Europameisterschaft im Schatten leerer Wohnzimmer
Seit dem 4. Juli 2025 rollt der Ball – allerdings nicht im Wohnzimmer der Mehrheit, sondern vor allem auf den Bildschirmen leerer Fernsehstuben. Die Frauenfußball-Europameisterschaft läuft, das ZDF zeigt sich vorbildlich engagiert, überträgt Spiele zur besten Sendezeit und betont seinen gesellschaftlichen Auftrag. Frankreich gegen England, Polen gegen Deutschland, Norwegen gegen Finnland – alles live, alles prominent platziert.
Doch während die Kamera die Spielerinnen einfängt, bleibt das Publikum größtenteils aus. Die Quote? Ernüchternd. Die Debatte? Überfällig.
Wenn die Quote spricht – und keiner hinhört
Samstagabend, 5. Juli, beste Sendezeit: Frankreich trifft auf England, die Fußball-EM der Frauen auf das deutsche Wohnzimmer. Nur rund 6,3 Prozent der jungen Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren schalten überhaupt ein. Auch im Gesamtpublikum bleiben die Zahlen blass:
Kaum mehr als zehn Prozent interessieren sich für das Geschehen auf dem Rasen. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Krimi am selben Abend holt problemlos 20 bis 30 Prozent Marktanteil. Die Fakten sind eindeutig, doch das ZDF bleibt unbeirrt auf Kurs.
Symbolpolitik statt Zuschauerorientierung
Die Senderleitung verteidigt die Übertragungen mit Verweis auf Gleichstellung, Sichtbarkeit und gesellschaftliche Relevanz. Frauenfußball gehöre ins Hauptprogramm, alles andere sei rückwärtsgewandt. Ein hehres Ziel, das in der Theorie plausibel klingt, in der Praxis aber zunehmend zum Rohrkrepierer mutiert. Denn die Zuschauerzahlen zeigen deutlich:
Das breite Publikum folgt dieser Strategie nicht. Trotzdem werden prominente Sendeplätze blockiert, während alternative Kanäle wie die Dritten Programme, Phoenix oder digitale Plattformen ungenutzt bleiben.
Der Bildungsauftrag auf dem Rasen
Eigentlich verpflichtet der Medienstaatsvertrag ARD und ZDF zu einem ausgewogenen, umfassenden Programmangebot für die gesamte Bevölkerung. Information, Bildung, Unterhaltung – in dieser Reihenfolge. Doch die aktuelle Praxis wirft Fragen auf: Gehört ein Sportereignis, das nachweislich nur eine Minderheit interessiert, zur besten Sendezeit wirklich in den Fokus des Hauptprogramms?
Oder wird hier der Bildungsauftrag missbraucht, um politisch erwünschte Symbolik über die realen Bedürfnisse der Zuschauer zu stellen?
Die stille Mehrheit schaltet ab
Die Quittung folgt auf dem Fuß: Immer mehr Zuschauer wenden sich vom Hauptprogramm ab, wenn dort Inhalte laufen, die sie nicht interessieren. Die Krimi-Fans, die Doku-Liebhaber, die politischen Bildungsjunkies – sie bleiben auf der Strecke, weil das ZDF den Abend für ein Quotengrab reserviert. Dabei wäre es technisch längst kein Problem, Frauenfußball über alternative Kanäle sichtbar zu machen, ohne das Stammpublikum vor den Kopf zu stoßen. Doch stattdessen setzt man auf Symbolkraft statt Akzeptanz.
Brot, Spiele und Augenwischerei
Die Strategie erinnert fatal an das antike Prinzip von "Brot und Spielen" – nur dass heute das Brot fehlt (Frag mal unsere neue Regierung oder die Arbeitgebervertreter, die Feiertage für überbewertet halten und bei passender Gelegenheit gleich das Bewerbungsgespräch auf die Ruderbank einer römischen Strafgaleere verlegen würden – inklusive moderner Sklavenverträge im PDF-Format.) und die Spiele nur wenige begeistern. Statt echter Vielfalt und bedürfnisorientierter Programmgestaltung erleben wir eine politische Inszenierung, die den Bildungsauftrag als Deckmantel missbraucht.
Frauenfußball wird instrumentalisiert, die öffentlich-rechtlichen Sender feiern sich selbst, während Millionen Zuschauer den Fernseher genervt abschalten. Sichtbarkeit ja, aber bitte mit Augenmaß und Respekt vor dem Publikum.
Der historische Kontext wird ignoriert
Es ist keineswegs so, dass der Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender seit jeher für gesellschaftliche Symbolpolitik missbraucht wird. Im Gegenteil: Früher galt es als Selbstverständlichkeit, Programmentscheidungen am realen Informationsbedürfnis der Mehrheit auszurichten. Politische Magazine, tiefgründige Reportagen oder Kulturformate dominierten die Primetime. Heute hingegen verschiebt sich das Gewicht. Ideologisch aufgeladene Entscheidungen überlagern den pragmatischen Blick auf die Zuschauerinteressen.
Technische Alternativen liegen auf dem Tisch
Niemand verlangt, Frauenfußball zu verstecken. Im Gegenteil: Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten verfügen über ein Netz an Digitalkanälen und Dritten Programmen, die bundesweit ausgestrahlt werden. Phoenix, ZDFinfo, die Mediatheken – all das sind etablierte Plattformen, auf denen Nischensportarten, kulturelle Minderheitenthemen oder gesellschaftlich relevante, aber wenig quotenstarke Ereignisse seit Jahren erfolgreich Platz finden. Doch im Fall des Frauenfußballs scheint es wichtiger, ein Zeichen zu setzen als das Publikum mitzunehmen.
Die politische Agenda dominiert das Hauptprogramm
Was wir aktuell erleben, ist eine bewusste Priorisierung ideologischer Botschaften über das tatsächliche Informations- und Unterhaltungsbedürfnis der Zuschauer. Während früher Inhalte nach ihrer Relevanz für die Mehrheit ausgewählt wurden, scheint heute vor allem entscheidend zu sein, welche gesellschaftspolitische Wirkung man medial erzielen kann. Das Resultat: Sinkende Akzeptanz, wachsende Verdrossenheit und ein öffentlich-rechtliches System, das sich immer weiter von seiner Kernzielgruppe entfernt.
Die Quotenfalle – ein hausgemachtes Problem
Die öffentlich-rechtlichen Sender stecken dabei in einer selbst geschaffenen Zwickmühle. Einerseits möchten sie gesellschaftliche Entwicklungen abbilden, andererseits verlieren sie dabei ihr Stammpublikum. Die geringe Quote bei Frauenfußballübertragungen ist dabei nur ein Symptom eines größeren Problems:
Die Realität der Einschaltquoten wird systematisch ignoriert, solange die Symbolik stimmt. Wer aber glaubt, ein öffentlich-rechtliches System könne sich dauerhaft über die Interessen der Mehrheit hinwegsetzen, wird früher oder später vom Realitätsschock eingeholt.
Schlagerfuzzis als Fernseh-Schutzprogramm
Und während das ZDF für ein paar müde Frauenfußball-Übertragungen zur besten Sendezeit gleich das komplette Programm umbaut und die Quoten mutig ignoriert, fragt man sich zwangsläufig, warum eigentlich nicht dasselbe Maß an gesellschaftlicher Rücksichtnahme bei den legendären Samstagabend-Schlagerorgien angewandt wird.
Da quält man sich dann drei endlose Stunden durch ein Programm, das gefühlt direkt aus der Gruft der deutschen Fernsehgeschichte importiert wurde.
Jeder, der jemals in den siebziger oder achtziger Jahren auch nur einmal eine goldene Schallplatte hochgehalten hat, wird mit frankenstein'scher Präzision wieder zusammengeflickt, mit Botox, Hyaluron und viel Schminke frisch konserviert und anschließend auf die Bühne gezerrt. (Kennt ihr den Film: "Der Tod steht ihr gut" mit Bruce Willis, Mewryl Streep und Goldie Hawn? )
Dass bei so manchem Auftritt mehr Stuckarbeiten im Gesicht stecken als in mancher Altbauwohnung, fällt dabei kaum noch auf.
Fernseh-Mumien mit sportlicher Leistungsauszeichnung
Die Visagistin hat da Schwerstarbeit geleistet, die weißen Streifen an den Schläfen verschwinden unter kunstvollen Farbschichten, die Wangen glänzen wie frisch gespachtelt und die Mimik bleibt dabei so beweglich wie eine eingefrorene Gartenstatue im Winter. Aber immerhin, das Publikum fühlt sich abgeholt – altersgerecht, schmerzfrei und nostalgietauglich.
Die Einschaltquoten? Stabil. Die Schlagzeilen? Wohlwollend. Die Rentenbescheide? Pünktlich. Schließlich lernt der Zuschauer dabei eindrucksvoll, wie lange man mit ausreichend Schminke, medizinischer Unterstützung und ein bisschen Playback tatsächlich durchhalten kann. (Wenn der Tod nicht mehr die größte Enttäuschung ist, liegt das vermutlich am venenschonenden Fernsehsessel und dem Betäubungsprogramm im Fernsehen. So bleibt man schön ruhig sitzen – bis der Sensenmann endlich zum Einschalten kommt.)
Hauptsache, das Publikum klatscht so inbrünstig, dass sich nicht nur die Schlagerschuppen lockern, sondern bei manchem gleich die Krone vom Stumpf segelt – und das fällt natürlich erst beim nächsten Zahnarztbesuch auf, wenn von der Krone mehr Zement als Substanz übrig ist.
Mehr Lebensrealismus fürs Hauptprogramm geht kaum. Und wenn man ehrlich ist: Eine sportliche Leistung für Senioren ist es außerdem.
Ein bisschen Sarkasmus zum Ausklang
(Hatte ich mir den vorher erspart? Ja klar... ) Ha! Zurück zum Thema, zum Frauenfussball! Vielleicht wäre es nur konsequent, das nächste Mal gleich ein politisches Manifest ins Stadionmikrofon einzusprechen. Dann würde auch der Letzte verstehen, dass es hier längst nicht mehr nur um Sport geht, sondern um die Inszenierung einer gesellschaftlichen Agenda. Bildungsauftrag? Vielleicht.
Aber bitte nicht auf Kosten der Glaubwürdigkeit, der Quote und des gesunden Menschenverstands. Vielleicht wäre es sogar noch konsequenter, die nächste ZDF-Talkshow direkt zwischen die Halbzeiten zu legen – dann wäre die Symbolik perfekt, und alle Beteiligten könnten sich gegenseitig feiern, während das Publikum weiterhin abschaltet.