Cannabis & Ernährung: Wie Munchies deinen Fettabbau und Muskelaufbau sabotieren

Steuermann
Fitness Expert

Zum ersten Mal habe ich im Freundeskreis jemanden, der regelmäßig kifft – und gleichzeitig fast schon verbissen trainiert. Fünf- bis sechsmal die Woche im Studio, schwere Gewichte, klare Ziele, alles auf „Ich will raus aus dem Zeug“. Ich dachte immer, Cannabis sei eine harmlose Lifestyle-Option, etwas zwischen Chill-Getränk und Ritual am Wochenende. Jetzt sehe ich zum ersten Mal, wie sich ein echter Entzug anfühlt.

Die körperliche Phase ist kurz, aber heftig: schlaflose Nächte, Appetitverlust, Gereiztheit, innere Unruhe. Acht bis zehn Tage, die sich anfühlen wie zwei Wochen. Danach kommt der Teil, den niemand als „harmlos“ bezeichnen würde: der psychische Entzug. Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit, emotionale Achterbahn – und das über mehrere Wochen. Wer glaubt, dass Cannabis nicht abhängig machen kann, hat nie daneben gestanden, wenn jemand versucht, da wieder rauszukommen.

Gleichzeitig frage ich mich, wie sinnvoll die deutsche Liberalisierung überhaupt ist, wenn am Ende weniger als fünf Prozent der Konsumenten in einem Cannabisclub landen und der Großteil weiterhin lieber beim Dealer einkauft. Und die berühmten drei legalen Pflänzchen? Dafür braucht man mehr Geduld und grünen Daumen als für ein Neugeborenes mit Blattläusen.

Was mich aber wirklich überrascht hat: Die größten Probleme entstehen nicht durch den Rausch selbst – sondern durch das, was danach kommt. Vor allem beim Thema Ernährung. Denn THC manipuliert Hunger- und Belohnungssystem so deutlich, dass selbst disziplinierte Sportler plötzlich essen wie im endlosen Cheat-Day-Modus.

Was sind Munchies wirklich?

„Munchies“ klingt wie Kiffer-Slang, ist aber ein medizinisch gut dokumentiertes Phänomen: ein THC-induzierter Heißhunger, ausgelöst durch eine massive Aktivierung des Hungerhormons Ghrelin. Normalerweise steigt Ghrelin, wenn der Körper Energie benötigt. Unter Cannabis wird dieses Signal künstlich verstärkt – unabhängig vom tatsächlichen Bedarf.

Der Körper verhält sich, als hätte man seit Stunden nichts gegessen. Für Sportler bedeutet das: Der Hunger ist nicht zuverlässig, sondern chemisch verstärkt. Dazu kommt eine übersteigerte Geschmacks- und Geruchswahrnehmung. Süßes schmeckt süßer, Salziges salziger, Fettiges cremiger.

Das Belohnungssystem feuert stärker, wodurch genau jene Lebensmittel attraktiv werden, die man im Fitnessalltag eigentlich meidet: stark verarbeitete Snacks, schnelle Kohlenhydrate, leere Kalorien. Munchies sind deshalb kein Witz, sondern ein hormonelles Feuerwerk, das sich direkt auf Ernährungssteuerung und Stoffwechsel auswirkt.

Wie THC Hunger und Sättigung manipuliert

Das Endocannabinoid-System beeinflusst zentrale Bereiche des Hypothalamus – den Teil des Gehirns, der Hunger, Sättigung und Energiehaushalt steuert. THC bindet dort an CB1-Rezeptoren und sorgt dafür, dass Ghrelin steigt und Leptin, das Sättigungshormon, schlechter wirkt. Der Effekt: Der Körper glaubt, er sei hungrig, obwohl die Energiespeicher voll sind.

Zugleich steigert THC den Dopaminoutput bei Essen, sodass Snacks sich wie eine automatische Belohnung anfühlen. Dieses Zusammenspiel führt zu einer Art metabolischer Verzerrung: Hunger fühlt sich intensiver an, Sättigung später, Belohnung stärker. Für Sportler ist das doppelt ungünstig, weil Ernährungsdisziplin, Makroverteilung und Trainingsvorbereitung durcheinandergeraten. Der Körper fordert Energie, die er nicht braucht, und speichert sie dann bevorzugt als Fett ein.

HormonTHC-EffektAuswirkung auf Fitness
GhrelinErhöht Hunger auch ohne EnergiemangelMehr Kalorienzufuhr, schwerer Fettabbau
LeptinSättigungssignal wird abgeschwächtÜberessen, späte Sättigung
DopaminEssen wird stärker belohntSnacks statt Struktur

Warum Munchies den Fettabbau sabotieren

Sobald schnelle Kohlenhydrate im Spiel sind, steigt der Blutzucker, Insulin wird ausgeschüttet, und die Fettverbrennung stoppt. Unter THC passieren diese Peaks häufiger und unkontrolliert. Besonders gefährlich ist die Kombination aus übersteigertem Hunger und schlechter Sättigungsregulation:

Man isst nicht nur mehr, sondern verteilt die Kalorien ungünstig. Statt Proteinen, Ballaststoffen oder komplexen Kohlenhydraten entstehen Mahlzeiten, die kurz sättigen, aber langfristig zu noch mehr Hunger führen. Ein gängiges Muster: 800–1200 zusätzliche Kalorien an einem Abend, oft unbemerkt. Selbst wenn man tagsüber sauber isst, werfen solche Episoden Diäten oder Definitionsphasen zuverlässig aus der Bahn.

Wie Munchies den Muskelaufbau bremsen

Während viele glauben, Cannabis schade dem Muskelaufbau direkt, passiert der eigentliche Schaden indirekt. Durch die gestörte Ernährungslogik sinkt die tägliche Proteinzufuhr, weil Snacks kaum Eiweiß enthalten. Der Körper bekommt nicht, was er zur Reparatur und Hypertrophie braucht. Schlafprobleme unter THC verschärfen das Problem:

Weniger REM- und Tiefschlaf bedeutet weniger Wachstumshormon und schlechtere Regeneration. Kombiniert mit unstrukturierten Trainingszeiten und verminderter Motivation entsteht ein Muster aus suboptimaler Belastung, schlechterer Technik und unvollständiger Erholung – ein Cocktail, der Muskelaufbau sichtbar verlangsamt.

Welche Lebensmittel Munchies typischerweise auslösen – und warum

Typisches Munchies-FoodEigenschaftFitness-Konsequenz
Chips, SalzsnacksSalzig, fettig, sofort belohnendÜberkalorien, Wassereinlagerung
Schokolade, SüßigkeitenZuckerpeak + DopaminschubInsulinspikes, Fettaufbau
EiscremeFett+Zucker KombinationKaloriendichte, wenig Nährstoffe

Warum Sportler stärker betroffen sind als Nicht-Sportler

Fitnesssportler leben von Struktur: Mahlzeiten, Makros, Timing, Regeneration. THC greift genau in diese Architektur ein. Während Nicht-Sportler Munchies als „lustige Nebenwirkung“ wahrnehmen, können Athleten ihre Trainingsziele über Wochen verlieren, ohne den Grund zu erkennen. Besonders heikel ist der Effekt auf das mentale Essverhalten:

Weil Essen unter THC stärker belohnt wird, verändert es die Beziehung zu Snacks. Ein einziger Abend kann reichen, um Diätstrukturen zu brechen und mentale Disziplin zu schwächen. Unter regelmäßigen Konsum verschiebt sich der gesamte Energiehaushalt.

Wie man Munchies als Sportler kontrolliert

Die wichtigste Strategie ist Bewusstsein: Hunger unter THC ist selten echter Hunger. Wer das erkennt, kann gegensteuern. Sinnvoll ist, vor Konsum proteinreiche Mahlzeiten zu essen, ausreichend Wasser und Elektrolyte bereitzuhalten und bewusst „saubere“ Snacks verfügbar zu machen. Auch hilft es, das Belohnungssystem zu umgehen, indem man Routinen pflegt: feste Trainingszeiten, klare Mahlzeiten, Schlafhygiene. Wichtig ist auch, Konsum und Training zu trennen: Wer abends kifft und morgens trainieren will, sabotiert seine Regeneration doppelt.


Quellen: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): „Cannabis – Wirkungen und Risiken“, 2023; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Jahrbuch Sucht 2024, Kapitel Cannabis; Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht): „Cannabiskonsum: Neurobiologie und Gesundheitsfolgen“, 2022; Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Leitlinie „Cannabisbezogene Störungen“, 2022; Deutsches Ärzteblatt: „Cannabis und metabolische Effekte“, 2022; Robert Koch-Institut: „Cannabiskonsum in Deutschland – Epidemiologie und gesundheitliche Auswirkungen“, 2023.

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