chronische Niereninsuffizienz und Eiweiß

Aquarius

New member
Hallo!

Kurze Vorgeschichte:
Meine Tante (47) hatte immer wahnsinnige Angst vor Ärzten und allem, was damit zu tun hat. So kam es, dass sie sich nie den Blutdruck hat messen, bis ihr Frauenarzt es trotzdem mal gemacht... Resultat: 260 zu 150 Blutdruck. Die Nieren haben dabei natürlich etwas abbekommen ( Kreatinin +/- 1,8 ). Sowas dummes von der- das kommt davon, wenn man nicht auf sich achtet!!!

Nun will sie ihre Adipositas durch Sport in den Griff bekommen.

Früher wollte sie von Krankheiten nix wissen und jetzt liest sie plötzlich jede Menge Mist von Wunderheilern. Momentan ist sie auf dem Dreh, kein Eiweiß mehr zu essen (hat sie irgendwo gelesen) - und wenn, dann nur Brennnessel-Eiweiß...
Mir glaubt sie nicht so richtig (böse "schulmedizin", wenn ich DAS Wort schon höre!).

Jetzt mal im Ernst: Wieviel Eiweiß sollte sie trotz ihrer Niereninsuffizienz essen (unter Berücksichtigung, dass sie jetzt Sport treibt)?

Viele Grüße, JÖRG
 
hallo jörg,
abgesehen davon, dass es kein "brennesseleiweiß" gibt, ist eine eiweißrestriktion auf 40g/tag (sowie eine NaCl-restriktion) erst bei fortgeschrittener niereninsuffizienz angezeigt. dies ist bei deiner tante jedoch derzeit noch nicht der fall, es besteht eine kompensierte renale retention. das wichtigste ist eine konsequente medikamentöse therapie ihrer malignen arteriellen hypertonie. sie wird mindestens 3 bis 4 antihypertonika brauchen.
gruß, kurt
 
Hallo Kurt!

Danke für deinen Rat. Ich bin froh, dass ich mit meiner Einschätzung richtig lag.
Ich habe ihr geraten, eine ausgewogene Mischkost mit Ausdauertraining zu kombinieren. Aber abgesehen davon, dass sie lieber Wundermedizin nimmt, wird es wohl eine Frage der Zeit sein, dass sie wieder in alte Gewohnheiten zurückfällt. Ich habe ihr auch deinen Essay über "Bluthochdruck, unter Berücksichtigung des Sports als Basistherapie" zu lesen gegeben. Aber Hokuspokus scheint attraktiver zu sein.

Gestern erzählte sie mir, dass sie japanische Algen kultiviert, die zusammen mit einem Kieselstein (der Stein hat einen besonderen Namen...) und Rohrzucker in einem Gefäß und Wasser gehalten werden müssen. Das Wasser würde gegen alles (besonders Hypertonie) gut sein. Alle aus ihrem Bekanntenkreis nehmen das auch.
Sie fragte mich sogar, ob sie jetzt nicht die ACE-Hemmer weglassen könnte, da sie ja dieses Wässerchen schluckt.

Ich könnte immer vor Wut in die Tischkante beißen, wenn ich sowas höre. Dabei ist sie nicht minderbemittelt, oder so, sondern eigentlich intelligent. Aber hierbei verliere ich den Verstand. Das gibt es doch nicht. Da kann man ja noch froh sein, wenn sie complient bleibt.
Kurt, erlebst du sowas häufig als Internist, oder ist das hier ein besonderer Härtefall?

Dummheit scheint chronisch und therapieresistent zu sein. :)
Viele Grüße, Jörg
 
"Härtefälle"

solche gibt es - leider. aber zum glück relativ selten und ich bin froh, dass ich bislang von so besonders "harten" verschont geblieben bin. es ist aber auch eine frage, wie man als arzt die sachlage dem patienten vermittelt, sprich ihm seine erkrankung mit ihren auswirkungen und die behandlungsmöglichkeiten sowie deren erfolgsaussichten verständlich macht. deine tante ist für mich alles andere als intelligent, wenn ich lese, was sie aufführt. haarsträubend!!! aber man kann niemandem zu seinem glück zwingen, heißt es - erst recht keinen mündigen menschen. deine tante wird das stadium der terminalen niereninsuffizienz (und damit die dialysepflichtigkeit) nicht mehr erleben, wenn sie so non-compliant ist. bei ihrer malignen hypertonie ist sie nicht nur ein schlaganfall- und herzinfarktkandidat, sondern wird bald eine linksherz-insuffizienz entwickeln, womit ihre lebensqualität "im eimer" sein wird.
tut mir leid für meine offenen worte, aber mit dir kann ich klartext sprechen (wenn es schon die behandelnden ärzte deiner tante nicht tun - du kannst dir sicher sein, dass deine tante vernünftiger und einsichtiger wäre, wäre sie meine patientin. sie ist sich des ernstes ihrer lage nicht bewusst und scheint ihre maligne erkrankung völlig zu unterschätzen. ihre prognose ist derzeit so schlecht wie die einer unheilbaren krebserkrankung)
gruß, kurt
 
Re: "Härtefälle"

Hallo Kurt!

Danke, dass du Klarheit geschaffen hast. Ich werde ihr das verständlich machen, was du angedeutet hast. Anders gehts nicht mehr, da hast du recht.

Sie war ja wegen der malignen Hypertonie im Krankenhaus und hatte dort Chefarzt-Behandlung. Du weißt ja, wie das ist: Der Chefarzt fand alles "noch ok", "klappt ja schon ganz gut" und hat alles unterlassen, was seine privat-liqudierte Patientin beunruhigen könnte.
Daher denkt sie wahrscheinlich: "Kein Grund zur Panik, da kann man ja erst mal sehen, was die "alternative Medizin" so hergibt".

Sowas kommt dann dabei heraus - das wird mir für später eine Lehre sein.

Viele Grüße, Jörg
 
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