"FETTVERBRENNUNG" im Sport : Mythos und Wahrheit
Dr. Kurt A. Moosburger, Facharzt für Innere Medizin und Sportarzt
Wenn es um Gewichtsreduktion im Sinne einer Reduktion des Körperfettanteils geht, werden
bezüglich der Fettverbrennung durch körperliches Training von vielen "Fitness-Gurus", auch
von manchen Medizinern und sogar von einigen Sportwissenschaftlern, vor allem aber von
Trainern in Fitnessstudios unzweckmäßige Empfehlungen abgegeben.
Konkret wird relativer und absoluter Anteil der Fettverbrennung (genauer: Energiegewinnung
durch Oxidation=Verbrennung freier Fettsäuren, die durch Spaltung von Fett, vorwiegend aus
dem Fettgewebe, entstehen) am Energieumsatz (Kalorienverbrauch) in einen Topf geworfen und beim "Fettabbau durch Training" von falschen Vorstellungen ausgegangen.
Vielfach herrscht der Irrglaube vor, man/frau könne nur mit einem Training im
Fettstoffwechselbereich abnehmen. Dies führte zum unglücklichen Begriff "Fettverbrennungstraining".
Es gilt, sich folgendes bewusst zu sein:
Relativ gesehen (= prozentuell) verbrennt man umso mehr Fett, je weniger intensiv die
körperliche Belastung ist, ("Schlank im Schlaf", Stichwort Grundumsatz, siehe unten),
jedoch ist aufgrund des niedrigen Energieumsatzes die absolute Menge an verbranntem Fett
gering.
Je intensiver die Belastung wird, desto weniger trägt Fett prozentuell zur Energiegewinnung
bei und wird gegenläufig immer mehr Glucose = Traubenzucker (aus den muskulären
Glykogenspeichern) verbrannt. Dafür steigt aber der Energieumsatz (=Kalorienverbrauch) mit
zunehmender Belastung.
Das bedeutet, dass in diesem Fall der geringere relative (=prozentuelle) Anteil der
Fettverbrennung an der Energiegewinnung einer größeren absoluten Menge an verbranntem
Fett entsprechen kann, als es beim "Fettstoffwechseltraining" der Fall ist. Abgesehen davon
wird vor allem mehr Energie (Kalorien) verbraucht, was letztendlich für die
Gewichtsreduktion entscheidend ist ("Negative Energiebilanz", siehe unten)
Da diese Erklärung erfahrungsgemäß auf Verständnisschwierigkeiten stößt, hier zur
Veranschaulichung zwei Beispiele:
Beispiel 1:
A) Langsames Laufen ("Joggen") im Fettstoffwechselbereich (dem vermeintlich
optimalen "Fettabbaubereich"), Herzfrequenz ca. 60% der maximalen Herzfrequenz
(z.B. 120/min). Das bedeutet ungefähr 80% Fettverbrennung, 20%
Kohlenhydratverbrennung. Der Energieumsatz beträgt ca. 8 Kilokalorien pro Minute,
somit kommen ca. 6 bis 7 Kilokalorien pro Minute aus der Fettverbrennung.
B) Laufen mit mittlerer Geschwindigkeit, Herzfrequenz 75 bis 80% der max.
Herzfrequenz (z.B. 150 - 160/min). Hier haben wir einen deutlich höheren
Energieumsatz (ca. 15 bis 18 kcal/min), wobei die Energie zu ungefähr 50 - 60%
aus Fettverbrennung und zu 40 - 50% aus Kohlenhydratverbrennung bereitgestellt
wird. In diesem Fall werden ca. 9 "Fettkalorien" pro Minute verbrannt.
Das bedeutet, dass in diesem Fall durch den höheren Kalorienverbrauch im
gleichen Zeitraum um ein Viertel bis ein Drittel mehr Fett verbrannt wird!
Beispiel 2:
Zwei übergewichtige Damen besuchen vier mal wöchentlich ein Fitnessstudio und
"strampeln" dabei jeweils eine Stunde auf dem Fahrradergometer, die eine im
Fettstoffwechselbereich mit einer Herzfrequenz von z.B. 110 bis 120/min, die
andere mit einer etwas höheren Intensität, z.B. bei einer Herzfrequenz von 140 bis
150/min.
Nach zwei Monaten hat die Dame, die im vermeintlich optimalen "Fettabbaubereich" trainiert hat, weniger an Gewicht verloren als ihre Kollegin, da diese nicht nur mehr Kalorien verbraucht hat, sondern auch mehr Fett verbrannt hat.
Damit ihr "Fettabbautraining" gleich effektiv wie das ihrer Kollegin ist, sprich um
gleich viel Energie (Kilokalorien) zu verbrauchen und gleich viel Fett zu
verbrennen, müsste sie die Belastungsdauer ihrer offensichtlich zu wenig
intensiven Trainingseinheiten deutlich verlängern!
Um es nochmals klar auszudrücken
Den vielfach postulierten "Fettverbrennungspuls" gibt es nicht!
Fettverbrennung ist nicht gleichbedeutend mit Fettabbau! Fettstoffwechseltraining ist nicht gleich "Fettabbautraining"! (Es verfolgt ein anderes Ziel, siehe unten)
Die Fettverbrennung (Fettsäurenoxidation) ist vielmehr eine Form der Energiebereitstellung,
die in unserem Organismus rund um die Uhr stattfindet. Unter Fettabbau versteht man die Reduktion von gespeichertem Körperfettgewebe, wenn die Energiebilanz negativ ausfällt.
Für eine erwünschte Gewichtsabnahme im Sinne einer Reduktion des Körperfettanteils ist
nicht die Fettverbrennung während des Trainings wichtig, vielmehr die nach dem
Training (gesteigerter Fettstoffwechsel in der Erholungsphase über mehrere Stunden, v.a.
nach intensiver körperlicher Belastung, sog. "Nachbrenneffekt"), letztlich aber nur eine
negative Energiebilanz pro Tag (bzw. pro Woche) das entscheidende Kriterium. Das
heißt, der tägliche (bzw. wöchentliche) Energieverbrauch muss höher sein als die
Energiezufuhr bzw. die Energiezufuhr geringer als der Energieverbrauch (gemessen in
Kilokalorien bzw. Kilojoules). Wenn also etwas während des Trainings mit der
Zielsetzung "Gewichtsreduktion" wichtig ist, dann ist es der Kalorienverbrauch und
nicht, ob bzw. wieviel Fett dabei verbrannt wird! Wird bei einer intensiven
Trainingseinheit vorwiegend Glucose verbrannt, wird nachher umso mehr Fett verbrannt!
Für eine Gewichtsreduktion im Sinne eines Fettabbaus ist nur ein höherer
Kalorienverbrauch mit negativer Energiebilanz pro Tag (bzw. Woche) entscheidend.
Bei negativer Energiebilanz holt sich der Organismus die noch benötigte, aber
"fehlende" Energie aus dem Fettgewebe. In Ruhe verbrennt der Körper (v.a. unsere
Muskeln) in erster Linie Fett ("Schlank im Schlaf"). Je höher der sog. Grundumsatz,
desto mehr Fett wird verbrannt.
Unter Grundumsatz (GU) versteht man den Energieverbrauch bei ausschließlicher
Bettruhe, abhängig von der individuellen Muskelmasse und damit auch vom Alter. Er beträgt
pro Stunde etwas weniger als das eigene Körpergewicht in Kilokalorien.
Täglicher Grundumsatz
Mann
Frau
genaue Berechung
900 + 10 x Körpergewicht
700 + 7 x Körpergewicht
grobe Berechnung
Körpergewicht x 23
Körpergewicht x 20
Bei einem 80kg schweren Mann sind das ca. 1700 kcal, bei einer 60 kg schweren Frau
ca.1100 kcal/24 Stunden. Der höhere Grundumsatz des Mannes erklärt sich durch dessen
größere Muskelmasse.
Somit kann der tägliche Grundumsatz grob mit der einfachen Formel Körpergewicht x 20
(Frau) bzw. KG x 23 (Mann) abgeschätzt werden. Körperlich inaktive Menschen liegen
jedoch meist deutlich darunter !
Den täglichen Kalorienbedarf, der meist überschätzt wird, kann man im Falle fehlender
körperlicher Betätigung (Büroarbeit) mit der Formel GU x 1,3 bzw. bei mäßiger körperlicher
Aktivität mit GU x 1,5 grob berechnen.
Wenn wir sinnvoll abnehmen wollen, müssen wir neben der richtigen Ernährung mit
ausgewogener, bewusst fettarmer (damit werden am effektivsten Kalorien eingespart),
kohlenhydratbetonter Mischkost und vorzugsweise nicht mehr als drei Mahlzeiten pro
Tag körperlich aktiv sein, um den täglichen Kalorienverbrauch zu steigern und durch Erzielung einer negativen Energiebilanz Fettgewebe zu reduzieren. Die gängige Empfehlung von fünf bis sechs Mahlzeiten täglich kann sogar im Einzelfall kontraproduktiv sein (v.a. bei deutlich Übergewichtigen, die eine Insulinresistenz aufweisen), da aufgrund der in diesem Fall ständig stimulierten Insulinsekretion der Fettabbau eher erschwert wird - Insulin fördert nicht nur die Aufnahme von Glucose (=Traubenzucker), Aminosäuren und Fettsäuren in die Körperzellen, sondern hemmt auch die Lipolyse = Fettspaltung. Diese kann demnach am besten bei niedrigem Insulinspiegel stattfinden, also im Nüchternzustand,und - zumindest theoretisch - auch die anschließende Fettsäureverbrennung.
Um ein Kilogramm Fettgewebe abzubauen, muss man rund 7000 kcal "einsparen" (nicht 9000
kcal, da Fettgewebe nicht aus 100% Fett besteht). Bei einem täglichen "Energie-Minus" von
200 - 250 kcal bedeutet das 1 Kilo im Monat.
Die Art und Weise der körperlichen Aktivität ist nebensächlich! Jede sportliche Betätigung hilft beim Abnehmen. Die Basis sollte immer ein körperlich aktiver Lebensstil sein
Aus medizinischer Sicht ist Ausdauertraining zur Gewichtsreduktion sehr gut geeignet, da es - abgesehen vom Gesundheitswert - nicht nur Energie (messbar in Kilokalorien bzw. Kilojoules) verbraucht, sondern bei regelmäßiger Ausübung auch den Grundumsatz etwas erhöht (v.a. intensives Ausdauertraining) und somit die Fettverbrennung in körperlicher Ruhe steigert (siehe oben).
Die Intensität der körperlichen Belastung ist diesbezüglich zweitrangig, man muss nicht
im "Fettstoffwechselbereich" trainieren, um abnehmen zu können! Im Gegenteil - Studien
haben gezeigt, dass man seinen Körperfettanteil mittels intensivem Ausdauertraining
effektiver reduzieren kann, ebenso durch Krafttraining. Für eine negative Energiebilanz ist
aber, wie schon gesagt, allein der tägliche Energieumsatz, sprich Kalorienverbrauch in 24
Stunden, entscheidend. Dieser ist umso höher, je höher der Grundumsatz ist, und je intensiver
und/oder länger eine körperliche Belastung erfolgt.
Neben regelmäßigem Ausdauertraining empfiehlt sich zusätzlich ein intensives
Ganzkörper-Krafttraining ein- bis zweimal pro Woche. Damit kann der Grundumsatz am
effektivsten gesteigert werden (siehe oben, der GU ist abhängig von der Muskelmasse).
Die individuelle Belastungsintensität richtet sich primär nach dem Trainingszustand. Natürlich setzt intensives Ausdauertraining eine entsprechende Grundlage voraus, weshalb es für "Anfänger" nicht geeignet ist - sie würden nach kurzer Zeit schlapp machen und hätten somit erstens keinen Trainingseffekt und zweitens aufgrund des nur kurzzeitig erhöhten
Kalorienverbrauchs auch keinen Erfolg hinsichtlich Gewichtsreduktion.
Aber auch zu extensives Training - wie es immer wieder als "Fettabbautraining" empfohlen
wird, ist zur Gewichtsabnahme nicht sinnvoll! Ein effektives Fettstoffwechseltraining,
welches sehr lange (Stunden!) durchgeführt werden muss, um wirklich gezielt den
Fettstoffwechsel zu trainieren, die muskuläre Energiebereitstellung zu ökonomisieren und
damit die Langzeitausdauer zu verbessern, benötigt z.B. ein Marathonläufer, Triathlet oder
Radrennfahrer (dabei wird jedoch nicht "Fettabbau" angestrebt!), nicht jedoch ein
Freizeitsportler, der weder die Zeit noch den entsprechenden Trainingszustand dafür hat, und
bei dem nicht die Steigerung der aeroben Kapazität (Ausdauerleistungsfähigkeit) sowie
Leistungsdenken, sondern die angestrebte Gewichtsabnahme im Vordergrund steht. Ein nur
halbstündiges Training im Fettstoffwechselbereich, wie man es in Fitnessstudios beobachten
kann, ist zu diesem Zweck alles andere als zielführend!
Ein weiterer großer Irrtum ist die weit verbreitete Fehlmeinung, die Fettverbrennung würde
bei einer Ausdauerbelastung erst nach ca. einer halben Stunde einsetzen. Tatsache ist,
dass die jeweilige Energiebereitstellung primär von der Belastungsintensität bestimmt wird,
nicht von der Belastungsdauer, und dass es kein "Nacheinander", sondern immer ein
"Nebeneinander" der einzelnen Arten der muskulären Energiebereitstellung gibt. Bei
extensiver Belastung (z.B. Dauerlauf) besteht die aerobe Energiegewinnung (ATP) aus Fett-
und Kohlenhydratverbrennung (Oxidation von freien Fettsäuren und Glucose) von Beginn an,
wobei das Fett (=Triglyceride) vorwiegend aus dem Fettgewebe und - v.a. bei gutem
Trainingszustand - auch aus dem Muskelgewebe (richtig gelesen - auch in der Muskulatur
befinden sich Fette) und der Traubenzucker (Glucose) aus den muskulären
Kohlenhydratvorräten (Glykogenspeicher) mobilisiert wird.
Die Intensität eines Ausdauertrainings soll immer über die Herzfrequenz gesteuert
werden, wobei jeder Mensch "seine" individuelle "Pulskurve" sowie maximale Herzfrequenz
hat. Eine Herzfrequenz von z.B. 160 wird für die meisten einer relativ hohen
Belastungsintensität entsprechen, kann aber durchaus für den einen oder anderen noch eine
extensive Belastung sein. Deshalb sind Tabellen, wie man sie z.B. in Fitnessstudios sieht,
oder Faustregeln (wie "180 minus Lebensalter" oder "220 minus Lebensalter, davon 70
Prozent") zur Bestimmung der Belastungsherzfrequenzen ungeeignet, diese müssen vom
erfahrenen Sportarzt immer individuell ermittelt werden
Es wäre auch falsch, wenn im Kollektiv mit derselben "Pulsvorgabe" trainiert werden würde
- der eine wäre damit unter-, der andere überfordert.
Für die Praxis ergibt sich somit folgende Empfehlung, wenn mittels Sport eine
Gewichtsreduktion im Sinne einer Reduktion des Körperfettanteils angestrebt wird:
Regelmäßiges Ausdauertraining (mindestens dreimal pro Woche) mit nicht zu
geringer Intensität! Die Belastungsintensität richtet sich nach dem Trainingszustand.
Sie sollte zum effektiven Kalorienverbrauch und damit auch zur effektiveren
Fettverbrennung (siehe obige Beispiele) über dem "Fettstoffwechselbereich" liegen und
zumindest 20 Minuten gehalten werden können - je länger, desto effektiver (je nach
Trainingszustand und Leistungsfähigkeit, für "Anfänger" sind bereits 10 Minuten
wirksam!).
Je extensiver die Belastungsintensität (immer gemessen an der Herzfrequenz),
desto länger kann bzw. sollte die Belastungsdauer sein. Je kürzer die
Belastungsdauer (z.B. bei Zeitmangel), desto intensiver muss trainiert werden, um
den gewünschten Effekt (einen ausreichenden Kalorienverbrauch) zu erzielen.
Intensives Ganzkörper-Krafttraining ein- bis zweimal pro Woche.
Die oft geäußerte Empfehlung, nach 17 Uhr nichts mehr zu essen, hat keine
Allgemeingültigkeit. Sie gilt natürlich nur dann, wenn es die Energiebilanz gebietet bzw. wenn am Abend kein Training durchgeführt wird. Ansonst darf und soll man selbstverständlich auch später noch eine Mahlzeit nach dem Training einnehmen, die fettarm sowie eiweiß- und kohlenhydratbetont sein sollte.
(Literatur beim Verfasser)
Das Wichtigste
Fettverbrennung ist nicht Fettabbau.
Ein pulsgezieltes "Training zum Fettabbau" bzw. "Training zur Gewichtsreduktion" gibt
es nicht.
Um Körperfett abzubauen, ist ausschließlich eine negative Energiebilanz entscheidend.
Ein Training im Fettstoffwechselbereich dient nicht der Gewichtsreduktion, sondern der
Verbesserung der Langzeitausdauer.
Die effizienteste Reduktion des Körperfettanteils wird mit intensivem Training erreicht
(intensives Ausdauertraining, intensives Intervalltraining, Zirkeltraining, Krafttraining).
Natürlich muss die Belastungsintensität individuell dosiert werden.
Neben regelmäßiger körperlicher Aktivität ist auf eine ausgewogene, fettbewusste
Ernährung zu achten.
Zu diesem Thema siehe auch folgende Artikel:
"Mythos Fettverbrennung"
http://de.fitness.com/exercise/articles/mythos.htm
"Fettverbrennung - Fettabbau"
http://de.fitness.com/exercise/articles/fettverbrennung.htm
"Sport und Fettverbrennung"
http://www.k3k.de/Ernaehrung/Fett/fett.html
Innsbruck, im Juli 1998 (überarbeitet im Januar 2001), (veröffentlicht in "Gesünder LEBEN"
05/2000)
Quelle/Für den Inhalt verantwortlich

r. Kurt A. Moosburger, Facharzt für Innere Medizin und Sportarzt
Datum der letzten inhaltlichen Aktualisierung / Revision: April 2002