Re: Low-Carb vs Ketogen
Hallo Siggi,
von „Rückzug“ kann natürlich keine Rede sein. Im Gegenteil: Gerade letzte Woche sind wieder kontrollierte Studien veröffentlicht worden, die bei Übergewichtigen bzw. Patienten mit Metabolischem Syndrom für Low-Carb (1) wie auch für LOGI (2) im Vergleich zur herkömmlich empfohlenen fettarmen, kohlenhydratreichen Ernährung Vorteile demonstrieren. Aber auch in diesen Studien, wie auch in den meisten mir bekannten randomisierten Studien mit der „Atkins-Diät“, handelte es sich zwar um eine deutliche Kohlenhydrat-Reduktion (beispielsweise 35% KH in der Studie von Scott et al. 2003), aber eben nicht um eine „ketogene Diät“. Vielmehr sprechen die mir bekannten Studien mehrheitlich dafür, dass die Kohlenhydratreduktion ihre positiven Effekte entfaltet, auch wenn die Probanden die „Ketose“ im eigentlichen Sinn gar nicht erreicht haben.
Andererseits mehren sich in der Tat Forschungsergebnisse, die darauf hinweisen, dass die „ketogene Diät“ ein erfolgsversprechender Ansatz in der Behandlung von Epilepsie sein könnte (3-7). Jedoch stellt ein aktuelles „Cochrane-Review“ klar, dass offenbar bislang noch keine einzige methodisch akzeptable (randomisiert-kontrollierte) Studie den Erfolg dieser Diät bei Epilepsie überprüft hat (8). So gibt es selbst für diese Indikation noch nicht die notwendige Evidenz und das macht eindeutige Empfehlungen natürlich schwierig. Darüber hinaus gibt es auch Hinweise für nicht erwünschte Nebeneffekte bei Kindern unter dieser Diät (9).
Das heißt für mich: Während einerseits die Datenlage immer erdrückender wird, dass eine deutliche Reduktion der Kohlenhydratzufuhr wie auch des Glykämischen Indexes in Prävention und Therapie von Übergewicht und seinen metabolischen Folgen eine erhebliche Relevanz besitzt und somit für viele Menschen eine große Chance böte, ist eine entsprechende Datenlage für eine echte „ketogene Diät“ (noch?) nicht verfügbar. Bevor ich also die von dir geforderte drastische Kohlenhydratreduktion der Allgemeinheit empfehlen kann, möchte ich gerne noch entsprechende Studienergebnisse abwarten. Da aus evolutionärer und biologischer Sicht vieles sogar für solch eine drastische Kohlenhydratsenkung sprechen würde, bin ich natürlich für entsprechende Forschungsergebnisse offen und würde mich freuen, wenn sie bald kommen...
Beste Grüsse,
Nicolai
1. Scott LW, Balasubramanyam A, Kimball KT, Aherns AK, Fordis CM, Jr., Ballantyne CM. Long-term, randomized clinical trial of two diets in the metabolic syndrome and type 2 diabetes. Diabetes Care 2003;26:2481-2.
2. Ebbeling CB, Leidig MM, Sinclair KB, Hangen JP, Ludwig DS. A reduced-glycemic load diet in the treatment of adolescent obesity. Arch Pediatr Adolesc Med 2003;157:773-9.
3. Greene AE, Todorova MT, Seyfried TN. Perspectives on the metabolic management of epilepsy through dietary reduction of glucose and elevation of ketone bodies. J Neurochem 2003;86:529-37.
4. Likhodii SS, Serbanescu I, Cortez MA, Murphy P, Snead OC, 3rd, Burnham WM. Anticonvulsant properties of acetone, a brain ketone elevated by the ketogenic diet. Ann Neurol 2003;54:219-26.
5. Mady MA, Kossoff EH, McGregor AL, Wheless JW, Pyzik PL, Freeman JM. The ketogenic diet: adolescents can do it, too. Epilepsia 2003;44:847-51.
6. Stafstrom CE, Bough KJ. The ketogenic diet for the treatment of epilepsy: a challenge for nutritional neuroscientists. Nutr Neurosci 2003;6:67-79.
7. Fraser DD, Whiting S, Andrew RD, Macdonald EA, Musa-Veloso K, Cunnane SC. Elevated polyunsaturated fatty acids in blood serum obtained from children on the ketogenic diet. Neurology 2003;60:1026-9.
8. Levy R, Cooper P. Ketogenic diet for epilepsy. Cochrane Database Syst Rev 2003:CD001903.
9. Kwiterovich PO, Jr., Vining EP, Pyzik P, Skolasky R, Jr., Freeman JM. Effect of a high-fat ketogenic diet on plasma levels of lipids, lipoproteins, and apoli-poproteins in children. JAMA 2003;290:912-20.