Vor einem halben Jahr
liebe dulce,
hat mofabraut das hier mal ins Forum gestellt:
Irrtümer
Werner Kieser
Irrtum Nr. 1:
«Krafttraining ist gefährlich»
Produktives Training ist anstrengend. Der Körper wird Belastungsspitzen ausgesetzt, wobei gesundheitliche Mängel sichtbar werden können. Wer bezüglich seines Gesundheitszustands im Zweifel ist, sollte deshalb vor Aufnahme des Krafttrainings einen Arzt konsultieren. Diese Empfehlung steht keineswegs im Widerspruch zu der Tatsache, dass korrektes Krafttraining für den gesunden Menschen risikolos ist. Es ist nicht nur die produktivste Trainingsform, sondern auch jene, die den Bewegungsapparat am wenigsten abnützt.
Irrtum Nr. 2:
«Schnelle Bewegungen für schnelle Muskeln»
Schnelle Bewegungen im Kraftraum sind gefährlich und unproduktiv. Gefährlich, weil in der Auffangphase Belastungsspitzen auftreten, die bald einmal über die Bruchlastgrenze der Sehnen zu liegen kommen. Unproduktiv, weil die Zeitdauer dieser Belastungsspitzen zu kurz ist, um einen Reiz zu setzen, und der Rest der Bewegung durch die Beschleunigung des Gewichts (Eigenwucht) keine Belastung mehr für den Muskel darstellt. Die Empfehlung, gar mit Zusatzlasten zum Körpergewicht von Tischen oder Bänken herunterzuspringen, sollte strafrechtliche Folgen für den Trainer nach sich ziehen.
Irrtum Nr. 3:
«Die letzte Wiederholung ist gefährlich»
Nein, die erste ist gefährlich, wenn sie nicht bewusst langsam ausgeführt wird. Am Anfang sind die Muskeln noch «frisch» und stark, fähig, hohe Spannungen plötzlich zu erzeugen. Bei den letzten Wiederholungen ist der Muskel zu schwach, um noch irgendeinen Schaden zu stiften. Diese sind aber die «produktiven», weil erst hier die sogenannte Reizschwelle überschritten wird.
Irrtum Nr. 4:
«Starke Muskeln machen langsam»
Die Bewegungsgeschwindigkeit ist im Wesentlichen abhängig von der verfügbaren Kraft und von dem Grad der Koordination, des Könnens. Kräftigere Muskeln befähigen zu schnelleren Bewegungen, sofern die Koordination mitzieht. Wenn es an letzterer fehlt, kann die Kraft nicht genutzt werden. Aber sie macht auch nicht langsam.
Irrtum Nr. 5:
«Starke Muskeln machen unbeweglich»
Selbst überdimensionierte Muskeln behindern die Beweglichkeit keineswegs. Im Gegenteil: mit Belastung werden größere Dehnungswinkel erreicht als ohne. Korrektes Krafttraining erhöht also die Beweglichkeit.
Irrtum Nr. 6:
«Zum Krafttraining gehören Eiweißkonzentrate»
Der Proteinbedarf ist bei Muskelwachstum nur geringfügig erhöht. Da in den Industriestaaten der durchschnittliche Eiweißkonsum ohnehin weit über dem Bedarf liegt, liegt hier kein Engpass vor. Viel wichtiger ist der erhöhte Bedarf an Wasser, da die Muskeln zu 73% aus Wasser bestehen und da die Stoffwechselvorgänge – also auch der Muskelaufbau – an das reichliche Vorhandensein von Wasser gebunden sind.
Irrtum Nr. 7:
«Frauen müssen anders trainieren als Männer»
Frauen haben grundsätzlich qualitativ (wenngleich nicht quantitativ) die gleichen Muskeln wie Männer und unterliegen denselben physiologischen Gesetzmäßigkeiten. Es besteht deshalb kein Grund dafür, weshalb Frauen anders trainieren sollen.
Irrtum Nr. 8:
«Bauchtraining gegen Bauchspeck»
Fettabbau vollzieht sich nur durch eine negative Kalorienbilanz. Die Abfolge, in der Fettdepots abgebaut werden, ist individuell festgelegt. Das sich zufällig in der Nähe des Muskels befindende Fett bleibt weitgehend unbeeinflusst. Also: Training der Bauchmuskulatur bewirkt genauso viel oder wenig Abnehmen am Bauch wie Training des Großen Gesäßmuskels.
Irrtum Nr. 9:
«Wenn man aufhört zu trainieren, 'hängen' die Muskeln»
Wenn der Muskel nicht mehr den gewohnten Spannungen ausgesetzt ist, baut er sich so ab, wie er sich aufbaute, als er höheren Spannungen ausgesetzt wurde. Der «Film» läuft einfach rückwärts. Aber bei Neuanfang des Trainings geht der Aufbau schneller.
Irrtum Nr. 10:
«Mehr Kraft, aber keine Muskeln bitte!»
Da die Kraft linear zunimmt, die Masse aber in Schüben nachzieht, kann man vor jedem Schub tatsächlich ein Kraftwachstum ohne Muskelzuwachs beobachten. Dies hat jedoch nichts mit der Trainingsmethode zu tun, sondern ist der normale Ablauf. Immer wenn größeres Kraft-Masse-Wachstum stattfindet, findet es in dieser Weise statt – unabhängig von der angewandten Trainingsmethodik. Kraftwachstum ohne Muskelwachstum wäre ein biologisches Perpetuum mobile. Der Grund für dieses Systemverhalten liegt im ökonomischen Prinzip des Energiehaushalts unseres Körpers: Bevor ein energetisch «teures» Massewachstum erlaubt wird, werden alle Rationalisierungsmöglichkeiten im Muskel ausgeschöpft, die sog. intramuskuläre Koordination entwickelt. Wird die Belastung jedoch weiter gesteigert, muss Massewachstum einsetzen, um der Anforderung nachzukommen.
Irrtum Nr. 11:
«Ohne sportliche Vorbildung sollte man kein Krafttraining beginnen»
Umgekehrt: Es ist gefährlich, mit Sport zu beginnen, ohne die notwendige muskuläre «Infrastruktur» zu schaffen, also die Muskeln und damit auch Knochen und Sehnen zu stärken. Krafttraining ist Aufbau, Sport Verbrauch.
Irrtum Nr. 12:
«Wir leiden an Bewegungsmangel»
Es mangelt nicht an Bewegung – sondern an Widerstand. Fehlt dieser, schwinden die Muskeln, die Sehnen, die Knochen, schließlich der ganze Mensch. Der Aufforderung nach mehr Bewegung muss angefügt werden: «wogegen»? Das Wort «Bewegungsmangel» verleitet zur Annahme, es komme nur darauf an, sich möglichst viel zu bewegen. Dies erklärt das Derwischhafte der meisten Fitness-Aktivitäten. Hektik wird Aktivität gleichgesetzt, Schein Sein.
Vielleicht hilft es Dir ja.
Gruß Rainer