Optimist!
vergiss es, werner,
mit seiner ernährungsphilosophie schwimmt der gute nicolai auf einer lukrativen welle. natürlich weiß er, dass letztlich nur die e-bilanz über den körperfettanteil und damit über "übergewicht - ja oder nein" entscheidet - aber damit kann man keine bücher verkaufen oder lukrative orträge vor laien halten. du weißt ja, pecunia non olet (worm lässt sich - wie viele andere - auch von gewissen pharmafirmen für vorträge kaufen, nur so nebenbei gesagt).
die argumentation von worm, kopp & Co erinnert stark an einen anderen vertreter einer KH-armen "steinzeiternährung", der alle medizinischen probleme als kohlenhydrat-problem verstanden haben wollte, nämlich dr. lutz ("leben ohne brot", siehe archiv). die meisten der kopp'schen thesen wurden von lutz bereits anfang der 70 Jahre postuliert. sie sind - theoretisch zumindest - zweifellos interessant. allerdings wird bei der these "kohlenhydrate sind schuld an diabetes mellitus typ 2 & co" einiges übersehen. es ist völlig klar, dass eine ernährungsform, die zum großteil aus ballaststoffarmen kohlenhydratträgern (weißmehlprodukte, limonaden usw.) und fettreichen lebensmitteln besteht, einen risikofaktor für die entwicklung eines typ 2-diabetes mellitus darstellt - vorausgesetzt, die körperliche aktivität ist gering. unter diesen bedingungen entwickelt sich rasch eine viszerale adipositas, mit der folge, dass vermehrt freie fettsäuren und bestimmte cytokine (z.B. das resistin) sezerniert werden, die dann ihrerseits die insulinsignaltransduktion der muskelzellen hemmen. Die insulinresistenz ist daher eine folge der adipositas. wie das zuviel an fettgewebe zustande kommt (KH- oder fettinduziert) ist zweitrangig. ich betone hier ganz bewusst das schlagwort "körperliche Aktivität". es wird in der ganzen ernährungsdiskussion viel zu wenig beachtet. tatsache ist nämlich, dass arbeitende muskelzellen in der lage sind, glukose auch über einen insulinunabhängigen mechanismus aufzunehmen. dieser als AMP-abhängige GLUT-4-translokation bezeichnete prozess wird über muskelkontraktionen induziert. Im übrigen gilt die faustregel: muskelmasse ist proportional zur insulinsensitivität. ein durchtrainierter sportler wird es daher sehr schwer haben, eine insulinresistenz zu entwickeln. dass diabetes mellitus typ II nicht ursächlich auf ein zuviel an kohlenhydraten zurückzuführen ist, zeigt bereits ein blick auf epidemiologische daten:
1. vegetarier nehmen hohe mengen an KH auf, typ 2-diabetes mellitus ist bei Ihnen allerdings selten
2. nach dem krieg wurden in deutschland sehr hohe mengen KH konsumiert, die diabetes mellitus typ II-rate war praktisch gleich null.
3. viele naturvölker bzw. traditionell vom ackerbau lebende völker wie die pimas in mexiko haben bzw. hatten eine sehr KH-reiche ernährungsweise. auch hier war DM Typ II praktisch unbekannt. fazit: KH-reichtum ist weder eine notwendige noch eine hinreichende voraussetzung für die entstehung eines Typ 2-diabetes. auch alle qualitativ hochwertigen studien der letzten jahre zeigen, dass personen mit dem höchsten verzehr an vollkornprodukten das geringste diabetes mellitus Typ II-risiko aufweisen. inwieweit eine sehr hohe KH-zufuhr langfristig die kapazität der beta-zellen erschöpft, ist differenziert zu betrachten. meines wissens beruht die sekretionsstarre vor allem auf der zelltoxischen wirkung langfristig erhöhter blutglukosespiegel und nicht auf einer postulierten hypertrophie der betazelle (eine hypertrophie der beta-Zelle ist laut EBM nur als sog. nesidioblastose, die im kindes- und jugendalter zu hypoglykämien führen kann, festzustellen). zu postulieren, dies sei die folge einer "ermüdungserscheinung" infolge jahrelanger "überbeanspruchung", scheint mir etwas seltsam zu sein, wenngleich ich es nicht komplett auschließen möchte. allerdings üben bestimmte aminosäuren und damit nahrungsprotein ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden sekretionsreiz auf die inselzellen des endokrinen pankreas aus. wer also von seiner weißmehlreichen kost auf eine sehr fleischreiche und damit proteinreiche kost umstellt, wird sein pankreas damit wohl nicht wirklich entlasten. im übrigen empfiehlt keine ernährungsorganisation der Welt, man solle unmengen an weißmehlprodukten und zuckerzeug essen. Wer seine kohlenhydrate vorwiegend über obst, gemüse, vollkorn und hülsenfrüchte aufnimmt, ist früh gesättigt und seine "glykämische load" ist ganz automatisch im "grünen bereich".
zur zeit ist es offensichtlich en vogue, eine kohlenhydratarme ernährung zu vertreten und zu propagieren. interessant, dass auch mediziner auf den vom laien (!) montignac in gang gesetzten zug aufgesprungen sind. die these ist wie immer einfach: Ein "schudiger" (in diesem falle die kohlenhydrate) ist ausgemacht und die "therapie" daher auch recht einfach. Die "therapie" bzw. die frage nach der richtigen ernährung ist - praktisch gesehen - jedoch durchaus einfach zu beantworten: viel pflanzliches, insbesondere gemüse, obst, vollkornprodukte und leguminosen, dazu nüsse, fettreduzierte milchprodukte sowie fisch und maßvoll mageres fleisch. wer sich so ernährt, der bewegt sich - das zeigen zumindest alle großen kohortenstudien - auf der sicheren seite. dazu noch eine gehörige portion körperliche aktivität, und die sache ist geritzt. GLYX-überlegungen sind dann überflüssig bzw. sollten auf die plattform der "akademischen diskussion" beschränkt bleiben (das sollte sich der medial so aktive nicolai worm hinter die ohren schreiben).
was die "evolutionsbiologische" begründung einer KH-armen nahrung betrifft: kopp, aber auch worm - in anlehnung an lutz - argumentieren vorwiegend evolutionsbio(un?)logisch. prinzipiell ist bei solchen evolutionsbiologisch ausgerichteten argumentationsmustern zu differenzieren: 1. die erklärungsebene (was sind die ultimativen ursachen einer bestimmten erkrankung) und 2. die normative ebene (wie sollen wir uns ernähren?). erstere halte ich für innovativ und diskussionswürdig, letztere für wenig durchdacht und nicht konsistent zur evolutionstheorie (siehe den link "was die evolution nicht erklärt").
gruß, kurt
p.s.: hier nochmals der
link zu meiner homepage, betreffend den GI bzw. die GL.
worm & co empfehle ich weiters den folgeartikel von prof. widhalm sowie die von mir angegebenen links.