MSM im Fitness: Schwefel, Schmerz und Studien – was das alte Supplement wirklich kann

MSM im Fitness: Schwefel, Schmerz und Studien – was das alte Supplement wirklich kann

Anush Gorak Pexels
MSM im Fitness: Schwefel, Schmerz und Studien – was das alte Supplement wirklich kann

Vom Schwefelgeruch zum Supplement-Star

Es gibt Momente, in denen man denkt, das Periodensystem hätte inzwischen einen Sponsoringvertrag mit der Fitnessindustrie. Kreatin, Zink, Magnesium – und jetzt auch noch Schwefel? Willkommen in der Welt des Methylsulfonylmethan, kurz MSM. Eine Substanz, die so unspektakulär klingt, dass sie nur in der Supplement-Szene Karriere machen konnte.

Wer sich durch die sozialen Netzwerke scrollt, stößt schnell auf die üblichen Versprechen: weniger Muskelschmerz, bessere Regeneration, glänzende Haut und natürlich ewige Jugend. Klingt nach Wundermittel – bis man sich fragt, warum kaum jemand erklären kann, was MSM eigentlich tut.

Was MSM im Körper macht

MSM ist eine organische Schwefelverbindung, die natürlicherweise in kleinen Mengen in Obst, Gemüse, Milch und Kaffee vorkommt. Sie liefert dem Körper elementaren Schwefel – ein Stoff, der für Kollagen, Keratin und Bindegewebe gebraucht wird. Ohne Schwefel würden Proteine buchstäblich auseinanderfallen, weil Schwefelbrücken jene chemischen Bindungen sind, die Struktur verleihen.

In der Praxis bedeutet das: ohne Schwefel keine straffe Haut, keine elastischen Sehnen, keine belastbaren Gelenke. Wer sich jetzt fragt, warum man das supplementieren sollte – theoretisch liefert eine ausgewogene Ernährung genug. Praktisch sieht das bei vielen Proteinshakes, Fertiggerichten und diätgeplagten Fitness-Fans aber anders aus.

Was die Wissenschaft sagt

Die Studienlage zu MSM ist – wie so oft bei „alten“ Supplements – ein Sammelsurium aus kleinen, aber interessanten Hinweisen. Eine Reihe von Studien zeigt, dass MSM oxidativen Stress und Entzündungsreaktionen nach intensiver Belastung reduzieren kann. Sprich: Der Körper reagiert etwas gelassener auf das, was im Fitnessstudio als „gutes Brennen“ verklärt wird.

In einer doppelblinden Studie mit 22 Probanden, die drei Wochen lang 3 g MSM pro Tag einnahmen, traten nach einem Halbmarathon signifikant weniger Muskelschmerzen auf als in der Placebo-Gruppe. Andere Untersuchungen fanden reduzierte CK-Werte (Kreatinkinase) und eine verbesserte antioxidative Kapazität. Hier eine Übersicht:

StudieJahrTeilnehmerDosisErgebnis
Ebisuzaki et al.20128 Männer3 g/Tag über 28 TageHöhere antioxidative Kapazität, weniger Muskelschmerz
Van der Merwe et al.201722 Personen3 g/Tag über 21 TageWeniger Muskel- und Gelenkschmerzen nach Halbmarathon
Kalman et al.201516 Freizeitathleten2 g/Tag über 30 TageReduzierte CK-Werte, geringere Entzündungsmarker

Das sieht alles ordentlich aus – bis man genauer hinschaut: winzige Stichproben, kaum Langzeitdaten, meist Freizeitathleten und selten Frauen. Dennoch ist das Ergebnis konsistent genug, um zu sagen: MSM könnte die Erholung nach Training tatsächlich unterstützen, wenn auch nur moderat.

MSM und Muskelerholung – Realität vs. Hoffnung

MSM scheint vor allem dort zu wirken, wo der Körper nach intensiver Belastung oxidativen Stress produziert. Es neutralisiert freie Radikale, moduliert Zytokine (Entzündungsbotenstoffe) und stabilisiert Zellmembranen. In der Praxis: weniger Muskelkater, geringere Schwellung, vielleicht sogar schnelleres Zurückfinden ins Training. Aber: Es steigert keine Leistung.

Kein einziger seriöser Versuch konnte zeigen, dass MSM Kraft, Ausdauer oder VO₂max signifikant verbessert. Es ist ein Regenerationshelfer, kein Booster. Und das ist genau das Problem im Marketing – denn „Du fühlst dich nur ein bisschen weniger kaputt“ verkauft sich schlechter als „Mehr Power!“.

Schwefel zwischen Wissenschaft und Werbung

Die Supplementbranche liebt Substanzen, die wissenschaftlich „plausibel“ klingen. MSM trifft diesen Nerv perfekt: Schwefel, der das Bindegewebe stärkt und Entzündungen reduziert, klingt nach einer Mischung aus Chemie und Wellness. Deshalb findet man MSM inzwischen in allem – von Gelenkkapseln bis zu Hautampullen. Viele Hersteller berufen sich auf dieselben kleinen Studien, reichern ihre Produkttexte mit Collagen-Claims an und vergessen zu erwähnen, dass MSM nur die Bausteine liefert, nicht das Endprodukt. Ein wenig wie Mehl für Kuchen: ohne Rezept wird’s trotzdem nichts.

Einnahme und Dosierung

In den meisten Untersuchungen wurde MSM zwischen 2 und 3 g pro Tag eingesetzt – meist über mehrere Wochen. Es gilt als gut verträglich, gelegentlich treten leichte Magenbeschwerden auf. Kombiniert man MSM mit Vitamin C, scheint die Absorption etwas besser zu sein. Sinnvoll ist die Einnahme vor oder nach intensiven Trainingseinheiten über längere Zeit, nicht als kurzfristige Kur. MSM ist wasserlöslich, geschmacksneutral und lässt sich problemlos in den Proteinshake mischen. Der typische Schwefelgeruch entsteht erst bei schlechter Produktqualität – also Finger weg von dubiosen Billigimporten mit fauligem Beigeschmack.

Wer profitiert wirklich?

MSM dürfte vor allem für jene interessant sein, die regelmäßig intensive Belastungen fahren oder bereits Gelenkbeschwerden kennen: Läufer, Crossfitter, ältere Sportler oder Personen in der Regeneration. Bei sehr jungen, gesunden Athleten ist der Effekt wahrscheinlich gering, da deren antioxidatives System ohnehin effizient arbeitet.

Spannend wird MSM in Kombination mit Kollagen, Glucosamin oder Omega-3 – dort gibt es Synergieeffekte, weil Entzündungsprozesse auf mehreren Ebenen moduliert werden. Und wer ehrlich ist, nimmt Supplements ohnehin selten einzeln – der Pre-Workout schmeckt ja auch nicht nach einem Molekül, sondern nach Chemie-Orchester.

MSM vs. andere Supplements

Im Vergleich zu Magnesium, Curcumin oder Omega-3 steht MSM solide, aber nicht überragend da. Während Magnesium Muskelkontraktion beeinflusst und Curcumin entzündungshemmend wirkt, liegt MSM irgendwo dazwischen: biochemisch relevant, aber nicht spektakulär. Der Vorteil liegt in der Kombination – Magnesium entspannt, MSM stabilisiert, Omega-3 beruhigt. Zusammen ergibt das ein Regenerations-Trio, das sinnvoller ist als der Glaube an eine einzige Wunderpille. Trotzdem: Kein Supplement ersetzt Schlaf, Ernährung und gesunde Belastungssteuerung. Schwefel hilft nicht, wenn man jede Nacht Netflix-Marathons trainiert.

Der Geruch der Wahrheit

MSM riecht leicht nach Schwefel, und vielleicht ist das eine gute Metapher für seine Wirkung: nicht sexy, aber ehrlich. Wer auf echte Regeneration setzt, findet in MSM eine unspektakuläre, aber gut belegte Ergänzung. Kein Placebo, kein Wundermittel – einfach ein biochemischer Helfer, der den Körper etwas widerstandsfähiger macht.

Im Zeitalter von Glutathion-IVs und NAD+-Infusionen ist das fast schon sympathisch bodenständig. Und während Influencer weiter über „Detox durch Schwefel“ philosophieren, kann man sich entspannt zurücklehnen und denken: Wenn’s funktioniert, darf’s ruhig ein bisschen stinken.

Quellen

Ebisuzaki, K. et al. (2012). Journal of the International Society of Sports Nutrition, 9:46. – Van der Merwe, D. J. et al. (2017). Journal of Sports Medicine, 2017:170383. – Kalman, D. S. et al. (2015). Journal of the International Society of Sports Nutrition, 12(S1):P8. – Barmaki, S. et al. (2018). Nutrients 10(12):1803. – WebMD Health Review: „MSM – Uses, Benefits & Risks“, 2024. – PubMed ID 28736511 / PMC5372953.

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