Irgendwie verstehe ich den Beitrag, der aus der Feder eines gewiß engagierten Hobby-Soziologen entspringt und Einblick in seine empirischen Feldstudien gewährt, nicht so wirklich.
Weshalb stoße ich mich an so mancher „Schluß“-Folgerung (sic!)? Ich halte nichts von Pauschalisierungen und Generalisierungen. Wenn von 80 Millionen – 68 mögen es ca. 62 Millionen gewesen sein – ein paar Tausend auf die Straße gehen: ist dies dann „Öffentlichkeit“ oder „Veröffentlichung“ von Meinung? Das eine sollte mit dem anderen nicht verwechselt werden. Gewährt man sich bei seinen Handlungen auch noch ein Mandat, wäre man ins Völkische abgeglitten.
Attributierungen und das „Labelling“ vergröbern den Blick ebenfalls. Was ist denn eine Spaßgesellschaft? Dem Phänomen, das im publizistischen Trommelfeuer von allen Seiten auf einen eindrischt und dem bald hier, bald dort gehuldigt oder am liebsten der Exorzist auf den Hals gehetzt wird, scheine ich bislang noch nicht so wirklich begegnet zu sein. Formallogisch mag dies dadurch bedingt sein, daß ich bislang auch hier noch keiner treffenden Definition dieser Erscheinungsform begegnet bin.
Logisch besehen wiederum mutet der Begriff widersinnig an: Pein und Lust sind die emotionalen Triebfedern menschlichen Lebens, mithin sind sie also die vielleicht einzige anthropologische Konstante im Bereich des Homo sapiens.
Unter dem Prisma der scheinbaren „Spaßgesellschaft“ läßt sich umgekehrt nämlich auch so mancher mit Weihen und Mythen umrankter Säulenheilige oder Credo früherer Generationen entzaubern. Weshalb wendete man sich wider das Gespenst „Kommunismus“? Freiheit und Demokratie reimten sich als kleinsten gemeinsamen Nenner eben auf Spaß. Und daß SDS und Konsorten – nennen wir mal Teufel, Langhans, Kunzelmann beim Namen – bei ihren Sit-ins usf. keinen Spaß empfunden haben, lasse ich mal im Lichtschein einer roten Brille gerate noch so durchgehen, ebenso, wie ich den Geselligkeiten der Burschenschaften und deren teilweisen Saufexzessen ebenfalls die Maxime Ernsthaftigkeit als Motto der Zusammenkunft gerne zuweise. Sozialromantik fängt beim Lagerfeuer an und hört in der Kantine des deutschen Bundestages nicht auf.
Wo nun aber die Verbindung zum Sport herkommt, ich weiß es nicht. Zynisch formuliert reimt sich die hier mit Verve erörterte und visuell hervorgehobene Gleichung gar ein wenig auf die körperlichen Ertüchtigungsmaßnahmen des Dritten Reiches als Wiege der Glückseligkeit. Aber belassen wir es dabei: gut ist, was Spaß macht, und nicht, in welchem Lichtschein eine Maßnahme unter der Brille ideologischer Verfärbungen hervorsticht.
Macht Sport Spaß, bleibt man dabei, und nicht, weil einem aus rationaler Sicht einleuchtend irgendwo ein kluger Mann oder eine noch klügere Frau diesbezüglich eine Einsicht zuteil werden ließ. Dann gäbe es keine Raucher usf. Die Stasi existierte auch nur, weil man einem mürben Volke, das eher bar jedweder Motivation war, wenigstens mittels Angst auf Linie gehalten werden konnte. Zwischen Angst und Spaß ist der menschliche Antrieb verordnet. Wer Angst hat fett zu werden und gleichsam Spaß daran empfindet, zu laufen, der frönt diesem Treiben. Disziplin mag eine Tugend sein, aber seien wir mal ehrlich: wir sind alles Menschen, niemand ist perfekt. Ich kenne niemanden, der sich auf einen irgendwie inhaltsleeren Begriff wie „Disziplin“ verließe. Dann glich man eher einem Roboter, dem man imperativisch Vorgaben machte, die dieser dann „diszipliniert“ abarbeitete. Das macht kein Mensch der Welt. Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Eine Bekannte, die die fehlender Leistungsbereitschaft, also Disziplin in Gestalt von Sitzfleisch, ihrer Studenten beklagt, wehklagt ihrerseits darüber, daß sie ihre freie Zeit nicht für Semestervorbereitungen ihrer Seminare nutzt. Ein Bekannter, der für sein Staatsexamen 50 Klausuren à 5 Stunden durchzog, schafft es nicht, sein Bude halbwegs in Ordnung zu halten. Tja, immer diese Spaßgesellschaftler.
Grüße,
René
PS: Essen ist ein Gutteil Lustprinzip. Mit der harten Peitsche der Disziplin vergrault man dieses nur – Kontraindikation in Reinform.
