Ein bisschen Lesestoff

Widar

Banned
http://www.welt.de/data/2003/10/10/180352.html
Diese Krankheit wird präsentiert von...
Wie das ZDF in seinen Gesundheitsmagazinen finanziell mit der Pharmaindustrie kooperiert - Ein Fallbeispiel
von Jörn Lauterbach

Die Einbindung von Unternehmen und Sponsoren in das redaktionelle Programm kann mit dem Holzhammer vonstatten gehen. Bei "Wetten, dass..?" etwa fahren im 20-Minuten-Takt bestimmte Autos durch das Bild, werden Handys hochgehalten, Gummibären gegessen oder Sendungen gleich ganz in einen Vergnügungspark verlegt. Anders, so die Begründung, sei eine Show in dieser Größe nicht mehr zu finanzieren. "Praxis - das Gesundheitsmagazin", auch eine ZDF-Sendung, ist dagegen ein finanzielles Leichtgewicht. Aber so ganz ohne die Industrie geht es hier offenbar trotzdem nicht.


Die Bedeutung der Ratgebersendung spüren viele Fachärzte regelmäßig nach Ausstrahlung der Medizinsendung, wenn die Wartezimmer gefüllt sind mit Menschen, die die am Vorabend beschriebenen Symptome bei sich in Selbstdiagnose geortet haben. Für die Pharmaindustrie im Kampf um Marktanteile also ein besonders lukratives Einfallstor - was gibt es da Schöneres, als am besten gleich Teil einer gemeinsamen Kampagne mit Sender und anderen medizinischen Fachorganen zu werden. Dem Pharmaunternehmen Lilly Icos, das im Frühjahr die Apotheken mit einer neuen Potenzpille ausstattete, die eine um Tage längere Wirkungsdauer verspricht als das bekannte Viagra, ist das vorbildlich gelungen.


In der "Praxis"-Sendung vom Mittwochabend stellte Moderator Sascha Oliver Rusch das Projekt "Schwung im Liebesleben" vor. Als ZDF-Partner mit im Boot: Schwestersender 3Sat, die "Medical Tribune", der Deutsche Hausärzteverband" und eben das Pharmaunternehmen Lilly Icos. Zuvor hatte die Redaktion einen Beitrag über mögliche Maßnahmen gegen Impotenz gesendet, in dem zwar kein Medikament namentlich herausgehoben wurde - geschildert wurde aber ausführlich der Fall eines Ehepaars, das die neue Pille mit der längeren Wirkungsdauer probiert hatte. Das gesendete Fazit des Ehemanns: "Ich bin mit diesem neuen Medikament sehr zufrieden. Sie brauchen nicht mehr auf die Uhr zu schauen, die Frau braucht nicht mehr Standby zu sein. Das ist spitze für uns". Im März war das gleiche Pärchen schon bei Lilo Wanders in "Wahre Liebe" zu Gast. Ihr Kommentar zu der neuen Pille damals: "Immer hammerhart".


Auch ein anderer Kampagnen-Partner, das Ärzteblatt "Medical Tribune", widmete sich Ende September der Impotenz. Auffallend: In dem Artikel wird nur ein Medikament namentlich erwähnt, nämlich das von Partner Lilly Icos: "Will der Patient möglichst viel Freiheit im Sexualleben und favorisiert daher ein langes Wirkfenster, dann ist einem Präparat mit möglichst langer Halbwertszeit der Vorzug zu geben, z.B. der "Wochenendpille' XY [folgt Produktname, d. Red.]".


Alles Zufall? Koordiniert wird die Kampagne von der Medi cine medienproduktions GmbH, einem Unternehmen, das zum Bereich "ZDF enterprises" gehört. Gegründet wurde das Unternehmen von Dierk Heimann, der früher selbst Redakteur der ZDF-Gesundheitspraxis war. Heute ist er der Hauptlieferant für die Gesundheitsmagazine von ZDF und 3Sat. Den Pharmaunternehmen treten seine Mitarbeiter mit klaren Vorstellungen gegenüber: "Durch eine Kooperation mit starken Partnern (ZDF, Medizinische Fachgesellschaften, anerkannte Meinungsbildner, Ärzteverbände, reichweitenstarke Fach- und Publikumsmedien) und mit Unterstützung eines interessierten Pharmaunternehmens soll ein wichtiges Gesundheitsthema einerseits in der Bevölkerung, andererseits in involvierten Fachkreisen (v.a. Ärzte, Apotheker) nachhaltig ins Gespräch gebracht werden", heißt es in einer Konzeptbeschreibung, die der WELT vorliegt. Mit anderen Worten: Es wird ordentlich getrommelt.

Für die "Aufklärungskampagne" zur Impotenz ließ sich Lilly Icos über eine zwischengeschaltete Agentur gern davon überzeugen, Vertragspartner zu werden, zumal das Unternehmen wegen des geltenden Heilmittelwerbeverbots sonst kaum Möglichkeit hat, mit der Produktneuheit in die Öffentlichkeit zu gelangen. Welche Summen dabei geflossen sind, ist unbekannt. Bezahlt wurden von dem Unternehmen die Druckkosten der Begleitbroschüren, die das ZDF auf Anfrage an seine Zuschauer verschickt. In ähnlich gelagerten Fällen kamen da schon mal schnell 200 000 Euro zusammen - Peanuts angesichts der Beträge, die mit Medikamenten zu verdienen sind.


Filmproduzent Heimann wollte sich auf Anfrage nicht zu der Kooperation äußern. Und die zuständige ZDF-Redaktion "Gesundheit und Natur" kann an dem Arrangement nichts journalistisch Verwerfliches finden: "Wir betreiben hier kein Product Placement", sagt Redaktionsleiter Gunther Vogel. Es habe auch in der Vergangenheit schon Kooperationen gegeben mit Pharmaunternehmen, die zu der besprochenen Krankheit überhaupt kein Mittel auf dem Markt gehabt hätten. Besonderen Wert legt Vogel darauf, dass "alle Texte mit den Partnern abgestimmt werden. Sauberer kann es nicht sein". Das Pharmaunternehmen selbst bestätigt die Zahlung eines Druckkostenzuschusses. Das ZDF, so eine Sprecherin, sei auf das Unternehmen zugekommen. Man wolle nun gemeinsam "Aufklärungsarbeit" leisten.


Die Organisation Transparency International, die sich weltweit mit Korruptionsfällen beschäftigt, kennt ähnliche Marketingmethode auch von vielen anderen Pharmaunternehmen. "Nicht mehr der Arzt, sondern der Endverbraucher steht seit einiger Zeit im Blickfeld. Bei ihm soll gezielt ein Bewusstsein für Krankheiten geschaffen werden", sagt Dr. Arne Scheffler, der sich für die deutsche Transparency-Sektion mit der Pharmabranche beschäftigt. Ungewöhnlicher - wenn auch ebenfalls nicht korrupt - sei allerdings das wenig transparente Vorgehen des ZDF.


Dann vielleicht doch lieber Gottschalks Holzhammer
 
Fazit

hallo widar,
eine solche information über die medien ist natürlich nicht immer objektiv. das heißt aber nicht, dass wir ärzte alle nur handlanger der pharmaindustrie sind (auch wenn siggi es uns wiederholt unterstellt).
fazit: nicht das fernsehen oder andere medien, sondern der arzt des vertrauens ist und bleibt die primäre informationsquelle und der erste ansprechpartner für die patienten. wobei ich mir natürlich bewusst bin, dass auch in diesem fall nicht immer "evidence based medicine" vermittelt wird. ein guter arzt wird sich jedoch immer bemühen, seinen patienten den "state of the art" der aktuellen erkenntnislage zu vermitteln und bei bedarf mit spezialisten an universitätskliniken kooperieren.

gruß, kurt
 
Danke für die Info,

Sehr vieles bleibt da im Verborgenen und nur wenn die Konkurrenz mal zu hart wird, dringt etwas davon an die Oberfläche. Wie zum Beispiel bei den AT1-Blockern der Teveten-Uhren-Skandal. Oder die Tatsache, daß in der Epilepsie die Selbsthilfevereine und deren DE regelrecht von den Großen dort bezahlt werden? Alle - ich betone alle - denkenden Fachleute kennen diese Dinge und sprechen inoffiziell auch darüber. Wer aber wollte öffentlich die Hand, die ihn füttert (besser Zucker in den Hintern bläst), kritisieren? Unser Verein (der DKSV e.V.) arbeitet übrigens mit TI zusammen, damit es ein kleines bißchen besser wird. Den ganzen Sumpf wird man whrs. nie austrocknen können, die Hemmschwelle dafür allerdings können wir erhöhen.

MFG Siggi

PS: Habt ihr den Bericht "Zur Korruption im Deutschen Gesundheitwesen von 2001" der TI gelesen? Liest sich wie ein Krimi.
 
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