Wenns interessiert, Herr Bölsche hat geantwortet, leider nur sehr allgemein:
Liebe Leserbrief-Autorinnen und -Autoren,
Dank für Ihre (positive oder negative) Reaktion auf die dreiteilige Stalingrad-Serie. Das Echo war so stark, dass es mir nicht möglich ist, in einer auch nur halbwegs angemessenen Zeitspanne auf jeden einzelnen Leserbrief zu antworten. Ich möchte daher auf diese Weise zu den häufigsten Fragen, Anregungen und Kritikpunkten Stellung nehmen.
Sehr viele Briefschreiber vermissen die Adresse der in Teil 2 zitierten Feldpostreihe des Deutschlandfunks. Hier ist sie:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/feldpost/download.html
Einige bemängeln, dass die im Fliesstext, Teil 1, richtig zugeordneten Zitate beim Seiten-Layout als Bildtexte unter falsche Screenshots geraten sind, zum Beispiel Wendungen, die sich auf Sudden Strike beziehen, unter eine Illustration aus einem anderen Spiel. Das hat die entsprechenden Clans gestört - ich bitte um Entschuldigung für dieses Missgeschick.
Zu danken habe ich für Hinweise auf zwei Schnitzer (LOL, Mods) und für die vielen zustimmenden E-Mails - obwohl ein Teil des Beifalls von der falschen Seite kam.
Wer, zum Beispiel in den Gästebüchern der Jungen Union, LAN-Spieler pauschal als Faschisten, Dummköpfe oder potentielle Amokläufer beschimpft, hat meinen Text nicht (zu Ende) gelesen; in der ersten Folge, 3. Abschnitt, heisst es ausdrücklich: "Kaum ein Fachmann macht sich die ebenso simple wie populäre These zu eigen, Kriegs- und andere Killerspiele allein könnten Amoktaten wie in Erfurt auslösen. Und sicherlich sind die zum Teil hochkomplizierten Strategiespiele auch kein Zeitvertreib für Dorfdeppen... Das häufig gehegte Vorurteil, die Szene sei nichts als ein Tummelplatz für Neonazis, die im Nachhinein den Krieg gewinnen wollten, scheint ebenso verfehlt..."
Ich selber bin übrigens nicht der Auffassung, dass ein Totalverbot einschlägiger Spiele - wie es die CDU/CSU Mitte Januar im Bundestag erneut gefordert hat - sinnvoll oder auch nur durchsetzbar wäre; über verbindliche Altersfreigaben aber müsste wohl geredet werden. (Das - allerdings nicht repräsentative - SPIEGEL ONLINE-VOTE hat ergeben, dass nur eine knappe Mehrheit für Jugendschutzklauseln bzw. für ein Verbot von kriegsverherrlichenden Spielen plädiert, eine sehr starke Minderheit spricht sich für völlige Freizügigkeit aus.)
Die Frage im SPIEGEL ONLINE FORUM zielte - für den, der lesen will - auf eine freiwillige Selbstkontrolle der Veranstalter und war völlig offen formuliert: "Verletzen Computer-Simulationen realer Schlachten - Beispiel: Stalingrad - die Pietät und sollten Veranstalter sie deshalb aus moralischen Gründen von LAN-Partys verbannen? Oder handelt es sich um einen harmlosen Freizeitspaß, bei dem der historische Hintergrund nur Beiwerk ist und bei dem es vor allem darum geht, strategisches Denken, Teamwork und Reaktionsfähigkeit zu messen?"
Eine Minderheit von Leserbriefschreibern hat auf Text, Vote und Forum-Fragestellung mit Beschimpfungen reagiert, die sich selber richten ("Flak drauf" etc.). Die große Mehrheit hat - zum Teil sehr ausführlich und ausserordentlich bemüht um Verständnis und Verständigung - dargelegt, wie sehr sich z. B. das Selbstverständnis der Strategiespieler, die nicht so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, von den Motiven macher jugendlicher Ballerspieler unterscheidet. Viele haben auch betont, dass sie selber alles andere als Kommißköppe und Kriegsverherrlicher seien, einige bezeichneten sich als Grüne, Zivildienstleistende usw.
Beeindruckt hat mich, dass der erste Teil meiner Stalingrad-Serie auf einigen Message Boards (BF 42!) nicht nur zur üblichen Medienbeschimpfung geführt hat, sondern zum Anlaß genommen worden ist, selbstkritisch einige Erscheinungsformen der Szene zu debattieren - etwa SS-Nicknames, einen gewissen pubertär-pietätlosen Verbalradikalismus sowie aggressive, provozierende Werbung mit Leichensäcken oder mit Gräberfeldern (aktuelles Beispiel: das geschmacklose CDV-Pop-up für "Blitzkrieg").
Mein Hauptansatz hat ausserhalb der Community, soweit ich sehe, mehrheitlich Zustimmung gefunden, war aber auch für den einen oder anderen War gamer Anlass zum Nachdenken: Ist es vertretbar, heute eine Schlacht wie die von Stalingrad - viele der Hinterbliebenen leben noch - als Kulisse für Spaß und Spiel zu verwenden?
Das hin und wieder benutzte Argument, auch Schach und Schiffeversenken, Asterixfilme oder Geländespiele seien Kriegssimulationen und müßten konsequenterweise ebenso abgelehnt werden wie "hyperrealistische" War games, halte ich persönlich für sehr weit hergeholt. Von dieser Auffassung hat mich auch die Lektüre etlicher anders argumentierender Briefe nicht abgebracht (wenngleich sicherlich zwischen den Spielen stark differenziert werden muss.)
Im Übrigen: Über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten, und hinzulernen kann jeder.
Wer die Debatte fortfüren möchte: Im SPIEGEL ONLINE FORUM ist dazu noch Gelegenheit.
Mit, nochmals, vielem Dank für Ihre Mühe,
mir eine Mail zu schicken,
und mit freundlichem Gruss
Jochen Bölsche
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P. S. Gut gefallen hat mit eine Bemerkung des "Obergefr. Gunny MOC" in der Debatte im BF42-Forum:
"Ich denke nicht, daß Computerspiele allein aggressiv machen...und wer was anderes behauptet, kriegt was in die Fr... äh... "
;-)
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Die Stalingrad-Serie bei SPIEGEL ONLINE:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,k-3433,00.html