In dem von mir verlinkten artikel geht es nicht um die typische "Aggrssion-Gewalt"-Sache. Der Autor abstrahiert viel mehr, dass Strategiespiele zum 2. Weltkrieg pervers seinen, da sie die Opfer "von Stalingrad" mit Füßen treten. Schon alleine die Zeitsprünge "Winter 42/43" "Winter 02/03"....
Ich habe dem Autoren gestern einen Brief geschrieben. Hier ein Auszug:
Meine Kritik an diesem bezieht sich auf die von Ihnen vollzogene Verstrickung von realen Ereignissen in Stalingrad im Winter 1942/43 und digitalen Strategiespielen im neuen Jahrtausend. Die vielen Detailfehler in Ihrem Artikel möchte ich Ihnen nachsehen. Mir würde es sicher auch nicht viel besser ergehen, wenn ich als Spielejournalist Artikel über den Mauerfall oder Kindererziehung verfassen würde. Dennoch strotzt Ihr Text geradezu vor Polemik und ungeheuerlichen Unterstellungen. Ich (25) selbst bin/war leidenschaftlicher Sudden Strike-Spieler. Von daher möchte ich Ihnen in vielen Punkten widersprechen.
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Die einen wurden von Hitler verheizt in einer zermürbenden Kesselschlacht. Sie litten monatelang unter Läusen und Frostbeulen, verschlangen am Ende Pferde- und Rattenfleisch und krepierten zu Zehntausenden an Seuchen oder Verstümmelungen, an Erfrierung und Unterernährung.
Die anderen kämpfen, genau 60 Jahre später, in einem virtuellen Stalingrad - per Mausklick und Joystick, daheim am Computer oder auf Partys in Stadthallen und Sportarenen, bei Pizza und Pommes, Red Bull und Flaschenbier.
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Nun? Was sollen die Spieler heute essen? Pferde- und Rattenfleisch, um den Opfern von damals Respekt zu zollen? Ich sehe hier leider nicht worauf sie eigentlich hinauswollen, außer möglichst reißerisch zu formulieren. Alkohol ist übrigens auf LAN-Partys keine gute Wahl, da Alkoholkonsum die dort drigend notwendigen motorischen Fähigkeiten des Menschen einschränkt.
Zitat:
Winter 2002/03. Einer namens "Charlesmagne" (Leitspruch: "Nur die Harten kommen in den Garten") erkundigt sich im Web, "wie zum Teufel" man es beim Computerspiel "Combat Mission" hinbekomme, "dass die Truppen in der Kanalisation kämpfen". Ein Gleichgesinnter, "Königstiger", würde bei "Sudden strike" gerne "kleine Kampfgeräusche" hören, wann immer er "jemanden in ein feindlich besetztes Haus reinschickt".
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Eine Unterhaltung auf rein technischer Ebene Es geht immerhin um Pixelsoldaten. Der Zusammenhang mit echten Menschen wird von Ihnen hineininterpretiert bzw. Ihre Zielgruppe möchte dies gerne hören.
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Sechs Jahrzehnte nach der Schlacht von Stalingrad, die auf beiden Seiten der Front mindestens 700 000 Tote forderte, ist in Deutschland - kaum bemerkt von der Erwachsenenwelt - eine Subkultur von War-Gamern entstanden, die im Zweiten Weltkrieg vor allem eine Kulisse für fetzige Computersimulationen sehen.
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Böswillige Unterstellung. Ich und viele meiner Kollegen wissen sehr wohl über die vielen Opfer und die massiven Entbehrungen der Menschen von damals bescheid.
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Außerdem können die Mini-Landser auf dem Monitor, wenn man sie anklickt, mit gutturaler Stimme "Tötet sie!" schreien, Geschosse aus Stalinorgeln zeichnen feurige Leuchtspuren auf den Monitor, Artilleriemunition hinterlässt klaffende Krater - und immer wieder Leichenberge.
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Frage: Haben Sie Probe gespielt? Echtzeitstrategie lebt eben von Realismus. Wieder rein technisch. Der Zusammenhang mit echten Menschen, die fühlen, Familien haben und im Dreck krepieren ist rein spekulativ!
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Hin und wieder sorgt in den abgedunkelten, nach Jungmännerschweiß müffelnden Ballerhallen martialische Dekoration für die rechte Atmosphäre.
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Köstlich. Kann man seine Ablehnung noch subtiler deutlich machen? Ich glaube nicht.
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Für April ist in der Multifunktionshalle "Arena Berlin" erstmals ein Großturnier ("the one and only LAN-Event") angesagt, bei dem sich mehr als 1900 Teilnehmer mit Spielen wie "Battlefield 1942" oder "War Craft III" verlustieren sollen.
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Warcraft III ist kein Spiel mit dem Zweiten Weltkrieg als Thematik, sondern ein Fantasy-Spiel. In Ihren Augen sicher nur ein "Ballerspiel"...
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An der eisigen Ostfront," verspricht der Vorspann, "geht es den deutschen Landsern nun an den Kragen." Zur entscheidenden "6. Mission: Stalingrad" ("Zeitrahmen: 22 Minuten bis zu 3 Stunden") empfiehlt die Jungakademikerin: "Nicht sparsam mit Minen an wichtigen Positionen umgehen... Falls eure Besatzungen an den Haubitzen sterben, besetzt sie sofort wieder... Habt ihr auch den letzten Soldaten getötet, ist eine schwierige Aufgabe bewältigt."
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Faktisch völlig korrekt, was die Jungakademikerin da rät. Ihren Lesern impfen Sie erneut aber ein, die junge Frau sei eine gefühlskalte Henkerin, die mal eben so über Leben und Tod entscheiden würde. Was sagt da wohl Stefanie Radke zu?
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Für Verständigungsbarrieren sorgt schon der Insider-Jargon, den sich die neue Jugendbewegung, wie jede Subkultur, zugelegt hat. Als die TV-Autorin Francesca D'Amicis einen ZDF-Film über die Szene vorbereitete, stieß sie immer wieder auf "Abkürzungen, wo ich nur Bahnhof verstanden habe", und auf "Namen, die einem das Blut gefrieren lassen: mortal team work, slaughterhouse, soldiers@work..."
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Richtig. Genau dieses "Bahnhofverstehen" führt zu solchen Artikeln, die eine riesige Spielergemeinde verunglimpfen.
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Die Weltkriegspieler wiederum fühlen sich von der ganzen Welt missverstanden. Genervt von moralisierenden Eltern und Großeltern, die ihnen Pietätlosigkeit vorwerfen, setzen sich die Kids mit dem Slogan des Sudden-Strike-Herstellers CDV zur Wehr: "Krieg kann man nicht spielen... sagt mein Opa." Oder sie pinnen sich trotzig ein CDV-Poster, im DIN-A-1-Format für 2,99 Euro, in ihre Computerecke: "Mit Dir hätten wir jeden Krieg gewonnen... sagt mein Opa."
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Diese Werbesprüche stammen nicht von den Spielern, sondern von Werbetextern. Der Tabubruch ist dabei sicher Kalkül.
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Die infantilen Infanterie-Sprüche scheinen die Einschätzung von "jugendschutz.net", der gemeinsamen Fachstelle der Bundesländer, zu bestätigen, dass solche Computerspiele "keine Lernfelder für prosoziale Einstellungen" sind: "Emanzipatorische Inhalte, das Leiden der Opfer, das Mitgefühl für andere, all das wird im Computerspiel ausgespart."
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Ich bitte Sie, mit Pixelsoldaten Mitgefühl haben? Ich hatte nicht mal Interesse Wehrdienst zu leisten. Meiner Fähigkeit Mitgefühl zu zeigen, verleihe ich lieber in der realen Welt Ausdruck.