Bin zwar Outsider, aber ich antworte trotzdem mal...
"Kann ein Kandidat sowohl mit der 1. als auch mit der 2. Liste kandidieren?"
Bezogen auf die Bundestagswahl, kann ein Kandidat sowohl in einem der derzeit 299 Wahlkreise (aber nur einem) kandidieren, als auch auf einer Landesliste stehen. Falls ein Kandidat in seinem Wahlkreis die Mehrheit bekommt (d.h. direkt gewählt wird), wird er logischerweise von der Landesliste gestrichen. Denn 2x kann er ja schlecht im selben Jahr in den Bundestag einziehen. Noch ist Politiker-Klonen nicht erlaubt...
"andere Frage an Beispiel:
Kandidat Müller, SPD
Kandidat Meier, CDU
2 Sitze im Wahlkreis zu vergeben
(...)"
In einem Wahlkreis (wieder in Bezug auf die Bundestagswahl) kann immer nur ein Kandidat direkt gewählt werden, d.h. es kann nicht sein, dass dort 2 Sitze vergeben werden. Daher gehe ich jetzt nicht näher auf dein Beispiel ein, weil es ja keine 2 Sitze in irgendeinem Wahlkreis zu verteilen gibt.
Stattdessen geb' ich dir mal eine Kurz-Zusammenfassung, wie die Verteilung der Sitze im Bundestag geschieht, wenn alle Berechtigten gewählt haben und die Stimmen ausgezählt sind. Das wolltest du ja ursprünglich wissen:
Zunächst werden die Zweitstimmen betrachtet. Die sind ja wichtiger, wie du schon selbst geschrieben hast. Es sind aber nur bestimmte Zweitstimmen für die Verteilung relevant. Nämlich nur Zweitstimmen für Parteien, die mindestens 5% der gültigen Zweitstimmen erhalten haben oder die 3 Wahlkreise (hier zählt die Erststimme) gewonnen haben. Alle anderen Zweitstimmen sind für die Verteilung unwichtig und fallen jetzt aus der Rechnung raus. 2002 waren also nur die Zweitstimmen für die SPD, CDU/CSU, FDP und Grüne von Bedeutung. Alle anderen Parteien waren ja unter 5% geblieben bzw. hatten auch keine 3 Wahlkreise gewonnen.
Anhand dieser Zweitstimmen erfolgt nun die Sitzverteilung nach einem bestimmten Verfahren.
Eigentlich sollten im Jahr 2002 598 Sitze verteilt werden, aber es wurden davon 2 Sitze abgezogen. Warum? Dafür ist die PDS verantwortlich. Aber dazu später mehr. Also waren's jetzt "nur" noch 596 Sitze.
Wie die Berechnung bzw. das Verfahren genau aussieht, da mach ich's mir mal leicht und kopiere einfach einen Textabschnitt von einer anderen Internetseite rein:
"Zur Berechnung kommt das Verfahren Hare/Niemeyer zum Einsatz. Die Anzahl der Parlamentssitze ergibt sich zunächst, indem die Zweitstimmen jeder Partei durch die Gesamtzahl der Zweitstimmen dividiert und dann mit der Gesamtzahl der Sitze multipliziert werden. Dabei gibt die Zahl vor dem Komma an, wie viele Mandate die Partei mindestens erhält. Insgesamt lassen sich auf diese Weise 593 Sitze vergeben. In einem zweiten Rechenschritt werden nun die drei verbleibenden Plätze in der Reihenfolge der größten Zahlenbruchteile hinter dem Komma zugeteilt.
Wenn feststeht, wie viele Mandate einer Partei zustehen, müssen diese auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden. Die Sitzzahl eines Landesverbandes ergibt sich aus dem Anteil seiner Zweitstimmen am bundesweiten Zweitstimmenergebnis der Partei. Auch hier kommt das Auszählverfahren nach Hare/Niemeyer zum Einsatz. Im letzen Schritt werden schließlich die Erststimmen verrechnet. Sie hatten bei der bisherigen Sitzverteilung keine Bedeutung, weil die Direktkandidaten ohne Umwege in den Bundestag einziehen. Die Direktmandate werden jeweils von den Sitzen des Landesverbandes abgezogen, in dessen Einflussbereich sie gewonnen wurden. Alle verbleibenden Plätze kann die Partei mit Kandidaten der Landesliste besetzen."
Jetzt kann es aber noch zu sog. Überhangmandaten kommen. Auch hier kopiere ich mal wieder:
"Wenn ein Landesverband mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihm Parlamentssitze nach dem Zweitstimmenanteil zustehen, gehen diese Mandate nicht verloren. Alle erfolgreichen Direktkandidaten der Partei können in den Bundestag einziehen. Die zusätzlich vergebenen Sitze werden als Überhangmandate bezeichnet und erhöhen die Zahl der Abgeordneten im Parlament."
2002 gab's insgesamt 5 Überhangmandate (4 SPD, 1 CDU).
Macht bisher also 596 + 5 = 601 Abgeordnete.
Dazu kommen aber noch 2 Direktkandidaten der PDS. Denn obwohl die PDS unter der 5%-Hürde ist und auch keine drei Direktmandate (Wahlkreise) gewonnen hat (es hatten nur 2 Kandidaten dieser Partei ihren Wahlkreis direkt gewonnen), ist sie trotzdem im Bundestag vertreten. Das macht §6 des des Bundeswahlgesetzes (BWG) möglich. Danach werden die Direktmandate (in diesem Fall 2) einfach vor der eigentlichen Sitzverteilung von der Gesamtzahl der zu vergebenden Bundestagsmandate abgezogen. Somit ist es möglich, dass die 2 Direktkandidaten der PDS in den Bundestag einziehen können und die PDS trotz des schlechten Ergebnisses im Bundestag vertreten ist. Dafür blieben halt von den ursprünglich geplanten 598 Sitzen, nur noch 596 zur Verteilung übrig (ohne Überhangmandate).
Insgesamt gibt es also derzeit 603 Sitze (596 wurden nach dem bestimmten Verfahren verteilt + 5 Überhangmandate + 2 Direktkandidaten der PDS).
Falls du noch weitere Fragen hast, dann kannst du mich gerne fragen (nach dem Motto: Outsider hilft Insider

).
Ausführliche Infos zum Thema Bundestagswahl gibt's z.B. aber auch hier:
http://www.bundeswahlleiter.de/
Übrigens, falls ich was Falsches gesagt haben sollte, dort steht es richtig...
mfg Moleman