen sich auf durchschnittlich 3-4 g Wasser pro g Glykogen. [2-4]
Nach aktuellem Wissenstand erscheint bei muskulärer Glykogendepletion nach intensiver körperlicher Belastung die Zufuhr von Kohlenhydraten mit hohem glykämischen Index (HGI) als die weitaus effektivere Variante zum Laden der Glykogenspeicher als eine Diät mit niedrigem glykämsichen Index. [5,6]
Burke et al. und Jozsi et al. konnten beispielsweise nach vorangehender Entleerung eine signifikant effizientere Glykogenspeicherung durch HGI- Supplemente als mit LGI- Ergänzungen erzielen. Als Ursache für dieses Phänomen wird zum einen die ausgeprägte Glukose- und Insulinantwort einer HGI- Diät diskutiert, wodurch eine vermehrte Aktivierung der Glykogensynthase von statten geht. Zum anderen scheinen bei Verzehr von LGI- Lebensmittel eine verlangsamte Verdauung, Absorption sowie eine geringere Substratverfügbarkeit die limitierenden Faktoren für eine Auffüllung der Muskelglykogenspeicher zu sein. [7,8]
Eine weitere Studie von Bussau et al. zeigte ohne vorangehende Depletion bei trainierten Ausdauer-Athleten eine signifikante Zunahme des Muskelglykogengehalts um annähernd das Doppelte nach einer eintägigen HGI- Diät. [9]
Eine Extrapolation dieser Daten auf den Glykogengehalt untrainierter Personen bei nicht erfolgter initialer Glykogen- Depletion ist nur eingeschränkt möglich.
Eine speziell für die hier vorliegende Fragestellung relevante Studie stammt von Kiens und Richter aus dem Jahre 1996, die bei gesunden, normal aktiven Personen ohne vorangehende Glykogendepletion den Einfluss einer 30-tägigen HGI-Diät verglichen mit einer LGI- Diät auf den Muskelglykogengehalt untersuchte. Hierbei kam es während der HGI-Diät zu keiner Veränderung des Glykogen-Ausgangsgehalts, wohingegen die LGI-Diät eine signifikante Reduktion der Muskelglykogenkonzentration nach sich zog. Im direkten Vergleich mit der HGI- Diät führte die LGI- Diät zu einer signifikanten 14%-igen Reduktion der Glykogenkonzentration im Muskel. In dieser Studie wurde das Körpergewicht durch individuelle Anpassung der Energieaufnahme auf konstantem Niveau gehalten, sodass keine Rückschlüsse auf eine mögliche Gewichtsveränderung durch unterschiedliche Glykogenmengen zulässig sind. [10]
Geht man nun davon aus, dass die 45 gesunden, aber übergewichtigen Personen in der Studie von Sloth et al. über einen Gesamt-Glykogenpool von durchschnittlichen 600 g verfügten und eine LGI- Diät ein Verlust von ca. 14% plus die 3-4- fache Menge Wasser nach sich zöge, ergäbe sich in Summe allein durch den Glykogenabbau eine Gewichtsreduktion um ca. 400 g als Folge einer LGI- Diät..
Insofern erscheint es durchaus möglich, dass eine LGI- Diät eine moderate Gewichtsabnahme zur Folge hat, die allein auf dem Abbau von Glykogen mitsamt dessen gebundenen Wassers basiert.
Literatur:
[1] Sloth B, Krog-Mikkelsen I, Flint A et al. Nof difference in body weight decrease between a low-glycemic-index and a high-glycemic index diet but reduced LDL cholesterol after 10-wk ad libitum intake of the low-glycemic-index diet. Am J Clin Nutr 2004;80:337-47.
[2] Acheson KJ, Schutz Y, Bessard T et al. Glycogen storage capacity and de novo lipogenesis during massive carbohydrate overfeeding in man. Am J Clin Nutr 1088;48;240-7.
[3] Chikenji T, Elwyn DH, Gil DM et al. Short-term effects of varying glucose intake on body composition of malnourished adult patients. Crit Care Med 1987;15:1086-91.
[4] Olsson KE, Saltin B. Variation in total body water with muscle glycogen changes in man. Acta Physiol Scand 1970;80:11-18.
[5] Siu PM, Wong SH. Use of the glycemic Index: Effects on Feeding Patterns and Exercise Performance. J Physiol Anthropol Appl Human Sci 2004;23:1-6.
[6] Burke LM, Collier GR, Davis PG et al. Muscle glycogen storage after prolonged exercise: effect of the frequency of carbohydrate feedings. Am J clin Nutr 2004;64:115-9.
[7] Burke LM, Collier GR, Hargreaves M. Muscle glycogen storage after prolonged exercise: effect of the glycemic index of carbohydrate feedings. J Appl Physiol 1993;75:1019-1023.
[8] Jozsi, AC, Trappe TA, Starling RD et al. The Influence of Starch Structure on Glycogen Resynthesis and Subsequent Cycling Performance. Int J Sports Med 1996;17:373-8.
[10] Bussau VA, Fairchild TF, Rao A et al. Carbohydrate loading in human muscle: an improved 1 day protocol. Eur J Appl Physiol 2002;87:290-5.
[9] Kiens B, Richter EA. Types of carbohydrate in an ordinary diet affect insulin action and muscle substrates in humans. Am J Clin Nutr 1996;63:47-53.
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© ÖAIE 2004/ Widhalm K, Fussenegger D