Wir sind nicht verantwortlich für das, was geschah. Wohl aber dafür, daß so etwas nie wieder passiert.
Weiß nicht, von wem das ist. Paßt aber haargenau.
Noch etwas zu Hohmann. Hab´ den Teil, der mir voll aus dem Herzen spricht, mal farbig markiert.
Plenarrede Martin Hohmann am 25. Juni 1999
25.06.1999
zur Errichtung eines gesonderten Mahnmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin (sog. Holocaustmahnmal)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Martin Hohmann.
Martin Hohmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zwei kartenspielende uniformierte Wächter streiten um die Frage, wer das nächste Getränk zu besorgen hat. Statt eine Münze zu werfen, ergreifen sie eine hochschwangere Gefangene. Statt Schrift oder Zahl Junge oder Mädchen. Nach wenigen Messerschnitten herrscht Klarheit. Das Kartenspiel wird ungerührt fortgesetzt. Dieser Doppelmord ereignete sich nicht vor etwa 55 Jahren in einem KZ, sondern vor etwa 55 Tagen im Kosovo.
Warum berichte ich das? Nun, seit zehn Jahren führen wir die Diskussion um das Holocaust-Mahnmal, und seit zehn Jahren bestehen mehr Gedenkstätten und -tafeln. Gerade in diesen zehn Jahren wütet ein kommunistischer und nationalistischer Diktator gegen seine Völkerschaften, zuerst in Bosnien und dann im Kosovo.
Bedenkt man die Zeitgleichheit, dann darf gefragt werden: Was hat die hiesige Aufarbeitung der zwölfjährigen NS-Zeit, was haben die Trauerarbeit, das Mahnen, das Erinnern den Bosniern und den Kosovaren gebracht? Hätten wir, hätte die NATO bei einem Rest moralischer Selbstachtung etwa noch später eingreifen dürfen? Wenn also die Hilfe für die Opfer von Mord und Vertreibung direkt vor unserer Haustür fast zu spät kam und wenn die Hilfe nur dem beherzten Vorangehen der Amerikaner zu danken war, erhebt sich dann nicht die Frage: Hätte das fertige Holocaust-Mahnmal die Situation der Bosnier und der Kosovo-Albaner geändert?
Wenn wir diese Frage mit Nein beantworten müssen, stellt sich die nächste - kritische - Frage: Ist unsere Vergegenwärtigung der zwölf NS-Jahre nicht ein Stück weit folgenloses Moralisieren gewesen? Haben wir zu vordergründig auf die Wirkung von Mahnreden und Mahnmalen vertraut? Hat das Grauen über die Schrecken der NS-Verbrechen die nüchterne Analyse zu kurz kommen lassen? Wie wirkt ein Unterdrückungsapparat in einer Diktatur? Ist in der Breite klar, da damals die Gewissensentscheidung mehr als nur Zivilcourage erforderte, nämlich den Einsatz des eigenen Lebens?
Meine Damen und Herren, viele Menschen fordern uns als Deutsche auf, langsam den Mut zu fassen, unseren Freunden zu sagen: Mehr als zwei Generationen nach diesem riesigen Verbrechen fühlen wir uns sozusagen resozialisiert. Warum? Kein Land hat Verbrechen in seiner Geschichte aufgearbeitet und bereut, Entschädigung und Wiedergutmachung geleistet wie wir. Nach christlichen Maßstäben folgt auf Sünde, Reue und Wiedergutmachung das Verzeihen. Freilich, das Verzeihen kann man nicht erzwingen. Aber von Freunden darf man es erwarten.
Fast drei Generationen Bußzeit bis heute. Es sollten nicht sechs oder sieben werden. Insofern wäre das Mahnmal auch monumentaler Ausdruck der Unfähigkeit, uns selbst zu verzeihen.
Meine Damen und Herren, wir als das deutsche Parlament sollen über das Mahnmal mitentscheiden. Was sagen unsere Auftraggeber, unsere Wähler? Viele reden darüber nur hinter vorgehaltener Hand. Das ist in der Demokratie kein gutes Zeichen. Ganz überwiegend wird das Holocaust-Mahnmal abgelehnt, übrigens auch von vie-len Intellektuellen, auch von vielen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Nicht wenige empfinden das geplante Mahnmal als ein Kainsmal, als Ausdruck der Selbstächtung. Tut die Politik, tut die Medienöffentlichkeit gut daran, über diese schweigende Mehrheit hinwegzugehen?
Ich bin nicht für Eisenman II oder III. Mit der großen Mehrheit meiner Wählerschaft sehe ich in der Neuen Wache eine hervorragende Mahn- und Erinnerungsstätte auch für die jüdischen Opfer.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)